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TIERE/110: Interview - Fünf Jahre Widerstand gegen die Schlachtfabrik in Weißenfels (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 2/2010
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

PERSÖNLICH
Im Gespräch mit Nicole Reppin

Interview: Severin Zillich


Fleischfabrikant Clemens Tönnies betreibt in der Barockstadt Weißenfels einen Schlachthof. Wurden hier Anfang der 90er Jahre täglich 4.000 Schweine geschlachtet, stieg der »Umsatz« inzwischen auf 12.000. Damit nicht genug: In einer der größten Schlachtfabriken Europas sollen bald 20 000 Tiere/Tag sterben. Dagegen wehren sich seit Jahren der BUND Sachsen-Anhalt und eine Bürgerinitiative mit der Vorsitzenden Nicole Reppin.

Frau Reppin, mögen Sie Schweinefleisch?

Schweinefleisch esse ich seit Jahren kaum noch. Zur Vegetarierin bin ich durch meine Aktivitäten trotz allem nicht geworden. Schon lange vor unserer Initiative habe ich mich an das Motto »weniger ist manchmal mehr« gehalten. Und ich kaufe Fleisch bewusst nur aus ökologischer Haltung.

Warum machen Sie dem größten Arbeitgeber der Region das Leben schwer?

Den »größten Arbeitgeber« würde ich gerne in Frage stellen. Da Herr Tönnies keine Gewerkschaften zulässt, gibt es keine belegbaren Daten für diese Behauptung, die Zahlen des Fleischwerks sind sehr widersprüchlich. Zudem führen Monopolisierungstendenzen mit ihrem Markt- und Preisdruck bekanntlich dazu, dass in kleineren Betrieben oft Arbeitsplätze vernichtet werden.

Was stört Sie denn an einem Schlachthof in der geplanten Dimension?

Ich bin überzeugt, dass eine weitere Vergrößerung des Schlachthofs schädlich ist, für die Stadt Weißenfels, für die gesamte Region und darüber hinaus - denken Sie nur an unsere subventionierten Fleischexporte, die weltweit die Märkte kaputt machen. Wer 20 000 Schweine täglich schlachtet, braucht Massentierhalter, die die Tiere liefern, ist also der Motor für eine zunehmend industrialisierte Schweinehaltung. Dazu kommt der Transport der Schweine, Fleischprodukte und Abfälle: Über 800 Lkw-Fahrten pro Tag sind hier für Weißenfels prognostiziert. Und schließlich der Gestank, dem je nach Windrichtung alle Anwohner ringsum ausgesetzt sind, und das dauernde Wummern der Kühlaggregate.

Muss man nicht mutig sein, um sich gegen einen Konzern zu stellen, der in einer Stadt mit 20% Arbeitslosenrate neue Arbeitsplätze verspricht?

Eine hohe Arbeitslosenrate ist kein Freibrief dafür, Arbeitsplätze um jeden Preis zu schaffen. Und soll das monotone Akkordschlachten und Zerlegen am Band wirklich die Zukunft sein, gerade für die jungen Leute?

Was hat Sie an die Spitze des Protestes getrieben? Sind Sie von Natur aus ein widerständiger Mensch?

Ich bin Geographin und habe über das Studium ein fundiertes Gerüst in puncto Umweltrecht und Nachhaltigkeit bekommen. Als die geplante Vergrößerung des Schlachthofes öffentlich wurde, konnte ich mir nicht vorstellen, dass so etwas in einem städtischen Umfeld möglich ist. Das hat mich zu einer ersten Einwendung bewogen, und dann kam eins zum anderen - wie der Kontakt zum Aktionsbündnis »Artgerechte Tierhaltung Sachsen-Anhalt«, das der BUND koordiniert, und die Gründung einer BUND-Ortsgruppe.

Seit wann wehren Sie sich gegen Herrn Tönnies?

Seit fünf Jahren - und ein Ende ist nicht absehbar. Da greifen so viele Verfahren ineinander. Ärgerlich ist die Salamitaktik: Anträge werden immer nur scheibchenweise gestellt, und keiner will sich mit den Auswirkungen des Gesamtprojektes beschäftigen.

Sind Sie nach all den Jahren noch optimistisch?

Nun, noch sind die Gerichtsverfahren offen. Ich bin optimistisch, mein Kampfgeist ist noch lange nicht erloschen. Unser Ziel bleibt es, die Schlachtkapazität auf 8 500 Schweine am Tag zu deckeln, und das bei möglichst hohen Auflagen. Zum Beispiel wollen wir ein Verbot der Wochenendschlachtung erreichen.

Was erhoffen Sie sich vom Netzwerk »Bauernhöfe statt Agrarfabriken«, das der BUND jüngst mitgegründet hat?

Wir wollen ja möglichst viele Menschen für dieses Problem sensibilisieren. Der Kontakt zu anderen Initiativen ermutigt uns und lässt neue Freundschaften entstehen.


Bürgerinitiative »Pro Weißenfels«,
Bündnis gegen die Schlachthoferweiterung,
pro-weissenfels@freenet.de, www.pro-weissenfels.de,
www.bundsachsen-anhalt.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Die Geographin Nicole Reppin (34) lebt nur etwa 250 Meter von dem Schlachthofgelände (im Hintergrund) entfernt.


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Quelle:
BUNDmagazin 2/2010
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
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Internet: www.bund.net

Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2010