Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LANDWIRTSCHAFT

VIELFALT/094: SAVE eNews extra - AgroBiodiversität, Landwirtschaft und Klimawandel (SAVE)


SAVE eNews
Ein vierteljährlicher Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation
(Safeguard for Agricultural Varieties in Europe)

SAVE eNews extra - Sonntag, 13. Dezember 2009

AgroBiodiversität, Landwirtschaft und Klimawandel


Zum Welt-Klimagipfel in Kopenhagen hat in Deutschland eine Koalition von Organisationen, die sich mit AgroBiodiversität und Landwirtschaft befassen, ein Positionspapier zu Landwirtschaft und Klimawandel verfasst. Das Positionspapier wird auch von SAVE Foundation mitgetragen.

Positionspapier

Vielfalt als Anpassungsstrategie der Landwirtschaft im Klimawandel

Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft vor neue Herausforderungen. Extremwetterereignisse wie Stürme, Überflutungen und Dürren sowie der Anstieg des Meeresspiegels vernichten bereits heute weltweit Ernten und fruchtbares Ackerland. In Zukunft werden sich die Schäden durch die Folgen des Klimawandels selbst bei drastischen Emissionsminderungen noch weiter verschärfen. Die Ernährungssicherung wird hierdurch zunehmend gefährdet. Schon heute hungert jeder sechste Mensch auf der Erde. Im Hinblick darauf sind Strategien der Anpassung an den Klimawandel in der Landwirtschaft zwingend notwendig. Derzeit werden jedoch vor allem technische Lösungen ins Feld geführt, wie der verstärkte Einsatz von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden, die Anlage großflächiger Bewässerungssysteme sowie die Konzentration auf Förderung einzelner dürreresistenter und fluttoleranter Sorten. Selten wird auf Maßnahmen geschaut, die Bäuerinnen und Bauern vielerorts schon seit Jahrhunderten erfolgreich betreiben: Sie nutzen die landwirtschaftliche Vielfalt an Arten, Sorten und nicht-homogenen Linien in unterschiedlichen Anbausystemen, die auch die langfristige Fruchtbarkeit des Bodens berücksichtigt. Denn eine große Vielfalt erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass nicht die gesamte Ernte durch Extremwetterereignisse und die Verschiebung von Regenzeiten zerstört wird, sondern nur ein Teil. Agrobiodiversität wirkt wie eine Versicherung, die für Kleinbauern günstig und selbstbestimmt nutzbar ist und somit ein entscheidendes Element der Ernährungssicherung darstellt. Statt der Förderung einzelner Sorten mit dem Fokus auf kurzfristige Erfolge brauchen wir nachhaltige Anpassungsstrategien, welche die Verwundbarkeit der Menschen in den Entwicklungsländern verringern, die schon heute am meisten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden und unter starkem Anpassungsdruck stehen. Hierbei ist Agrobiodiversität ein Schlüssel zur Anpassung. Sowohl der IPCC als auch die Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) betonen, dass nachhaltige und diversifizierte Landwirtschaft den Druck des Klimawandels abfedert. Dies sollte sich in Entscheidungen zu Forschungsfinanzierungen wiederfinden.

Beispiele aus der Entwicklungszusammenarbeit unterschiedlichster Träger zeigen, dass diese Form der Absicherung mit einer dauerhaften Hilfe und mehr Unabhängigkeit von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern einhergeht als eine umweltschädigende Intensivierung der Landwirtschaft zur Erhöhung der Erträge pro Hektar. Denn Ernährungssicherung ist in erster Linie ein Problem des Zugangs zu Nahrung und keine Frage der Gesamtproduktion. Der Weltagrarbericht (IAASTD) stellt hierzu klar, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft mit ihrem lokalen Wissen in besonderem Maße zur Ernährungssicherung und zur landwirtschaftlichen Vielfalt beiträgt. Diese Erkenntnisse müssen in alle landwirtschaftlich relevanten Klimaverhandlungen einbezogen werden. Der Erhalt der landwirtschaftlichen Vielfalt ist ein Instrument zur Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung. Alle politischen Entscheidungen und Programme zur Anpassung an den Klimawandel müssen ausgehen von den menschenrechtlichen Verpflichtungen der Staaten. Um so erstaunlicher ist es, dass das Verhandlungspapier zu Kopenhagen bisher an keiner Stelle einen Hinweis auf Förderung der Agrobiodiversität enthält.


Folgende Punkte müssen aus Sicht der unterzeichnenden Parteien bei der Diskussion um Anpassung in der Landwirtschaft national wie international Berücksichtigung finden:

1) Nachhaltigkeit und Agrobiodiversität:
Alle Anpassungsmaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft sollen vorrangig auf eine lokal angepasste nachhaltige Landwirtschaft mit dem Schwerpunkt einer Förderung kleinbäuerlicher und vielfältiger Produktion ausgerichtet werden. Agrobiodiversität muss als zentrale Anpassungsstrategie anerkannt werden. Sie muss auf dem Feld unter der jeweiligen Umweltsituation (in-situ) gefördert, geschützt und weiterentwickelt werden.
Homogenität als Bedingung bei der Sortenzulassung ist ein Hemmschuh der Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Vielfalt und damit auch für die Anpassung an den Klimawandel und muss abgeschafft werden. Preisdumping durch Exporte mit und ohne Subventionen, die lokale Märkte zerstören und damit die Möglichkeit des Anbaus lokaler Sorten und Rassen blockieren, muss verhindert werden.
Bestrebungen in Richtung einer "klimaeffizienten Intensivierung" der Landwirtschaft dürfen der Agrobiodiversität nicht schaden, sondern müssen sie fördern und nutzen.
2) Keine geistigen Eigentumsrechte auf genetische Ressourcen:
Anpassungsstrategien müssen sich daran orientieren, benachteiligte Gruppen zu stärken und ihnen freien Zugang zu genetischen Ressourcen zu ermöglichen sowie auf Dauer zu gewähren. Dieses Recht darf nicht in irgendeiner Form (z.B. durch Patentierung von Saatgut) unterbunden werden.
Als Grundlage für die Schaffung lokaler genetischer Vielfalt müssen die Farmers Rights, wie im Internationalen Saatgutvertrag der FAO gefordert, in den nationalen Saatgutgesetzgebungen verankert werden.
3) Partizipation und Capacity Building:
Die Einbeziehung von Kleinbauern und ihrem Wissen in einer partizipativen und bäuerlichen Pflanzenzüchtung ist ein wichtiger Beitrag zu einer erfolgreichen Anpassung. Darüber hinaus ist sie kostengünstiger als Züchtungsforschung in internationalen Forschungszentren, die auf die Züchtung einzelner Sorten gerichtet ist.
Gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Bauern und Forschern sowie ein Austausch unter den Landwirten in unterschiedlichen Ländern zur Entwicklung erfolgreicher Anpassungsstrategien sollte gefördert werden.
Die Zivilgesellschaft sollte in die Entscheidungen über die Verwendung von Anpassungsgeldern auf nationaler, EU und UN-Ebene mit einbezogen werden.
4) Kohärenz mit Minderungsstrategien:
Emissionsminderungsmaßnahmen der Klimapolitik müssen mit den Zielen der Anpassungsstrategien kohärent sein und dürfen die Ernährungssicherung nicht gefährden.
Eine mögliche Einbeziehung der Landwirtschaft in die Marktmechanismen des Klimaabkommens im Bereich der Minderung darf nachhaltigen Anpassungsstrategien nicht entgegenstehen.
5) Finanzielle Förderung:
Mittel zur Finanzierung der Anpassung an den Klimawandel müssen zusätzlich zu den Mittel der Entwicklungszusammenarbeit (von 0,7% des BIP) bereitgestellt werden.
Finanzielle Förderung muss in größerem Maße als bisher in die Unterstützung lokal angepasster genetisch vielfältiger Landwirtschaft fließen, statt den weiteren Ausbau der hochintensiven unökologischen Landwirtschaft zu fördern.
Nationale und internationale Agrarforschung muss stärker an den Belangen der Kleinbauern ausgerichtet werden. Hierzu gehört eine direkte Förderung des on-farm-research unter Beteiligung der Bauern.

Kontakt:
Sandra Blessin, BUKO Agrar Koordination,
eMail: sandra.blessin@bukoagrar.de

Die unterzeichnenden Verbände:
AgrarBündnis e.V.
Inst. für Ökologie & Aktions-Ethnologie e.V.
AGRECOL e.V.
INKOTA Netzwerk
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft AbL e.V.
Kein Patent auf Leben e.V.
Misereor
Bioland e.V.
Naturschutzbund Deutschland e.V.
BUKO Agrar Koordination (FIA e.V.) Neuland e.V.
BUKO Kampagne gegen Biopiraterie
Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany)
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
SAVE Foundation
Save Our Seeds
Deutscher Naturschutzring
Weltfriedensdienst e.V.
World Wide Fund for Nature
Gesellschaft zur Erhaltung vom Aussterben bedrohter Nutztierrassen e.V.
Zukunftsstiftung Entwicklungshilfe
Greenpeace Deutschland e.V.
Zukunftsstiftung Landwirtschaft


*


Sie können die SAVE eNews auch von folgender URL als PDF herunterladen:
http://www.save-foundation.net/deutsch/PDF/news/SAVE_eNews_09_3de.pdf

Den Inhalt des Newsletters finden Sie zudem auf der Aktualitätenseite unseres Webauftrittes:
http://www.save-foundation.net/deutsch/aktuell.htm

Arche-Netzwerk: http://www.arca-net.info
ELBARN Net: http://www.elbarn.net
Agrobiodiversity.Net: http://www.agrobiodiversity.net


*


Quelle:
SAVE eNews extra - Sonntag, 13. Dezember 2009
Elektronischer Infodienst der SAVE Foundation
Herausgeber:
SAVE Foundation, Head Office
Joseph-Belli-Weg 5, D-78467 Konstanz, Deutschland
E-Mail: office@save-foundation.net
Internet: http://www.save-foundation.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2009