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WALD/074: Waldstrategie 2020 - Biodiversitätsstrategie nicht torpedieren (FUE)


Forum Umwelt & Entwicklung - Pressemitteilung vom 2. Juli 2009

Biodiversitätsstrategie nicht torpedieren

Waldstrategie 2020 des BMELV muss die größten Probleme lösen


Mehrere Umweltverbände haben Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner aufgefordert, mit der Waldstrategie 2020 des BMELV sowohl die Ziele der nationalen Biodiversitäts-, als auch der Nachhaltigkeitsstrategie zu unterstützen. Anstatt im Gleichschritt mit Akteuren aus Forst- und Holzwirtschaft etwa die Ausweisung weiterer Waldnationalparks zu torpedieren, solle sich das Ministerium mit der Lösung der wichtigsten Probleme befassen.

So verursachen die überhöhten Schalenwildbestände jährlich schwere wirtschaftliche Schäden am Forst. Die Verluste durch vermiedenen Zuwachs, geschälte Bäume, verbissene Jungpflanzen und Kosten für Zaunbau und Wertverluste wegen faulenden Hölzern dürften jährlich in die Hunderte von Millionen gehen. Darum solle das Ministerium zunächst die Höhe und Ursachen für diese Schäden untersuchen lassen, um diese Probleme anschließend zu bekämpfen, die neben wirtschaftlichen Schäden für die Forstbetriebe auch ökologisch nachteilige Folgen haben.

László Maráz, Koordinator der AG Wälder im Forum Umwelt und Entwicklung: "Es ist nicht hinnehmbar, dass Vertreter aus Verbänden der Forst- und Holzwirtschaft gemeinsam mit dem BMELV mit angeblichen Wirtschaftsargumenten gegen den Naturschutz anreden, und die wichtigsten Probleme dabei bewusst ausklammern. Viele der von den Verbänden vorgebrachten Forderungen wurden schon vor Jahren im Nationalen Waldprogramm gemeinsam mit den Forstwirtschaftverbänden und dem BMELV erarbeitet - nur die Umsetzung ist offenbar nicht gewollt."

In ihrem Brief fordern die Verbände, dass auch die Schäden aus der Belastung durch Luftschadstoffe sowie Importe von teilweise illegalen Raubbau-Hölzern analysiert werden, um gezielte Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Auch der immer noch zu niedrige Preis klimaschädlicher Baustoffe wie PVC, Beton und Aluminium drückt auf die Holzpreise und schwächt die Ertragssituation der Forstbetriebe. Dagegen würde die Ausweisung von Nationalparks auch neue Stellen in Tourismus, Bildung und Forschung schaffen.

Während den beiden Symposien zur Entwicklung der Waldstrategie 2020 hatten auch Vertreter des BMELV wiederholt die Schutzziele der Biodiversitätsstrategie wegen der Verluste an Produktionsflächen für die Forstwirtschaft kritisiert. Für Totalreservate, Biotopbäume, Totholz und ähnliche "Luxusvorstellungen" gebe es derzeit keinen Platz.

Kontakt und Informationen:
László Maráz
Koordination AG Wald im Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Tel.: 030-678177589, E-Mail: maraz@forumue.de

Raute

An
Bundesministerin Ilse Aigner
BMELV
Wilhelmstraße 54
10117 Berlin
Cc.: BMU

Berlin, 22. Juni 2009

Betreff: Waldstrategie 2020 des BMELV

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Aigner,

mit großem Interesse verfolgen die unterzeichnenden Verbände die Erarbeitung der 'Waldstrategie 2020' durch das BMELV. Eine solche Strategie ist wichtig, um den vielfältigen Herausforderungen vor denen die Forstwirtschaft heute steht, mit einem abgestimmten und ausgewogenen Konzept zu begegnen. Die Waldstrategie des BMELV könnte ein wichtiges Instrument zur Umsetzung nationaler Ziele in den Bereichen ländliche Entwicklung, Klimaschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt werden. Als Ressortstrategie muss sich die Waldstrategie 2020 in entsprechende übergeordnete nationale Strategien eingliedern. Dazu gehören vor allem die 'Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt', die am 7. November 2007 vom Bundeskabinett einstimmig verabschiedet wurde sowie die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Mit Sorge betrachten wir in diesem Zusammenhang die Aussagen, mit denen einige Vertreter Ihres Hauses wiederholt Ziele der 'Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt' infrage gestellt und problematisiert haben. So kritisierten Vertreter Ihres Hauses unter anderem auf den beiden vorbereitenden Symposien für die Erarbeitung der 'Waldstrategie 2020' das Ziel, bis zum Jahre 2020 fünf Prozent der Waldfläche einer natürlichen Entwicklung zu überlassen ("Stilllegung"). Beklagt wurden die "Verluste an Produktionsflächen" in Forst- und Landwirtschaft. Für Totalreservate, Biotopbäume, Totholz und ähnliche "Luxusvorstellungen" gebe es derzeit keinen Platz, so der Tenor. Wenn hier schon mit Wirtschaftsaspekten argumentiert wird, ist es doch bemerkenswert, dass es das BMELV unterlässt, sich der Lösung der wichtigsten Ursachen für Produktionseinbußen in der Forstwirtschaft zu widmen, wie zum Beispiel der Schalenwildproblematik, den "neuartigen Waldschäden" und den Wettbewerbsverzerrungen auf dem Rohstoffmarkt. Die hieraus resultierenden wirtschaftlichen Schäden für alle Waldbesitzer wiegen weitaus schwerer als ein Verzicht auf die Holznutzung in künftigen Schutzgebieten. Wir vermissen beim BMELV den Ansatz für eine kongruente Waldpolitik, die klare, in einem gesellschaftspolitischen Dialog erarbeitete Ziele für den Wald als Wirtschafts- und als Lebensraum formuliert. Um auf eine breite gesellschaftliche Akzeptanz zu stoßen, muss eine Waldstrategie jedoch allen Waldfunktionen gleichermaßen gerecht werden. Für die Lebensraumfunktion des Waldes bietet die nationale Biodiversitätsstrategie dabei das Orientierungsgerüst. Wir fordern Sie daher auf, dafür Sorge zu tragen, dass sich die 'Waldstrategie 2020' deutlich zu den Zielen der nationalen Biodiversitätsstrategie und der Nachhaltigkeitsstrategie bekennt und folgende Maßnahmen (u.a. aus den Kernempfehlungen des Nationalen Waldprogramms) in die Strategie integriert:

1. Durchführung einer Analyse der Schäden durch überhöhte Schalenwildbestände (vor allem durch geringere Holzproduktion aufgrund verzögerter Naturverjüngung, Verhinderung des kostenlosen Aufwuchses wichtiger Mischbaumarten, Holzentwertung und Kosten für Pflanzung und Zaunbau). Das Ergebnis sollte auch in Form der Mindererträge in Festmeter Zuwachs pro Jahr dargestellt werden, inklusive der dadurch verursachten wirtschaftlichen Verluste für Waldbesitzer aller Besitzarten.

2. Durchführung einer Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen von Waldschäden, die durch Schadstoffimmissionen verursacht werden.

3. Analyse und Darstellung (in Euro pro vergleichbarer Bezugseinheit) der Subventionen und anderer geldwerter Vorteile, von denen die wichtigsten Holzsubstitute (Stahl, Beton, Aluminium, PVC, Glas, Ziegel) profitieren (zum Beispiel durch günstigere Energiekosten, externalisierte Entsorgungskosten, Umwelt- und Klimaschäden durch höheren Energieverbrauch).

4. Analyse der wirtschaftlichen Folgen der unlauteren Konkurrenz, die den heimischen Waldbesitzern in Form des Preisdruckes auf heimische Laub- und Nadelhölzer durch die fortwährenden Importe illegaler und legaler Raubbauhölzer entstehen.

Auf der Basis dieser Informationen sollten dann Maßnahmen entwickelt werden, mit denen Problemlösungen erreichbar sind. Deren Umsetzung würde die wirtschaftliche Grundlage aller Forstbetriebe und Waldbesitzer verbessern und eine ökologischere Waldnutzung fördern. Die unterzeichnenden Verbände sichern dabei ihre volle Unterstützung zu.

Für Rückfragen und weitere Diskussionen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Kontakt:

László Maráz
Koordination AG Wald im Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Tel.: 030-678177589, E-Mail: maraz@forumue.de

Prof. Dr. Hubert Weiger
Bundesvorsitzender BUND

Hubert Weinzierl
Präsident Deutscher Naturschutzring e.V

Jürgen Maier
Geschäftsführer
Forum Umwelt und Entwicklung

Olaf Tschimpke
Präsident NABU - Naturschutzbund
Deutschland e.V.

Elisabeth Emmert
Bundesvorsitzende Ökologischer Jagdverband


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Quelle:
Pressemitteilung, 02.07.2009
Herausgeber: Forum Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2009