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WALD/101: Forschung für nachhaltige Waldwirtschaft in Deutschland (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter September 2009

Knowhow für den Wald von morgen


Wie sollte der Wald der Zukunft aussehen? Rund um diese Frage haben Vertreter aus Wissenschaft und Praxis, Politik und Gesellschaft in 25 Verbünden sechs Jahre lang auf vielen Feldern geforscht, untersucht, hinterfragt, Szenarien entworfen und gemeinsame Lösungen und Handlungsempfehlungen für die Praxis entwickelt. Möglich war dies im Rahmen des Förderschwerpunktes "Nachhaltige Waldwirtschaft in Deutschland" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Die Förderinitiative ist Teil des BMBF-Rahmenprogramms "fona - Forschung für Nachhaltigkeit". Vernetzt, übergreifend koordiniert und begleitet wurden die umfangreichen Untersuchungen von der "Wissenschaftlichen Begleitung" am UFZ, die damit für das Programm die Hauptschnittstelle der Forst- und Holzwirtschaft in Deutschland ist. Nun liegen die ersten Ergebnisse des 2DD9 endenden Forschungsprogramms vor.

Um das gesamte Anforderungsspektrum zielgerichtet bearbeiten und Kernfragen fokussieren zu können, wurde der BMBF-Förderschwerpunkt in drei Forschungsfelder aufgeteilt: Im Forschungsfeld I "Wald heute und in Zukunft: Szenarien und Visionen" stehen die Entwicklung von Leitbildern, Visionen und Trends im Fokus. Im Mittelpunkt des Forschungsfeldes II "Nachhaltige Bewirtschaftung, Nutzung und Entwicklung von Wäldern und waldreichen Landschaften" steht der langfristige Schutz von natürlichen, sozialen und wirtschaftlichen Ressourcen. Im Forschungsfeld III "Erschließung von Wertschöpfungspotenzialen entlang der Forst-Holz-Kette" geht es zentral um naturnahe Waldbewirtschaftung, innovative Holzverwendung und Technologieentwicklung sowie die Balance zwischen Gewinnorientierung, ökologischer Verträglichkeit und sozialer Gerechtigkeit. Die 25 Forschungsverbünde ordnen sich thematisch in die entsprechenden Forschungsfelder ein. Nachfolgend werden einige exemplarisch vorgestellt.

Agroforst, Agrowood und Dendrom

Im Verbundprojekt Agroforst werden Bewirtschaftungs- und Pflegekonzepte für eine nachhaltige Landnutzung entwickelt. Dabei soll die Produktion von furniertauglichem Wertholz mit landwirtschaftlicher Pflanzenproduktion kombiniert werden. Solche Nutzungsformen haben weltweit eine hohe Relevanz - in Deutschland hingegen sind sie heute kaum noch verbreitet. "Ziel dieses Verbundprojektes war es, zu klären, ob sich Agroforstsysteme als sinnvolle ergänzende Nutzungsform zu den bislang hierzulande räumlich eher streng getrennten land- bzw. forstwirtschaftlichen Nutzungen eignen und unter welchen Bedingungen dies möglich ist", fasst Andreas Werntze vom UFZ zusammen. Regionale Schwerpunkte wurden in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern gesetzt - zwei völlig unterschiedliche Bundesländer hinsichtlich der natürlichen Bedingungen und der Agrarnutzung. Im Rahmen von Agroforst wird exemplarisch erarbeitet, wie Agroforstsysteme im jeweiligen Gebiet gestaltet sein könnten, um sowohl für den Landwirt praktikabel und ökonomisch sinnvoll zu sein als such einen größtmöglichen Gewinn für Natur und Landschaft zu erzielen. Die Lösungsansätze werden mit Fachleuten und Landwirten vor Ort diskutiert.

Um "Turbobäume für den Acker" geht es im Verbundprojekt Agrowood - also um Anbau, Ernte und Verwertung schnell wachsender Baumarten auf landwirtschaftlichen Flächen. In der Region Leipzig in Sachsen sowie dem Schradenland in Südbrandenburg werden erstmalig in Deutschland auf einer Fläche von rund 200 Hektar so genannte Kurzumtriebsplantagen angelegt. Dort werden Pappeln und Weiden gepflanzt, geerntet und daraus Biomasse erzeugt und verwertet. "Wir Wissenschaftler begleiten die Praktiker - vom geeigneten Steckling bis zur Erntemaschine, von der Wahl des Standorts bis zur ökonomischen und ökologischen Bilanz. Dazu müssen wir aber erst einmal Landwirte und Grundbesitzer für unsere Idee gewinnen", so Agrowood-Projektleiter Prof. Dr. Albrecht Bemmann von der TU Dresden. Bislang waren Kurzumtriebsplantagen in Deutschland - im Gegensatz zu Schweden, Italien oder Polen - lediglich "Spielwiesen" von Wissenschaftlern gewesen. Das soll sich nun ändern, denn die Chancen einer solchen Landnutzung sind vielfältig - allerdings bereiten Wassermangel und noch zu geringe Erträge einige Sorgen. Von der rein wissenschaftlichen Seite betrachten Forscher dieses Problemfeld im Verbundprojekt Dendrom, in dem sie eine systemische Analyse erstellen sowie Leitbilder und Szenarien für die nachhaltige energetische und stoffliche Verwertung von Dendromasse aus Wald- und Agrargehölzen entwickeln.

Buchenholz statt Tropenholz?

Buchenholz wird durch den Wandel zum ökologischen Waldumbau zukünftig stärker auf den Markt drängen. Im Verbundprojekt Buchenholzmodifizierung werden innovative modifizierte Produkte aus Buchenholz entwickelt. Dabei arbeiten die beteiligten Forschungseinrichtungen und Betriebe der Holzindustrie vor allem an der Verbesserung der Materialeigenschaften.

Holzvernetzung/-modifizierung heißt die Lösung - ein Verfahren, bei dem Buchenholz mit biozidfreien Vernetzermitteln aus der Textilindustrie behandelt wird. Aus diesem modifizierten Material lassen sich völlig neue Produkte herstellen und machen Buchenholz so konkurrenzfähig zu Kunststoff oder Aluminium und schaffen möglicherweise eine zukünftige Alternative zum Einsatz von Tropenholz bei Außenmöbeln. Entsprechende Leitprodukte - z. B. Außensitzmöbel, Türen - belegen die Einsetzbarkeit des modifizierten Holzes im Außenbereich.

Wald 2100 - Quo vadis?

Langfristige Perspektiven und Szenarien für den Wald und die Landnutzung stehen im Mittelpunkt des übergreifenden Projekts Zukünfte und Visionen Wald 2100. Entwicklungsdynamiken werden hier mit gesellschaftlichen und normativen Grundhaltungen und Governancefragen verknüpft. Welche neuen sozialen und politischen Handlungsräume eröffnen sich bis zum Jahr 2100? Wie können diese durch kluge Weichenstellungen schon heute erfolgreich gestaltet werden? Zukunftsfaktoren wie Globalisierung, Klimawandel, Holznutzung, demografischer Wandel, regionale Innovationsfähigkeit sowie gesellschaftlicher und kultureller Wertewandel werden auf der analytischen Ebene fokussiert. Das Projekt will konkrete gesellschaftspolitische Anstöße geben, einen öffentlichen Diskurs sowie den Dialog zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik anschieben. Hierzu hat der Verbund nun ein so genanntes Policy Paper herausgegeben, um der Politik Entscheidungshilfen für zukünftiges Handeln bereitzustellen.

Wald-Visionen fürs nächste Jahrhundert Andreas Werntze ist im UFZ der Spezialist für die so genannte "Forst-Holz-Kette". Der 31-Jährige ist in der wissenschaftlichen Begleitung des BMBF-Förderschwerpunktes tätig: "Der gemeinsame Forschungsansatz des Programms war auf Problemlösung und Integration ausgerichtet. Es geht um handlungsorientierte Nachhaltigkeitskonzepte, Technologien und Produkte - ganz handfeste praktische Dinge also." Die Innovationsansätze aus dem Förderschwerpunkt sollen schnellstmöglich umgesetzt werden: "Klimawandel und weltweit sich verändernde Rahmenbedingungen erfordern konkretes Handeln; es geht um Wettbewerbsfähigkeit, Sicherung von Arbeitsplätzen und Erschließung neuer Wertschöpfungspotenziale ebenso wie um nachhaltige Konzepte für den Erhalt der biologischen Vielfalt der Wälder", erklärt Werntze. Der BMBF-Förderschwerpunkt - so viel steht schon fest - ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

UFZ-Ansprechpartner: • Andreas Werntze, MSc. Department Naturschutzforschung Telefon: 0341/235-1816 e-mail: andreas.werntze@ufz.de mehr Informationen: www.nachhaltige-waldwirtschaft.de


DENDROMASSE

Mit Dendromasse ist holzartige Biomasse gemeint, also der Teil des Holzes, der stofflich und energetisch verwendet wird, sich aber aufgrund mangelnder Qualität nicht zur höherwertigen Verarbeitung im Hausbau oder in der Möbelherstellung eignet. Dendromasse gilt als Zukunftsrohstoff mit weltweit steigender Bedeutung. Verbraucher sind vor allem Holzwerkstoff- und Papierindustrie sowie chemische Industrie und Produzenten von Bioenergie. *

Quelle:
UFZ-Newsletter September 2009, S. 8
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2009