Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → LANDWIRTSCHAFT


WALD/202: Die große Abrechnung - Wie steht es um den Wald? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2014
Goldgräberstimmung
Bioökonomie zwischen Welthunger und Rohstoffalternativen

Die grosse Abrechnung
Wie steht es um den Wald?

Von László Maráz


Die Debatte um die Waldnutzung kreist immer wieder um die zwei folgenden Fragestellungen: Wie ökologisch soll die Waldnutzung gestaltet werden? Und wie viel Holz sollen oder dürfen wir aus dem Wald holen? Immer mehr Nachfrager wollen sich ein Stück vom Kuchen sichern, obwohl ein ordentliches Stück davon auf dem Teller bleiben müsste. Es sollte mehr Holz im Wald zurückgelassen werden (Biotopbäume) und mehr Wälder vor Holzeinschlag geschützt werden (Schutzgebiete). Dafür müsste der Holzverbrauch etwas sinken, doch diese unfrohe Botschaft möchte aus der Politik kaum jemand verkünden. Kein Wunder also, dass die Ergebnisse der 3. Bundeswaldinventur mit Spannung erwartet wurden.(1)

Nach Auskunft des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist der Anteil der Laubbäume von 40% auf 43% gestiegen. Auch wenn dieser Anteil von Natur aus bei weit über 90% läge, ist dies eine erfreuliche Entwicklung und Ergebnis des jahrzehntelangen Waldumbaus. Der Totholzbestand sei um 18% gestiegen, und zwar von 11,7 auf 13,8 Festmeter pro Hektar (es werden nur Stücke ab 20 cm Durchmesser erfasst). Rechnet man das neu erfasste, dünnere Totholz ab 10 cm mit ein, ergäbe sich fast eine Verdopplung auf 20,6 m3/ha. Verschwiegen wurde, dass man nun auch kleinere Baumstümpfe mitgezählt hat, was den scheinbaren Zuwachs an Totholz möglicherweise relativiert. Da das Holz etwa 20 Jahre lang bis zur vollständigen Verrottung brauche, ergebe dies einen jährlichen "Nutzungsverzicht" von 1 m3 Holz pro Hektar.

Die Aussage man würde "Nutzungsverzicht" üben, ist kritikwürdig: Die Annahme, man könne oder man habe sogar das Recht, den gesamten Holzzuwachs zu ernten, zeugt nicht gerade von umfassendem Verständnis von Nachhaltigkeit. Die Waldbestände sind im Durchschnitt um gut 4 Jahre älter geworden, das gemittelte Alter liegt jetzt bei 77 Jahren. Auch das ist eine gute Entwicklung. Doch nach wie vor bleiben wirklich alte Bäume selten: In der Bundeswaldinventur wird nur bis zum Alter 160 gezählt. Buchen können aber ohne weiteres 300 Jahre oder älter werden, Eichen noch viel mehr.

Unterschiedliche Reaktionen

Die aus ökologischer Sicht durchaus positiven Tendenzen wurden von einigen Interessengruppen dafür genutzt, Umweltverbände scharf zu kritisieren. Deren Kritik habe sich als falsch erwiesen, der deutsche Wald sei in guten Händen und Forderungen nach ökologischerer Waldnutzung oder mehr Schutzgebieten überflüssig.

Andererseits bedeute mehr Biotopholz im Wald "weniger Holz in der Säge". Besorgt zeigte man sich über das gestiegene Alter des Waldes: "Wieviel älter werdenden Wald wollen wir uns leisten?" Der gestiegene Laubbaumanteil wurde eher bedauert, weil man sich Sorgen um die Belieferung der Sägeindustrie macht, die ja in der Tat mehrheitlich noch Nadelholz verarbeitet. Auch die Sägeindustrie sieht einige Ergebnisse problematisch. Die Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher (AGR): "Demographisches Problem auch im deutschen Wald: Er wird dick und alt. Deutschland hat viel Wald und Holz im Überfluss - letzteres allerdings nur theoretisch. Die dritte Bundeswaldinventur zeigt: Tatsächlich genutzt wird weniger als für den Wald gut wäre. Der Wald überaltert."(2)

Umweltverbände hingegen fordern bessere Standards für Waldwirtschaft.(3) "Wälder müssen deutlich älter und vorratsreicher werden", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Der deutsche Wald sei immer noch zu jung, es gebe noch zu viele Nadelbäume, zu wenig Biotopbäume und zu wenige dicke und alte Bäume. Erforderlich seien ökologische Mindeststandards für die Waldbewirtschaftung. Besonders problematisch sei der hohe Verbrauch von Brennholz, das heute etwa die Hälfte des Holzaufkommens verbraucht.

Mehr Waldschutzgebiete schaffen!

Derzeit werden nur 1,9% der deutschen Wälder dauerhaft forstwirtschaftlich nicht mehr genutzt und sind entsprechend rechtlich geschützt. Nach Beschluss der Bundesregierung, der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) von 2007 sollen es bis zum Jahr 2020 5% der deutschen Wälder sein. "Bundesregierung und Bundesländer als größte öffentliche Waldbesitzer müssen umgehend Maßnahmen beschließen, um neue Waldschutzgebiete einzurichten", fordert NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Weder kann man der Forstwirtschaft eine exzellente Arbeit bescheinigen, noch muss man Sorge davor haben, Deutschlands Wälder würden dem Raubbau geopfert. Im Wesentlichen hat sich nämlich im vergangenen Jahrzehnt nicht viel geändert. Während sich einige Akteure damit zufrieden geben, können Umweltverbände, die anspruchsvollere und umfassendere Kriterien bezüglich der Waldnutzung fordern, dies nicht.


Autor László Maráz ist Koordinator der Plattform Wald des Forum Umwelt und Entwicklung.


Internet-Links

1. https://bwi.info.

2. http://www.rohholzverbraucher.de/sites/aktuelles_pressemitteilungen.php?kat=&id=324&headline=Demogra phisches%20Problem%20auch%20im%20deutschen%20Wald:%20Er%20wird%20dick%20und%20alt

3. http://www.bund.net/nc/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/zur-bundeswaldinventur-bund-fordertbessere-standards-fuer-waldwirtschaft/

*

Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2014, Seite 28
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang