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MELDUNG/259: 30 Jahre Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer" (BUND NI)


Gemeinsame Pressemitteilung der niedersächsischen Naturschutzverbände:
BUND, Der Mellumrat e.V., LBU, NABU, NaturFreunde, NHB, NVN, WAU und WWF Deutschland

30 Jahre Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer"

Naturschutzverbände gratulieren zum Jubiläum und erheben sieben Forderungen


Cuxhaven, 10.08.2016: Der Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer" wurde mit Jahresbeginn 30 Jahre alt. Anlässlich der Jubiläumsfeier am 11. August in Cuxhaven gratulieren die Naturschutzverbände zu einem großen Erfolg für die Natur, ziehen zugleich aber eine gemischte Bilanz: "Der Schutz des Wattenmeeres genießt heute hohe gesellschaftliche Anerkennung. Die vielfältigen Nutzungsinteressen mit dem Schutz der einzigartigen Naturlandschaft auszubalancieren, bleibt jedoch weiter eine große Aufgabe", so die Umweltverbände.

Jüngste Erfolge in Niedersachsen seien die Einrichtung von 11 neuen Stellen für Nationalpark-Ranger oder die Ankündigung, ein Weltnaturerbe-Partnerschaftszentrum für alle drei Wattenmeer-Staaten in Wilhelmshaven mit Förderung des Landes einzurichten. Gleichzeitig aber nähmen die Baggerungen zur Unterhaltung und Vertiefung von Fahrwassern kein Ende und störten die natürliche Dynamik des Wattenmeeres massiv. Die Unterwasserwelt genieße trotz des Status "Nationalpark" noch immer kaum Schutz gegenüber der Fischerei. Wachsender Tourismus mit neuen Nutzungsformen - wie das Kite-Surfen und Kite-Buggyfahren - stellten zunehmend eine Gefährdung der Natur dar. Insbesondere seien Ruhe- und Brutplätze von Vögeln sowie Reviere von Schweinswalen und Robben betroffen.

Die Naturschutzverbände fordern die Landesregierung auf, dafür zu sorgen, dass das Wattenmeer dem Anspruch eines "Nationalparks" und dem Status eines Weltnaturerbes vollumfänglich gerecht wird. Auf dem 1. Wattenmeer-Koordinationstreffen am gestrigen Abend haben die Umweltverbände eine gemeinsame Erklärung mit sieben Forderungen verabschiedet, zu denen die Landesregierung noch in diesem Jahr klare Zeichen setzen solle:

1. Die Naturschutzverbände fordern die Einrichtung eines Runden Tisches zur Fischerei im Nationalpark, mit dem Ziel, Lösungen zu finden, die Unterwasserwelt des Nationalparks vor Eingriffen der Fischerei zu schützen. Die seit zweieinhalb Jahren überfällige Anpassung des sogenannten Miesmuschel-Managementplans steht weiterhin aus.

2. Das Land muss sich beim Bund entschieden dafür einsetzen, dass das Kite-Surfen im Zuge der zu novellierenden Befahrensregelung im Nationalpark generell untersagt wird. Diese Trendsportart darf allenfalls in ausgewählten, mit dem Naturschutz abgestimmten und klar begrenzten Bereichen des Wattenmeers als befristete Ausnahme zugelassen werden. Dies ist an den in Niedersachsen erreichten Kompromiss mit der Begrenzung des Drachensteigenlassens anzupassen. Die Naturschutzverbände warnen dringend davor, dem Streben nach immer mehr Ausnahmen weiter zu Lasten der Natur nachzugeben. Touristische Aktivitäten nehmen weiter zu. Insbesondere das Kite-Surfen führt dabei zu erheblichen Störungen für Wat- und Wasservögel.

3. Niedersachsen muss dem Ansinnen, im östlichen Teil des Nationalparks Probebohrungen vorzunehmen, kompromisslos entgegentreten. Die Exploration und Förderung von Erdöl hat im Nationalpark und Weltnaturerbe Wattenmeer nichts zu suchen.

4. Niedersachsen braucht eine Strategie, um Baggerungen zur Unterhaltung und Vertiefung von Fahrwassern im Nationalpark und benachbarten Gebieten zu reduzieren und auf das unbedingt nötige Maß zu begrenzen. Diese Baggerarbeiten sowie das Verklappen der Sedimente schädigen die Natur stellenweise massiv. Dies betrifft auch solche Maßnahmen zur Freihaltung der kleinen Küsten- und Inselhäfen.

5. Der Schutz der Flussmündungen muss dringend verbessert werden. Über die Ästuare werden in großem Umfang Schadstoffe, Nährstoffe und Plastikmüll eingetragen. Den Fluss-mündungen im Übergang vom Salz- zum Süßwasser kommt im trilateralen Wattenmeer-schutz eine besondere Bedeutung zu. Niedersachsen trägt die Hauptverantwortung für eine naturverträgliche Entwicklung dieser Lebensräume. Doch bis heute fehlt es an einem Programm zur wirksamen Minimierung der Eingriffe und für einen verstärkten Schutz der Brackwasserlebensräume und Süßwasserwatten.

6. Neben den verschiedenen schädigenden Aktivitäten und Nutzungen stellt der durch den Klimawandel beschleunigte Meeresspiegelanstieg eine große Bedrohung für das Wattenmeer und die Küste dar. Wie in anderen Ländern bereits geschehen, braucht auch Niedersachsen eine gemeinsame Strategie von Küsten- und Naturschutz, wie sich das Wattenmeer an diese Herausforderung mit möglichst wenigen Eingriffen anpassen kann.

7. Der Schutz des Wattenmeeres als Nationalpark und die Anerkennung als Weltnaturerbe ist eine große Herausforderung und Chance für die Küste. Um diese Chance auch langfristig nutzen zu können, müssen alle, die als Gemeinde oder Gewerbebetriebe mit "Nationalpark" und "Weltnaturerbe" um Gäste werben wollen, auch selbst etwas für den Natur- und Umweltschutz tun. Ein "Naturbeitrag" analog zum Kurbeitrag soll die Schutzbemühungen von Land und Kommunen unterstützen.

Hintergrund
Die gemeinsame Erklärung wurde im Rahmen der Wattenmeer-Koordination am 9. August 2016 von folgenden Verbänden unterzeichnet:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Niedersachsen sowie Landesverband Bremen, WWF Deutschland, Naturschutzbund Deutschland (NABU) Landesverband Niedersachsen, NaturFreunde Deutschland e.V. Landesverband Niedersachsen, Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen e.V. (LBU), Niedersächsischer Heimatbund e.V. (NHB), Naturschutzverband Niedersachsen e.V. (NVN), Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft für Natur- und Umweltschutz e.V. (WAU) sowie Der Mellumrat e.V.

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Quelle:
Gemeinsame Pressemitteilung der niedersächsischen Naturschutzverbände
BUND, Der Mellumrat e.V., LBU, NABU, NaturFreunde, NHB, NVN, WAU und
WWF Deutschland, 10.08.2016
BUND Landesverband Niedersachsen
Goebenstr. 3a, 30161 Hannover
Tel.: 0511/965 69-0, Fax: 0511/662 536
E-Mail: presse.nds@bund.net
Internet: www.bund-niedersachsen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2016

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