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MASSNAHMEN/184: Zu Auenrevitalisierung und Hochwasserrückhalt (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 977 vom 18. September 2011 - 30. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

"Auenrevitalisierung trägt zum Hochwasserrückhalt nur wenig bei"


Mit der Publikation "Ökonomische Bewertung naturverträglicher Hochwasservorsorge an der Elbe" hatte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) im Jahr 2010 in Natur- und Gewässerschutzkreisen für Aufsehen gesorgt. Denn die Autoren der Studie (GROSSMANN, HARTJE, MEYERHOFF) waren zum Ergebnis gekommen, dass der volkswirtschaftliche Nutzen von Deichrückverlegungen und Auenrevitalisierungen an der Elbe die Kosten um den Faktor drei übersteigen würde (s. RUNDBR. 953/1). Auf Anregung des BUND wollte daraufhin der Deutsche Naturschutzring von der Umweltministerkonferenz wissen, welche Konsequenzen die Umweltminister in Bund und Ländern aus dieser Studie zu ziehen gedenken. Die Umweltminister delegierten die Beantwortung der Anfrage auf die Bund/Länder-Arbeitgemeinschaft Wasser (LAWA). Mit Datum vom 5.9.11 wurde die 13seitige LAWA-Einschätzung dem DNR überstellt. Die Antwort verdeutlicht das Bestreben der Wasserwirtschaftsverwaltungen, den Deckel auf den Topf zu drücken. Zwischen den Zeilen lässt die LAWA erkennen, dass nach ihrer Expertise die Ergebnisse der BfN-Studie willkürlich seien. Mit anderen Prämissen und Herangehensweisen hätte man auch andere Kosten-Nutzen-Relationen errechnen können. Da es bislang kein standardisiertes Verfahren für Kosten-Nutzen-Abschätzungen beim Hochwasserrückhalt durch Auenrevitalisierung gibt, könne jeder Ökonom beliebige Relationen erzeugen. Gewarnt wird auch davor, die speziellen Rahmenbedingungen auf andere Ströme zu übertragen. Hauptaussage der LAWA-Stellungnahme ist, dass die Revitalisierung von Auen an unseren Strömen bei Extremhochwassern für den Hochwasserrückhalt wenig bis gar nichts bringen würde. Wenn sich der Tod und Verderben bringende Scheitel der Hochwasserwelle heranwälze, seien alle Auen längst vollgelaufen. Und eine volle Aue könne eben nichts mehr zu einem weitergehenden Hochwasserrückhalt beitragen. Auenrevitalisierungen seien deshalb zu begrüßen, weil sie dem Naturschutz und der Biodiversität dienen. Um aber gezielt die Hochwasserwellen zu brechen, seien gesteuerte Polder erforderlich. Und die benötigen vier- bis zehnmal weniger Platz als der Hochwasserrückhalt in revitalisierten Auen. (LeserInnen des BBU-WASSER-RUNDBRIEFS können die Stellungnahme der LAWA via nik[at]akwasser.de bei uns anfordern.)

Die LAWA - und die Lobbyisten in der Altaue

Das ernüchternde Ergebnis der LAWA-Bewertung liefert den Behördenmitarbeitern und den Politikern Munition, die die Revitalisierung von Auen als ökologischen Firlefanz einstufen. Deren Credo: Nur für den Naturschutz große Flächen umzuwidmen, sei dem Steuerzahler nicht zuzumuten. Also lassen wir das mit den großflächigen Auenrevitalisierungen bleiben, weil es für den Hochwasserrückhalt bei den großen schadbringenden Hochwasserereignissen eh nichts bringt. Eine derartige Entschuldigung liegt auch deshalb nahe, weil sich jeder, der sich für großräumige Deichrückverlegungen einsetzt, mächtigen Ärger einhandelt: Landwirte, die ihre Äcker in der ehemaligen Aue haben und Einfamilienhausbesitzer, die in der Altaue gebaut haben, wissen ihre Interessen gekonnt in der Politik umzusetzen. Diesen agilen Lobbygruppen kann man zumindest teilweise aus dem Weg gehen, wenn man sich auf die LAWA-Expertise stützen kann. Wenn allerdings die »Pragmatiker« in der LAWA der BfN-Studie indirekt Willkürlichkeit und Beliebigkeit vorwerfen, wäre anzumerken, dass auch die LAWA-Hochwasserexperten nicht ganz frei von Willkürlichkeit sind. Der behauptete Platz- und Effizienzvorteil der gesteuerten Polder gegenüber einem Hochwasserrückhalt in einer revitalisierten Aue stimmt nur begrenzt. Gerade am Rhein gibt es noch ehemalige Auenareale, die sich geradezu idealtypisch für einen Hochwasserrückhalt in großem Umfang eignen. Allerdings war die Politik schon in den 90er Jahren eingeknickt - und hat damals aus Rücksicht auf eine breite Allianz unterschiedlichster Lobbyisten darauf verzichtet, die Altaue für einen breitflächigen Hochwasserrückhalt wieder zu öffnen. -ng-


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 977/2011
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2011