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MASSNAHMEN/277: "Fishing for litter" - Müll als Beifang (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Sommer 2018
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Müll als Beifang
Bei der Entsorgung in Deutschland unterstützt der NABU Fischer mit dem "Fishing for litter"-Projekt.

von Nicole Flöper


Über eine Tonne an Abfällen - die hat Björn Fischer in Heikendorf innerhalb von sechs Monaten an Land gebracht. Seit über einem Jahr macht der Fischer beim NABU-Projekt "Fishing for Litter" mit, das ihm ermöglicht, den Müll aus dem Meer in einem Container des NABU kostenfrei am Hafen zu entsorgen. "Ich habe schon immer den Abfall mit an Land gebracht, geändert hat sich in all den Jahren nichts", sagt Fischer. "Klasse ist, dass durch den NABU ausgewertet wird, was für Abfälle das sind und woher sie kommen, denn wir Fischer werden oft als die Verursacher des Mülls dargestellt."

Das Problem Müll im Meer
Die Bilanz nach sieben Jahren "Fishing for Litter": rund 30 Tonnen Abfälle. Seit 2011 hat das Projekt einen festen Platz in der NABU-Meeresschutzarbeit. Begonnen hat alles in Burgstaaken auf Fehmarn, mittlerweile beteiligen sich 17 Fischereihäfen mit 160 Fischern an dem Projekt, neun in der Nordsee und acht in der Ostsee. Das Projekt unterstützt Fischer bei der Entsorgung der Abfälle, die sie beim Fischfang mit an Land bringen. Hintergrund ist, dass nicht nur der Fisch, sondern auch der Müll, den sie mit herausfischen, ins Eigentum der Fischer übergeht. Somit sind sie ebenfalls verantwortlich für die Entsorgung, der dann in der Vergangenheit leider manchmal auch zurück ins Meer gegangen ist. "Fishing for Litter setzt bei diesem Problem an", erklärt Nils Möllmann, beim NABU zuständig für das Projekt. Den Ursprung hat die Idee in den Niederlanden und Belgien gehabt und ist anschließend auch von Großbritannien aufgegriffen worden. In Deutschland setzte der NABU das Vorhaben um. "Die Fischer sind für den aufgefischten Müll natürlich nicht ursächlich verantwortlich, daher ist es umso ärgerlicher, wenn sie den Aufwand haben die Maschinen an Bord von Schnüren, Draht und Garn zu befreien und die Zusatzkosten der Entsorgung tragen müssen."

Viele Abfälle kommen von Land über die Flüsse. "In der Nordsee wird bei den Funden sehr deutlich, dass wir mit dem Rest der Anrainerstaaten der Nordsee und des Ärmelkanals bezogen auf Wind, Wetter und Gezeiten, in einem Boot sitzen. Sie stammen zum Teil von weit weg und reichen vom Wasserball vom nächsten Strand, Spezialteilen aus der Muschelzucht in der Bretagne bis zu Hochzeitsluftballons aus East Anglia mit Antwortkarte und Foto", sagt Möllmann.

Wissenschaftliche Auswertung der Fundstücke
Zusammen mit einem wissenschaftlichen Team der Hochschule Magdeburg-Stendal, mit Mitarbeitern von Landesbehörden und vielen NABU-Freiwilligen und Aktiven wertet Nils Möllmann die Fundstücke jährlich aus. Da sie nicht alle Abfälle sortieren können, werden zweimal im Jahr möglichst große Stichproben aus beiden Meeren begutachtet. Die Fundstücke werden per Hand sortiert. Kategorisiert wird in zwei Schritten zunächst nach der OSPAR (Meeresschutzübereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks)-100-Fundstückliste und in einem zweiten Schritt nach Typ der gefischten Stoffklassen wie beispielsweise Holz, Leder, Gummi und Plastik. Außerdem wird alles gewogen. 41.000 Fundstücke - das ist die aktuelle Zahl für die Nordsee. Dort ist Kunststoff auf Platz 1. In der Ostsee sind dafür Metall und Kunststoffe fast gleichauf. "Neu ist unsere Top-Ten-Fundstückliste, an der wir ablesen können, gegen welchen Müll man dringend vorgehen muss. Einwegprodukte sind dabei ein klar identifiziertes Problem", so Möllmann. Leider dauere es oft Jahre, bis EU, Bundesregierung oder Handel etwas unternehmen würden. Erfolge waren zuletzt die Auslistung der Plastiktüte oder der aktuelle Vorstoß einer Plastiksteuer.

Die Bilanz nach sieben Jahren "Fishing for Litter": rund 30 Tonnen Abfälle.

"Die Auswertungen aus Fishing for Litter liefern uns Zahlen zu unseren Argumenten, und die sind wichtig, um auf politischer Ebene etwas zu erreichen. Wir arbeiten beispielsweise mit beim Runden Tisch Meeresmüll der Bundesregierung", erklärt Möllmann. "Außerdem sind wir froh über die guten Kontakte zu den Fischern, so konnten wir auch andere wissenschaftliche Studien beispielsweise zu alternativen Fangmethoden zusammen durchführen. Denn wir teilen die Liebe und Sorge um den Zustand der Meere, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven."

Recycling von Fischernetzen
Zusammen mit der Hochschule Magdeburg-Stendal werden seit vier Jahren die Wiederverwertungsmöglichkeiten des Kunststoffabfalls untersucht. "Aus den Netzen und Tauen haben wir Granulat, sogenannte Rezyklate, hergestellt, aus denen Produkte entstanden sind: Brillengestelle und Brieföffner", sagt Gilian Gerke, Professorin im Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit, Arbeitsgruppe: Rohstoffwerkstatt. Das Verfahren sei jedoch sehr aufwändig, da viel händisch sortiert werden müsse. Zuerst muss der Kunststoffabfall, in diesem speziellen Fall Dolly Ropes, das sind so genannte Scheuerfäden, nach Farben sortiert und dann gereinigt werden. Je nach Alter sind die Teile stark verschmutzt, etwa mit Sand und Ton, oder von Pflanzen und Muscheln bewachsen. Nach der Waschung werden sie zerkleinert und dann noch einmal gereinigt. "Diese Forschungen werden die Ursache allerdings nicht lösen", so Gerke, "das Plastik darf erst gar nicht im Meer landen."

Wichtig ist Björn Fischer, dass die Menschen nicht achtlos ihren Müll in die Gegend werfen. "Ich habe das meinen Kindern beigebracht, aber es gibt immer noch Leute, denen das egal ist. Auch einfach mal fremden Müll aufheben, den man auf dem Weg oder am Strand sieht - das sollten mehr Menschen tun", findet Fischer.

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Quelle:
Naturschutz heute - Sommer 2018, Seite 36 - 37
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2018

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