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RECHT/054: Streit um Zulässigkeit verzögert Entscheidung beim Windpark Butendiek (NABU)


Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. - Pressedienst, 22. September 2015

NABU: Streit um Zulässigkeit verzögert Entscheidung beim Windpark Butendiek

Miller: Gefahr für Schweinswale und Stern- und Prachttaucher


Berlin/Hamburg - Der Rechtsstreit um den Offshore-Windpark Butendiek ist um ein weiteres Kapitel reicher. Das Verwaltungsgericht Hamburg wies die Klage des NABU zur Abwehr eines Umweltschadens ab, ließ gleichzeitig aber die Berufung beim Oberverwaltungsgericht zu. Verhandelt wurde dabei allein über die Zulässigkeit der Klage, nicht über naturschutzfachliche Inhalte. Der NABU hatte im Frühjahr 2014 Klage gegen den umstrittenen Windpark inmitten zweier Meeresschutzgebiete westlich von Sylt eingereicht. "Während wir uns um Behördenzuständigkeiten und Zulässigkeitsvoraussetzungen streiten, werden Schweinswale in ihrer Kinderstube mit ohrenbetäubendem Lärm traktiert und streng geschützte Stern- und Prachttaucher verlieren ihren wichtigsten Lebensraum in der Nordsee", sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Am vergangenen Freitag kam es zu einer ersten mündlichen Verhandlung am Verwaltungsgericht Hamburg. Seit 18 Monaten kämpft der NABU um die Abwehr des drohenden Umweltschadens und warnt vor den gefährlichen Folgen für das Sylter Außenriff. Gleichzeitig konzentrieren sich die verantwortlichen Fachbehörden, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und das Bundesamt für Naturschutz (BfN) vor allem darauf, eine inhaltliche Befassung mit den Bedenken des NABU hinaus zu zögern.

Die Anhörung in Hamburg verdeutlichte die überraschende Rechtsinterpretation des BSH. So wäre die Verbandsklage nach Umweltschadensgesetz erst zulässig, wenn der Umweltschaden eingetreten ist, ein vorsorgliches Verfahren auf Schadensvermeidung beim Ausbau der Offshore-Windkraft aber generell unzulässig. In der Praxis würde das bedeuten, dass ein klageberechtigter Umweltverband selbst bei einem eindeutig absehbaren Umweltschaden verpflichtet ist, den Eintritt des Schadens abzuwarten und erst dann per Klage die Sanierung der eingetretenen Umweltschäden verlangen kann. "Diese Rechtsinterpretation widerspricht dem Vermeidungsgrundsatz, ist mit dem Effizienzgebot der Umwelthaftungsrichtlinie unvereinbar und dürfte auch der von der Europäischen Union und Deutschland unterzeichneten Aarhus-Konvention widersprechen", so Miller. "Wir verlieren so kostbare Zeit, die Wale und Vögel nicht haben."

Zwar liegt die Urteilsbegründung aus Hamburg noch nicht abschließend vor, doch es deutet sich an, dass dem NABU die Möglichkeit eingeräumt wird, die Zulässigkeitsfrage höchstrichterlich am Oberverwaltungsgericht klären zu lassen. Davon unabhängig steht die Klage auf Sanierung des spätestens mit Fertigstellung der Anlagen Ende August eingetretenen Umweltschadens an. Da die Behörden hier die Auffassung vertreten, dass für die Abwehr des drohenden Umweltschadens das BSH und die Sanierung des eingetretenen Umweltschadens das BfN zuständig sind, muss die Sanierungsklage beim Verwaltungsgericht Köln geführt werden. Diese Aufsplittung der Zuständigkeit beeinträchtigt nach NABU-Auffassung gleichermaßen die Effektivität der Behördentätigkeit und der Rechtsverfolgung und widerspricht der Intention der europäischen Umwelthaftungsrichtlinie.

Fast zeitgleich zum Hamburger Verfahren wurden die jüngsten Schweinswal-Monitoringberichte des BfN veröffentlicht. Die Beobachtungen im Baugebiet belegen die großflächigen Vertreibungen und alarmierende Verhaltensänderungen der Schweinswale während der Rammarbeiten im Frühsommer 2014. Gleichzeitig gibt es neue wissenschaftliche Veröffentlichungen zur räumlichen Verteilung von Seetauchern. "Stellt man nach diesen Erkenntnissen Überlegungen an, welches Gebiet unbedingt frei von Windparks bleiben sollte, landen wir zielsicher bei Butendiek. Einen schlechteren Standort gibt es in der ganzen Nordsee nicht. Das ist Energiepolitik auf Kosten der Meeresnatur, das ist das Gegenteil einer naturverträglichen Energiewende", sagte NABU-Meeresschutzexperte Kim Detloff. "Dieser Windpark hätte an dieser Stelle niemals genehmigt werden dürfen."

Anfang September wurde Butendiek offiziell eingeweiht. Für den NABU ein schwarzes Kapitel der Energiewende und für die Bundesgesetzgebung. Denn die Vorgaben der europäischen Umwelthaftungsrichtlinie sollen eigentlich durch eine klare Benennung der zuständigen Behörde derartige Verzögerungen im Verfahrensablauf verhindern. "Butendiek ist kein Grund zur Freude und darf sich niemals wiederholen. Dass der zur Genehmigung im Jahr 2002 amtierende Umweltminister Trittin den Park jetzt in seiner Festrede als Erfolgsgeschichte lobte, zeugt von einem völligen Unverständnis der dramatischen ökologischen Situation am Sylter Außenriff, des laufenden Rechtsstreits und ist für einen Spitzenpolitiker der Grünen völlig unangemessen", so Miller.


Mehr Informationen zum Fall Butendiek und den Monitoringergebnissen zu Schweinswalen und Seetauchern finden Sie auf
www.nabu.de/butendiek

Hintergründe zur Verbandsklage finden Sie unter:
www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/energie/wind/140425-nabu-hintergrund_nabu_klage_butendiek.pdf

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Quelle:
NABU Pressedienst, Nr. 114, 22.09.2015
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
Pressestelle
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Tel.: 030/284 984-1510, -1520, Fax: 030/284 984-84
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Internet: www.NABU.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2015

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