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WALD/679: Wald und Wasser - eine enge Verbindung (Unser Wald)


Unser Wald - 4. Ausgabe, Juli/August 2013
Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald

Wald und Wasser - eine enge Verbindung

Von Christoph Rullmann, Julia Hoffmann



Der Wald wird in seiner Gestalt und Aufbau wohl von keinem anderen Element so stark beeinflusst wie vom Wasser. Sei es in Form von Regen oder sei es das Wasser zu seinen Wurzeln. Die Verfügbarkeit von Wasser ist damit nicht nur der maßgebliche Faktor für die Baumartenzusammensetzung, sondern auch für die anderen im Wald vorkommenden Pflanzen und Tierarten.


Aber nicht nur Wasser beeinflusst den Wald, sondern auch umgekehrt. So ist der Wald in der Lage große Wassermengen zu speichern und kontinuierlich ans Grundwasser abzugeben. Dadurch können Starkregenereignisse für die Umgebung deutlich abgemildert werden. Intakte Auwälder können große Mengen Wasser aufnehmen und so Überschwemmungen verhindern. Jedoch sind in Deutschland viele der flussbegleitenden Wälder dem Siedlungs- und Flussausbau zum Opfer gefallen.

Auwälder
waren in ihren unterschiedlichen Ausprägungen ursprünglich an allen größeren Flüssen in Deutschland vorhanden. Heute sind viele durch Flussbegradigung trocken gefallen und in Ackerland umgewandelt. Erst zu spät wurde die große Bedeutung der Auwälder für den Hochwasserschutz erkannt. Heute gibt es wieder zahlreiche Bemühungen und Projekte die bestehenden Auwälder zu erhalten und neue anzulegen.

Auwälder lassen sich aufgrund der Häufigkeit der Überschwemmung und ihrer Entfernung von der Quelle unterschieden, denn sie entwickeln dann unterschiedliche Baumarten- und Pflanzenzusammensetzungen.

Erste Vegetation
Am Oberlauf der Flüsse im Einflussbereich der Gebirge transportieren Flüsse noch große Mengen von Schotter und Geröll. Dieses lagert sich in Kiesbänken ab und wird in regelmäßigen Abständen durch die Frühjahrshochwässer umgeschichtet. Hierauf hat sich ein einzigartiger Lebensraum entwickelt, der durch Pionierpflanzen gekennzeichnet ist, welche den humusarmen, sandig bis kiesigen Boden schnell besiedeln können. Besondere Baumarten sind hier die Weidenarten und die Deutsche Tamariske, eine sehr seltene Art. Die Tamariske hat sich damit einen extremen Lebensraum ausgesucht, in dem sie sich mit ihrer Pfahlwurzel schnell verankert. Trotz der Wassernähe können die Kiesbänke Feuchtigkeit sehr schlecht speichern und die Tamariske ist oft Trockenheit ausgesetzt. Sie festigt mit ihren Wurzeln die Kiesbänke und bereitet den Weg für Weiden und andere Sträucher. Diese verdrängen die Tamariske dann aber schnell.

Weichholzaue
Aus den Kiesbänken entwickeln sich Weichholzauen. Sie sind immer noch sehr stark vom Fluss geprägt und in der Regel an mehr als 100 Tagen des Jahres durch schnellfließendes Wasser durchströmt. Damit haben die weichen und biegsamen Weiden einen Vorteil gegenüber anderen Bäumen.

Hartholzaue
Werden die Überflutungen seltener und nimmt die Fließgeschwindigkeit des Wassers ab, werden die Weiden von anderen Baumarten verdrängt. Die Baumschicht wird hier geprägt von Eichen, Eschen, Ulmen und Bergahorn. Hartholzauen verfügen häufig über eine üppige zweite Baum- und Strauchschicht und haben oft einen urwaldartigen Charakter mit Senken und abgetrennten Altarmen, in denen nach einer Überschwemmung noch lange das Wasser steht und so interessante Lebensräume für viele Tiere bietet.

Im Gegensatz zu den Auwäldern, die durch fließendes Wasser gekennzeichnet sind, werden Bruchwälder durch stehendes Wasser und Bodenvernässungen geprägt. Auch hier werden verschiedene Formen unterschieden. So zum Beispiel der Bruchwald im Bereich von Quellen oder der Moorwald. Eine Baumart ist hier besonders zu nennen - die Erle. Sie kommt besonders gut mit der Feuchtigkeit zurecht und verfügt ähnlich wie Mangrovenbäume über spezielle Zellen und Leitbahnen im Stamm, um Luft aufzunehmen und zu den Wurzeln zu transportieren.

Zwei überaus charismatische Tierarten fühlen sich im Auwald heimisch. Neben dem zweitgrößten Nagetier der Welt, dem Biber, liebt auch der Fischotter die strukturelle Vielfalt einer intakten Aue.

Auch wenn der Name des Fischotters vermuten lässt, dass er sich ausschließlich von Fisch ernährt, so lebt er doch von einer Vielzahl verschiedener Beutetiere wie Lurche, Wasservögel, Kleinsäuger und Muscheln.

Die Zehen der Otter sind mit Schwimmhäuten verwachsen. Sie sind so perfekt an das Leben im Wasser angepasst und können noch dazu einige Minuten lang die Luft anhalten. Im Winter wirkt ihr Fell wie ein Neopren-Anzug. Otter halten keinen Winterschlaf und sind besonders in der kalten Jahreszeit auf Lebensräume mit guten Nahrungsgrundlagen angewiesen.

Obwohl sich die Fischotterbestände in den vergangenen Jahren langsam zu erholen scheinen, sind sie in der Roten Liste immer noch als "vom Aussterben bedroht" gelistet. Grund dafür ist in der heutigen Zeit vor allem der Verlust von Lebensräumen durch Flächenversiegelung und Intensivierung der Landwirtschaft.

Auf Grund seines geschuppten und platten Schwanzes wurde der Biber im Mittelalter von findigen Mönchen und Kirchenoberhäuptern kurzerhand zum Teil zum Fisch erklärt. Damit durfte das Biberfleisch auch während der Fastenzeit offiziell gegessen werden.

Biber sind exzellente Baumeister. Die Kraft der Zähne der Nagetiere brachte ihnen häufiger Rollen in TV-Werbespots für Zahnpasta ein. Allerdings macht sich der Biber durch das Fällen der Bäume und das Überfluten verschiedener Flächen durch seinen Biberdamm nicht nur Freunde, und so kam es vor allem in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten mit den nach FFH-Richtlinie geschützten Tieren.

Tide-Auwald
Eine besondere Rarität im Zusammenspiel des Systems Wald und Wasser gibt es in Hamburg-Moorwerder. Dort befindet sich mit dem Heuckenlock - einer der letzten Tideauwälder Europas und ein Süßwasserwatt. Ähnlich wie das Watt an der Nordseeküste wird hier durch Ebbe und Flut der Elbe eine Wattfläche überflutet. Da sich die Fläche außerhalb der Hamburger Hochwasserschutzanlagen befindet, wird der Tideauwald mehr als hundertmal im Jahr durch Sturm- oder Springfluten überflutet. Das Gebiet umfasst eine Fläche von circa 100 Hektar und gilt als das artenreichste Areal in Hamburg. Unter anderem findet sich hier eine Flatterulme mit einem Alter von mehr als 400 Jahren. Das Gebiet stellt ein letztes Vorkommen der früher im Tidebereich des Stromgebietes der Elbe und anderen Flüsse häufig vorkommenden Ökosystems dar.

Wer Ende März oder Anfang April durch Hamburger Tide-Auwälder läuft und plötzlich blaue Frösche sieht, braucht nicht an seiner Sehfähigkeit zu zweifeln. Es handelt sich dabei um männliche Moorfrösche, die sich während der Paarungszeit blau färben und damit männliche Konkurrenten abschrecken und Weibchen beeindrucken wollen. Die Männchen versammeln sich an flachen Stellen im Gewässer und bilden ganze Rufchöre.

Besondere Gefahr besteht für die nach FFH-Richtlinie streng zu schützende Art durch die großräumige Trockenlegung von Lebensräumen. Ein weiteres Problem stellt saurer Regen dar, der den pH-Wert der Laichgewässer der Tiere verändert. Diese Änderung kann zur Verpilzung und zum Absterben des Laichs führen.

Ein weiterer Bewohner der seltenen Tide-Auwälder ist das ebenfalls geschützte Flussneunauge. Hier schlüpfen die Jungtiere, die sich dann nach einer Metamorphose auf den Weg Richtung Meer begeben. Sie ernähren sich als Ektoparasiten von anderen Fischen. An diese heften sie sich mit ihrem Saugmaul an und raspeln das Muskelfleisch des Beutefisches regelrecht ab. Nachdem sie die Geschlechtsreife erreicht haben, stellen sie die Nahrungsaufnahme ein und wandern zum Laichen wieder in Süßwassergebiete. Ob es sich um die Gebiete handelt, in denen sie auch geschlüpft sind, ist bislang nicht geklärt.

Mangrovenwälder
Eine besonders eindrucksvolle Verbindung mit dem Element Wasser ist der Wald im Fall der Mangrovenwälder eingegangen. Diese besonders artenreichen Wälder salztoleranter Bäume und Sträucher kamen ursprünglich an fast allen Meeresküsten mit einer Wassertemperatur über 20 Grad Celsius vor. Die Pflanzen haben sich mit zahlreichen Mechanismen an diesen speziellen Lebensraum angepasst, so sind manche in der Lage, das Salz des Meerwassers über spezielle Drüsen an den Blättern wieder auszuscheiden. Um die Wurzeln im Schlick des Küstenbodens mit Luft zu versorgen, sind Mangrovenbäume in der Lage, über ein Belüftungssystem Sauerstoff oberhalb des Wasserspiegels aufzunehmen und nach unten zu transportieren.

Eine weitere Besonderheit der Bäume im Mangrovenwald ist ihre Vermehrung. Die Samen keimen bereits am Baum und fallen als zigarrenförmige Keimlinge zu Boden bzw. ins Wasser. Hier bleiben sie entweder im schlammartigen Boden stecken und können sofort wachsen, oder sie werden vom Wasser fortgespült und wachsen dort, wo sie das Meerwasser auf dem Boden ablegt. So ist auch die vormals große Verbreitung der Mangrovenwälder zu erklären. Mangroven zählen neben den tropischen Regenwäldern und den Korallenriffen zu den produktivsten Ökosystemen des Planten. Mit ihren vielen Stockwerken bieten sie eine Vielzahl verschiedener Lebensräume. In Ihren Kronen leben Echsen, Affen und zahlreiche Vögel. Auf ihren Ästen wachsen Farne und andere Pflanzen. Zwischen den Wurzeln finden Krabben, Muscheln und Fische einen sicheren Lebensraum.

Mangrovenwälder haben eine besondere Funktion für den Schutz der Küsten und gelten als die Kinderstuben vieler Fische und anderer Meeresbewohner. Viele Mangrovenwälder sind allerdings der menschlichen Zerstörung zum Opfer gefallen. Allerdings gibt es auch hier Modelle für eine nachhaltige Bewirtschaftung. Das Holz der Mangrovenwälder eignet sich nicht für alle Verwendungsmöglichkeiten. Oft wird es zu Holzkohle verarbeitet. Mangrovenwälder werden häufig in Sammelwirtschaft genutzt, bei der Krabben, Muscheln und Pflanzen gesammelt werden.

Eine große Gefahr für dieses einzigartige Ökosystem entsteht aber durch den menschlichen Hunger nach Garnelen. Für Garnelenfarmen werden nach wie vor große Flächen gerodet. Nach nur wenigen Jahren sind diese Flächen so mit Chemikalien verseucht, dass für die Garnelenfarm eine neue Waldfläche gerodet werden muss. Eine Wiederbewaldung ist nicht mehr möglich - der Mangrovenwald unwiederbringlich zerstört.

Die Sundarbans
sind die größten Mangrovenwälder der Erde. Übersetzt ins deutsche bedeutet das bengalische Wort "schöner Wald": Die Sundarbans liegen zum Teil in Bangladesch, zum Teil im indischen Bundesstaat Westbengalen. Unter anderem in diesen Wäldern streift der Bengal- oder Königstiger durch sein Revier. Nur noch rund 2.500 Individuen gibt es weltweit, weshalb er von der Weltnaturschutzorganisation IUCN als gefährdet eingestuft ist. Bis zu 3,10 Meter misst ein ausgewachsener männlicher Königstiger von der Schnauze bis zur Schwanzspitze. Die imposanten Tiere werden dabei bis zu 300 Kilogramm schwer.

Beliebte Beute des Bengaltigers ist unter anderem der Axishirsch. Die ruffreudigen und auffällig hell getupften Tiere sind etwas kleiner als die auch bei uns bekannten Damhirsche. Durch das ausgeprägte Markierungsverhalten der Männchen können erhebliche Schäden in Wäldern entstehen, in denen die Tiere heimisch sind. Durch das Fegen der Geweihe an den Baumstämmen schälen die Männchen die Bäume regelrecht, bis die innere, weiße Rinde freigelegt ist. In Waldflächen, die an Äsflächen angrenzen, kann es vorkommen, dass die Tiere an fast jedem Baum die Rinde entfernen, was zum Absterben der Bäume führen kann.

In den Sundarbans und anderen Regionen, in denen neben dem Axishirsch auch der Tiger lebt, haben die Hirsche eine erstaunliche Verhaltensweise entwickelt. Tiger meiden den Kontakt zu Menschen. Das haben die Hirsche gelernt, und so entgehen sie der Gefahr durch den Tiger, in dem sie sich häufig am Rand von Dörfern aufhalten.

Nebelwälder
Nicht nur das Wasser durch Regen oder Flüsse kann entscheidend für die Ausbildung von besonderen Waldtypen sein, sondern auch der Nebel. Nebelwälder finden sich meist an Osthängen von Bergen der Tropen- und Subtropen. Dort staut sich die Luft und wird gezwungen, nach oben zu steigen. Dabei kühlt sie sich ab - Wolken, Regen und Nebel entstehen. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit, die oft deutlich höher liegt als in darunterliegenden Abschnitten oder auf den Berghängen jenseits der Ostseite, kann sich eine sehr vielfältige und spezielle Vegetation entwickeln. Besonderes Merkmal von Nebelwäldern ist eine hohe Zahl epiphytischer Pflanzen - also Pflanzen wie Flechten und Orchideen, die auf Bäumen leben und keinen Kontakt zum Erdboden haben. Besonders eindrucksvoll lassen sich diese Wälder zum Beispiel auf der Kanareninsel La Gomera bestaunen.

Im immergrünen Nebelwald der Insel La Gomera finden sich noch rund 1.000 Individuen der Kanaren- oder Bolls Waldtaube. Auf den übrigen Kanarischen Inseln finden sich noch größere Populationen der Vögel. Dennoch gelten sie als gefährdet. Besondere Gefahr geht für die Tiere von der Rodung der Lorbeerwälder aus. Da sich die Rate der Abholzung allerdings verlangsamt hat, geht man heute davon aus, dass sich die Populationen langsam erholen und stabilisieren.


Autoren
Christoph Rullmann ist SDW-Bundesgeschäftsführer,
Julia Hoffmann ist stellv. Chefredakteurin von Unser Wald;
E-Mail: unser-wald@sdw.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Einen der letzten Tide - Auwälder Europas gibt es in Hamburg-Moorwerder
- Das Fell des Fischotters wirkt wie ein Neopren-Anzug.
- Eine besonders eindrucksvolle Verbindung von Wald und Wasser - die Mangrovenwälder
- Nebelwälder - charakteristisch für Tropen und Subtropen

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Quelle:
Unser Wald - Zeitschrift der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
4. Ausgabe, Juli/August 2013, Seite 4 - 7
Herausgeber:
Bundesverband der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., Bonn
Redaktion: Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn
Telefon: 0228 / 945 98 30, Fax: 0228 / 945 98 33
E-Mail: unser-wald@sdw.de
Internet: http://www.sdw.de
 
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Bezugspreis: Jahresabonnement 17,50 Euro
einschl. Versandkosten und 7% MwSt.
Einzelheft: Preis 3,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2013