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LAIRE/070: "The Happening" - Öko-Thriller, der keine Lösung braucht (SB)


"The Happening"

Eine Menschheitsgefahr ... bleibt unkontrollierbar


Der Mensch mißhandelt den Planeten, er lebt nicht mehr im Einklang mit der Natur, er hat es verlernt, mit den Pflanzen zu sprechen, und wird nun von Mutter Erde dafür bestraft ... so hätte die Botschaft ausfallen können, die in dem Film "The Happening" dem Publikum vorgesetzt wird. Es kam jedoch anders - und das zeichnet ihn aus. Antworten auf eine potentiell menschheitsbedrohliche Gefahr werden nicht gegeben. Vielleicht hat der Film deswegen vorwiegend schlechte Kritiken erhalten. Dem nach raschen Konsum und Sensationen heischenden Massenpublikum wurde ein Gericht serviert, von dem einige Bestandteile unverdaulich bleiben.

Aber der Reihe nach. In "The Happening" breitet sich vom New Yorker Central Park ausgehend ein Phänomen aus, das bewirkt, daß die Menschen plötzlich in dem innehalten, was sie gerade tun, und allenfalls noch bestrebt sind, sich umzubringen. Bauarbeiter fallen wie tote Vögel vom Himmel, Polizisten ziehen ihre Waffe und richten sich. Passanten nehmen die Waffe auf und geben sich ebenfalls eine Kugel.

Anfangs behauptet die Regierung, Terroristen hätten einen Anschlag mit Giftgas verübt, und Wissenschaftler wollen auch schon bestimmte, den Selbstmordwunsch auslösende Neurotoxine im Gehirn der Betroffenen nachgewiesen haben. Zunächst beschränkt sich das Phänomen - von einer Seuche zu sprechen, verbietet sich, da eine solche Kategorisierung bereits eine Pseudoerklärung liefert und damit den Eindruck der potentiellen Beherrschbarkeit erzeugt - auf die Großstädte. Dann folgen aber auch kleinere Städte, große und dann kleinere Verkehrsverbindungen.

Der Lehrer Elliot Moore (Mark Wahlberg) flieht mit seiner Frau Alma (Zooey Deschanel), seinem besten Freund Julian (John Leguizamo) und dessen kleiner Tochter Jess (Ashlyn Sanchez) aus Philadelphia. Nachdem sich das Phänomen über eine Reihe von Bundesstaaten an der Ostküste der USA ausgebreitet hat, wendet sich die Regierung von der Anschlagstheorie ab und spricht von einem natürlichen Phänomen, von Pflanzen, die Giftstoffe absondern. Ein Wissenschaftler räumt im Fernsehen ein, daß sie sich die Vorgänge letztlich nicht erklären können.

Moore hat zunächst den Eindruck, daß das Phänomen auf große Siedlungsräume und Verkehrswege beschränkt bleibt, doch muß er diese Vermutung revidieren. Auch auf einem freien Feld verfallen Menschen dem Einfluß, der allem Anschein nach mit dem Wind weiterbefördert wird, und bringen sich um. Als nächstes stellt Moore die Hypothese auf, daß größere Ansammlungen von Menschen die Pflanzen dazu reizen, gefährliche Substanzen freizugeben, aber auch das wird widerlegt: Eine schrullige ältere Frau, die in einem entlegenen Gehöft lebt, das nicht einmal über einen Stromanschluß verfügt, wird zum Opfer in ihrem Garten, obwohl sie sich dort ohne Begleitung aufhält.

Ein zuvorkommender Gärtner, der Elliot mit dem Auto mitnimmt und mit seinen Pflanzen spricht, weil sie, wie er beteuert, darauf reagieren, kommt ebenfalls ums Leben - offensichtlich bietet auch das Sprechen mit der Petunie keinen Ausweg aus der Gefahr. Die endet irgendwann, anscheinend ohne menschliches Zutun. Der Held, seine Frau und die zur Waise gewordene und von ihnen adoptierte Jess überleben. Im Fernsehen erklärt ein Experte, daß dies womöglich nur eine Warnung war und der Effekt wie bei der roten Algenblüte jederzeit wieder auftreten könne. Zum Schluß ein Szenenwechsel: Paris, Parkanlagen. Zwei Personen unterhalten sich. Da bleibt einer von ihnen unvermittelt stehen, blickt teilnahmslos ... die Blätter rauschen.

Der Regisseur und Drehbuchautor M. Night Shyamalan wollte offensichtlich nicht vollständig auf Erklärungen verzichten, denn immerhin hat ein Wissenschaftler im Fernsehen zutreffend prognostiziert, daß das Phänomen, sobald es seinen Höhepunkt überschreitet, sehr plötzlich aufhören wird, aber alles in allem hinterläßt der Film viele Fragen. Das mag auf Zuschauer, die nach Ruhe und Beruhigung streben und darin nicht gestört werden wollen, irritierend, vielleicht sogar abstoßend wirken. Dennoch - oder besser: gerade deswegen - ist der Film sehenswert. Er mündet eben nicht in den eingangs erwähnten üblichen Klischees und versucht nicht, die Gefahr irgendwie durch die Menschen bewältigbar erscheinen zu lassen. Damit regt er zu Fragen an, wie sie im Umweltdiskurs selten gestellt werden: Was wäre, wenn der Klimawandel eintritt, obgleich die Menschheit auf eine extrem kohlenstoffarme Technologie umgesattelt hat?

Man muß kein Anhänger einer industriefreundlichen Politik sein und den menschlichen Einfluß auf das Klima nicht leugnen wollen, um dennoch festzustellen, daß Klima der Inbegriff für Wandel ist und es Warm- und Eiszeiten gab, als der Mensch noch nicht existierte. Daraus folgt, daß sich der Mensch nicht sicher sein kann, ob die Kohlendioxid-Einsparungsziele genügen, um die allgemeine Erderwärmung abzuwenden oder auf eine für Menschen erträgliche Geschwindigkeit abzubremsen (wonach es derzeit nicht aussieht).

Hier verweist der Film "The Happening" auf eine unversöhnliche Position: Etwas geschieht - allem Anschein nach mit den Pflanzen -, und Menschen sterben. Früher hätten die Menschen wahrscheinlich irgendeinen Gott dafür verantwortlich gemacht, im christlichen Glauben könnte das Phänomen als Bestandteil der Apokalypse ausgelegt werden, in der Naturwissenschaft spräche man vermutlich von einem noch unverstandenen Rückkopplungsmechanismus in der Natur. Allen Erklärungsversuchen gemeinsam ist die Annahme einer außerhalb des menschlichen Zugriffs liegenden Macht (Götter, christlicher Gott, Natur), die das Phänomen bewirkt und sicherlich nicht im menschlichen Interesse handelt.

"The Happening" weist zwar einige spektakuläre Szenen auf, bleibt aber alles in allem unspektakulär. Die Stilmittel - vor allem der Wind in den Gräsern, Büschen und Bäumen - sind bescheiden, werden jedoch effektvoll eingesetzt. Wegen seiner Anregungen zu weitergehenden Fragen ist der Film sehenswert.

10. November 2008