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LAIRE/077: Schutz der Wale - Schutz der Menschen (SB)


US-Navy darf vor Hawaii Manöver mit für Wale tödlichen Sonargeräten durchführen

Bedenkliche Ausnahmeregelung vom Gesetz zum Schutz der Meeressäuger


Die US-Regierung hat der Navy die Erlaubnis erteilt, in den nächsten fünf Jahren in den Gewässern um die Inselgruppe Hawaii Manöver mit dem Einsatz von Sonargeräten durchzuführen, durch die Meeressäuger schwer verletzt oder getötet werden, berichtete die Website Environment News Service (ENS) am 13. Januar. [1]

Obschon bei der Neigung mancher Walschützer, Meeressäuger mit menschlichen Kategorien wie "unschuldig" oder "harmlos" zu belegen, ausgeblendet wird, daß die Kolosse ihre tonnenschweren Gewichte durch ein entsprechendes Ausmaß an Raub erlangt haben, wäre es ein Irrtum, das Engagement der Tierschützer als naive Marotte, puren Aktionismus oder Weltfremdheit abzutun. In der Konsequenz kann der Schutz der Wale vor den militärischen Sonargeräten mit dem Schutz des einzelnen Menschen vor dem übergreifenden Interesse parallelisiert werden.

Wale als unschuldig zu bezeichnen fordert insofern Widerspruch heraus, als daß niemand den Krill gefragt hat, was er davon hält, vom Wal gefressen zu werden. Wale wie Krebstiere zeigen eine eindeutige Überlebensmotorik, beide wollen auf keinen Fall getötet werden. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten tun sie alles dafür, damit das nicht geschieht. Sich für die Bewahrung der Wale einzusetzen bedeutet auf der anderen Seite, kategorisch über die Interessen ihrer Beutetiere hinwegzusehen.

Der Mensch, der sich selbst als Krone der Schöpfung bezeichnet - nicht zuletzt, weil ihm auf diese Weise alle anderen Arten als potentielle Beute zur Verfügung zu stehen haben -, erweist sich als ein noch größerer Räuber als der Wal. Und nicht nur das. Er ist derjenige, der wie kein anderer Überlebenssicherung zu Lasten der eigen Art betreibt - beispielsweise indem er gewaltige Militärapparate aufbaut, die Sonargeräte benötigen, welche nicht nur den Meeressäugern Schaden zufügen, sondern im Zweifelsfall auch an der Schädigung von Menschen beteiligt sind. Das ist letztendlich Aufgabe von Vernichtungsgeräten zu Wasser, zu Lande und in der Luft.

In diesem Kontext wäre der Schutz der Wale vor den Sonargeräten als ein Aspekt, mag er noch so nebensächlich erscheinen, des Schutzes der Menschen vor dem, was die Sonargeräte repräsentieren, zu begreifen. Aus welchen Motiven heraus Walschützer versuchen, die auf Angriffskriege geeichte Militärmaschinerie der USA an einer kleinen Stelle in ihrem Tun aufzuhalten, sie machen damit auf Widersprüche aufmerksam, die ansonsten unter den Tisch gekehrt werden.

Niemand steht über dem Gesetz, behauptete der designierte US-Präsident Barack Obama am 11. Januar in einem Interview mit dem US-Fernsehsender ABC mit Blick auf ein mögliches juristisches Nachspiel zu den Machenschaften der scheidenden US-Regierung. Da irrt Obama. Die U.S. Navy wurde erst kürzlich vom Obersten Gericht der USA von der Einhaltung von Gesetzen, unter anderem zum Schutz der Arten und der Meeressäuger, befreit. [2] Auch wenn das kein uneingeschränkter Freibrief für sämtliche Formen von Massakern an den Meeresbewohnern bedeutet, so besitzen Kriegsschiffe die ausdrückliche Genehmigung, Wale und andere Meeressäuger durch den Betrieb der aktiven Sonargeräte schwer verletzen oder töten zu dürfen. Dem dafür reklamierten übergreifenden Interesse fällt im Zweifelsfall die eigene Bevölkerung zum Opfer, wie der administrative Umgang mit den Flutopfern der Katrina-Katastrophe 2005 im Süden der USA gezeigt hat.

Meeressäuger verfügen über sehr empfindliche Hörorgane; mit ihrer Hilfe können sie sich über sehr weite Entfernungen verständigen. Der Preis dafür besteht in der hohen Verletzlichkeit des Gewebes, beispielsweise bei Schalldruck. Wenn nun die Sonargeräte kräftige Explosionsknalle erzeugen oder ein Meeresgebiet mit Schallwellen in einer Stärke von 235 Dezibel bestreichen, dann wäre das für Menschen so, als wenn im gleichen Raum ein Raketentriebwerk gezündet würde.

Der Schutz der Wale vor Sonargeräten hieße übertragen auf die menschliche Sphäre Schutz vor dem nach Vervollständigung strebenden Verfügungsinteresse staatlicher Organe. Die Bereitschaft von Organisationen, die gegen die Navy geklagt und alles in allem eine schwere gerichtliche Niederlage eingesteckt haben [3], mit den Militärs zusammenzuarbeiten, könnte allerdings als Indiz dafür angesehen werden, daß sich die Kläger entweder nicht über die weitreichendere Bedeutung ihres Anliegens im klaren sind oder daß es ihnen damit vielleicht doch nicht so ernst gewesen war, wie es den Anschein hatte.


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Anmerkungen:

[1] http://www.ens-newswire.com/ens/jan2009/2009-01-12-092.asp

[2] LAIRE/072: US Supreme Court - Navy darf Meeressäuger verletzen (SB)

[3] LAIRE/076: Walschützer ziehen Klage gegen U.S. Navy zurück (SB)

15. Januar 2009