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LAIRE/092: Wasserfußabdruck des WWF - höchst problematisch! (SB)


Beschreibung des Wasserfußabdrucks deutet auf methodische Mängel

Sorge um zunehmenden Wassermangel in der Welt birgt die Gefahr, der Entstehung eines ökodiktatorischen Regimes Vorschub zu leisten


In einer breit rezipierten Studie des World Wide Fund for Nature (WWF), die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde, wird das Konzept des Wasserfußabdrucks für einen Haushalt, ein Land und auch einen Kontinent vorgestellt. [1] In die Berechnung des Wasserverbrauchs fließen nicht nur Zahlen zum unmittelbaren Konsum ein, sondern konsequenterweise auch des externen Verbrauchs. Das heißt, wenn beispielsweise in Indien Baumwolle angebaut und dabei Wasser verbraucht wird, dann wird das Wasser anteilsmäßig für die in Deutschland verkonsumierte Kleidung, die aus indischer Baumwolle hergestellt wurde, in den Wasserfußabdruck eingerechnet.

Die Zahlen sind beeindruckend und führen drastisch vor Augen, daß die heutigen globalisierten Produktionsverhältnisse extrem verbrauchsfördernd sind. Der WWF-Rechnung zufolge ergibt sich für Deutschland ein Gesamt-Wasser-Fußabdruck in Höhe von 159,5 Kubikkilometern Wasser pro Jahr, was der dreifachen Menge des Bodensees entspricht. Umgerechnet auf die Bevölkerung von 82,2 Millionen Einwohnern verbraucht damit jeder Bundesbürger täglich 5.288 Liter Wasser. Dabei beträgt der Verbrauch im Haushalt selbst nur 124 Liter (2007).

Angesichts auch und vor allem der existenziell bedrohlichen Wassernot in vielen Ländern, aus denen Deutschland Wasser bezieht - eben in Form der dort hergestellten Produkte -, lassen Konzepte wie "virtuelles Wasser" und "Wasserfußabdruck" den räuberischen Charakter erahnen, der mit Bezeichnungen wie Freihandel und Weltmarkt maskiert wird. Ungeachtet dessen weist die vom WWF vorgelegte Berechnung womöglich eine methodische Schwäche auf. Damit ist nicht gemeint, daß bislang noch keine ausreichende Berechnung für den Wasserfußabdruck der industriellen Produktion Deutschlands vorliegt, wie der WWF selbst einräumt, sondern die augenscheinliche Vernachlässigung des virtuellen Wasserexports Deutschlands.

Spätestens an der Stelle, an der der WWF den Wasserfußabdruck von Deutschland, Großbritannien und Schweden miteinander vergleicht, hätte die Organisation darauf aufmerksam machen müssen, wie methodisch verhindert wird, daß industrielle wie auch landwirtschaftliche Produkte mehrfach berechnet werden und damit in den Wasserfußabdruck sowohl von Deutschland als auch anderen Staaten Eingang finden. Zumindest ist an keiner Stelle der Studie erkennbar, daß die Autoren den Export von virtuellem Wasser berücksichtigt hätten.

In den Schaubildern und Beschreibungen wird stets nur eine Linie von den Erzeuger- bzw. Produktionsländern nach Deutschland verfolgt, nicht aber darüber hinaus. Wenn aber beispielsweise ein Teil des Fleisches von Schweinen, die mit Soja aus Brasilien in Deutschland aufgezogen wurden, weiter nach Schweden verkauft wird - auf wessen Wasserfußabdruck wird der brasilianische Wasserverbrauch draufgeschlagen? Es wäre nützlich gewesen, wenn die Studie dazu etwas gesagt hätte.

Eine ähnliche Frage stellt sich bei originär in Deutschland hergestellten Waren. Wenn niedersächsischer Weizen nach Großbritannien exportiert wird, dann führt Deutschland damit virtuelles Wasser aus. Müßte das nicht bei einem "Gesamt-Wasser-Fußabdruck" als Minus berücksichtigt werden?

Man könnte in diesem Fall den Standpunkt vertreten, daß das keine Rolle spielt, weil der Verbrauch schlicht und ergreifend stattfindet und es auch nur darum geht. Aber so einfach sollte man die Rechnung nicht aufziehen, denn der WWF wirft in diesem Zusammenhang Begriffe wie "Strafe" und "Sanktionen" in die Debatte, spricht von "Zuteilungen", die gemacht werden sollten, und einer "Legalität der Wasserversorgung". Auch verlangt die Organisation von der Bundesregierung, daß sie ihrerseits von Schwellen- und Entwicklungsländern die gesetzliche Einführung einer Wasserpolitik fordert, und, falls diese und weitere vorgeschlagene Maßnahmen nur "unzureichend" umgesetzt würden, diese Länder "bestraft" werden sollten.

Dem WWF soll nicht die Absicht unterstellt werden, einem Zwangsregime das Wort reden zu wollen. Die Vorschläge scheinen jedoch insofern problematisch, als daß so getan wird, als fänden sie in einem apolitischen Bereich statt. Wer aber in einer Zeit, in der die Bundeswehr im Rahmen der NATO an Angriffskriegen beteiligt ist und dieser transatlantische Militärpakt erklärtermaßen die Sicherung von Ressourcen, inklusive der Transportwege, zur seiner Aufgabe gemacht hat, Forderungen stellt, die darauf hinauslaufen, daß ein laut WWF hinsichtlich seiner Wasserpolitik "vorbildlicher" Staat wie Deutschland Zwangsmaßnahmen gegen Staaten des Südens verhängt, setzt sich dem Vorwurf aus, das uralte Lied vom angeblich überlegenen Europa gegenüber dem rückständigen Süden anzustimmen und dem globalhegemonialen Projekt der USA und EU eine zivilgesellschaftliche Legitimation verleihen zu wollen.

Am Beispiel dieser Studie wird deutlich, daß die Frage knapper Sourcen und eines verantwortlichen Umgangs mit ihnen zunächst dahingehend weiterentwickelt werden sollte, in welcher Gesellschaft die Menschen eigentlich leben wollen. Soll es etwa eine sein wie die heutige, in der eine Minderheit zu Lasten der Mehrheit lebt? In der die Staaten des Südens dem Diktat ihrer nördlichen "Brüder" unterworfen sind und dank eines sie benachteiligenden Welthandels- und Verschuldungssystems auf ewig zu bloßen Produktionsregionen verkommen?


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Anmerkungen:

[1] "Der Wasser-Fußabdruck Deutschlands. Woher stammt das Wasser, das in unseren Lebensmitteln steckt?", WWF Deutschland, Frankfurt am Main, August 2009
http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/pdf_neu/wwf_studie_wasserfussabdruck.pdf

5. August 2009