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LAIRE/110: Biosprit im Flugverkehr - eine Schnapsidee? (SB)


Britisch Airways will Flugzeuge mit Treibstoff aus organischen Abfällen betanken


Wird die britische Fluggesellschaft British Airways (BA) demnächst dafür werben, daß die Leute mehr Obst, Gemüse, Getreide und Fleisch kaufen, sich einen prächtigen Wanst anfressen und jede Menge Abfall produzieren - der Umwelt zuliebe? Das wäre nämlich unternehmerisch geboten, weil sich BA ein "grünes" Image zulegen und gemeinsam mit dem US-amerikanischen Bioenergieunternehmen Solena eine Fabrik zur Produktion von Biosprit betreiben will. Ab 2014 soll die für einen Standort in Ost- London vorgesehene Anlage pro Jahr 500.000 Tonnen organischen Hausmüll zu 72 Millionen Litern "kohlenstoff-neutrales" Flugbenzin verarbeiten. [1] Angeblich werden bei der Verbrennung des Sprits aus Müll 95 Prozent weniger Emissionen produziert als bei herkömmlichem Kerosin, was einer Einsparung entspräche, als nähme man 45.000 Autos von der Straße. Als zusätzliches Schnäppchen soll das Klima auch dadurch geschützt werden, daß die um den organischen Abfall geschrumpften Müllkippen weniger Methan ausdünsten; außerdem würden noch 20 Megawatt elektrische Energie generiert.

Eine Fluggesellschaft wird "grün", lautet das Versprechen. Es gibt da allerdings den einen oder anderen Haken. In London ist Müll eine begehrte Ware. Jährlich fallen rund drei Millionen Tonnen organischen Abfalls an. Davon wird eine Million bereits verwertet, wie der Journalist Ed Crooks in einem Blog der "Financial Times" berichtete [2]. Ihrem Konzept zufolge würde die Fluggesellschaft ein Viertel des Londoner Mülls benötigen, um damit lediglich rund zwei Prozent ihrer gesamten Flugzeugflotte betanken zu können.

Crooks bezeichnet die Müllverwertung treffend als marginale Technologie und rechnet genüßlich aus, daß BA den organischen Abfall von ganz England zu Treibstoff verarbeiten müßte, um seinen Verbrauch an Treibstoff vollständig stillen zu können. Vermutlich werde uns der "peak waste" noch vor dem "peak oil" treffen, stichelt Crooks. (Unter "peak oil" wird üblicherweise das Maximum der globalen Erdölförderung bezeichnet. Wird es überschritten, kann die Fördermenge nicht mehr ausgebaut werden und es muß ein immer größerer Aufwand betrieben werden, um den Förderrückgang auch nur geringfügig zu verzögern. Manche Experten sehen die Erdölförderung bereits auf dem Weg zum absteigenden Ast.)

Um den organischen Müll, der in England produziert wird, dürften sich in Zukunft zahlreiche "grüne" Abfallverwerter reißen. Da gibt es den Chemiekonzern Ineos, der in den USA und Großbritannien Energie aus Müll gewinnen will, und auch das Busunternehmen Stagecoach, das bereits einige Busse mit Sprit aus Müll fahren läßt. Das Unternehmen hat sich verpflichtet, keinen Biosprit aus anderen Quellen als Küchenabfällen der Haushalte und Industrie zu verwerten und nicht einmal Müll zu nutzen, der auf andere Verarbeitungsweise effizienter genutzt werden könnte. Dazu merkt die britische Zeitung "The Independent" an: "Der einzige Grund, warum das Unternehmen nicht all seine 7.000 Busse mit grünem Treibstoff betreibt, ist die Menge an verfügbarem Abfall und der Mangel an Infrastruktur, um ihn umzuwandeln." [1]

Sprit aus Müll wird immer eine Nischentechnologie zur Energiegewinnung bleiben. Dem Einwand ließe sich entgegnen, daß viele Nischen eine Kathedrale ergeben und es doch besser sei, den Müll zu verwerten, als ihn zu lagern.

Beim Müll-zu-Treibstoff-Konzept sollte jedoch nicht vergessen werden, daß aus dem Müll nur ein winziger Bruchteil an Energie herausgeholt wird, die zuvor in die Produktion der organischen Substanzen hineingesteckt wurde, angefangen von der Düngemittelherstellung für die Landwirtschaft, über den Transport der Ernte bis zur Zubereitung der Lebensmittel in Haushalten und Restaurants.

Beim hier beschriebenen Konzept der "grünen" Fluggesellschaft kommt hinzu, daß es sich nach wie vor um eine Fluggesellschaft handelt. Das heißt, sie macht Geschäfte mit einem Beförderungsmittel, bei dessen Herstellung und Betrieb viel Energie verbraucht und entsprechend große Mengen an Treibhausgasemissionen produziert werden. British Airways hat geplant, lediglich seine Flüge vom Londoner City Airport, die an zehn verschiedene Ziele führen, mit dem Sprit aus Abfall zu betreiben. Eine - vermutlich nicht geahnte - Peinlichkeit wird damit vermieden, nämlich daß Flugzeuge aus Neuseeland und Australien Obst, Gemüse und andere Nahrungsmittel nach Europa bringen, aus deren Abfällen dann Treibstoff hergestellt wird, der nur zu einem winzigen Bruchteil den Bedarf abdeckt, um per Flugzeug Obst, Gemüse und andere Nahrungsmittel von der Südhalbkugel nach Europa holen zu können ...

Ein Abbau der Müllmenge ist sicherlich erstrebenswert. Besser wäre es allerdings, erst gar keinen Müll zu erzeugen. Das würde dann BA ihr mühsam zugelegtes grünes Image rauben. Möglicherweise wird die neue Fabrik, um ausgelastet zu sein, auf andere organische Materialien wie Nahrungs- und Futtermittel, ebenso wie natürliche und künstlich angelegte Wälder zurückgreifen.


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Anmerkungen:

[1] "BA will buy output from East End biofuel factory planned by US-based Solena", The Independent, 16. Februar 2010
http://www.independent.co.uk/news/business/news/british-airways-to- fly-jets-on-green-fuel-made-from-londons-rubbish-by-2014-1900732.html

[2] "BA´s biofuels plans mean a lot of garbage: the problem of 'peak waste'", Ed Crooks, 15. Februar 2010
http://blogs.ft.com/energy-source/2010/02/15/bas-biofuels-plans- mean-a-lot-of-garbage-the-problem-of-peak-waste/

19. Februar 2010