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LAIRE/124: Geschäftspartner The Nature Conservancy und BP - wie lange noch? (SB)


US-Naturschutzorganisation droht wegen Kooperation mit Ölkonzern Mitgliederschwund


Die weithin bekannte US-amerikanische Naturschutzorganisation The Nature Conservancy ist wegen ihrer seit vielen Jahren gepflegten Zusammenarbeit mit dem Erdölkonzern BP in die Kritik geraten. Die Debatte, ob eine NGO mit der Wirtschaft kooperieren sollte oder nicht, ist sicherlich so alt wie die Umweltbewegung selbst, führt aber aus gegebenem Anlaß plastisch vor Augen, welche Konsequenzen eine solche Partnerschaft hat. Aufgeschreckt durch die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko beginnen Mitglieder, die Glaubwürdigkeit der Organisation in Frage zu stellen. The Nature Conservancy hat von BP in den letzten Jahren Zuwendungen in Höhe von bis zu zehn Millionen Dollar sowie ökologisch wertvolles Land erhalten. Umgekehrt wurde BP ein Sitz im International Leadership Council der Organisation, der sich um die Verbreitung von Biodiversität bemüht, eingeräumt, wie Joe Stephens für die "Washington Post" schrieb. [1]

Anscheinend laufen den Naturschützern inzwischen die Mitglieder davon, weil diese nichts mit einem Konzern zu tun haben wollen, der augenscheinlich die Hauptverantwortung für eine der größten jemals eingetretenen Erdölkatastrophen trägt, zu der es in Folge der Explosion auf der Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko gekommen ist. Eine andere Naturschutzorganisation, Conservation International, überlegt sich, ob sie die Reißleine ziehen und ihr Verhältnis zu BP neu sortieren will.

BP steht schon lange nicht mehr für British Petroleum, sondern für "beyond petroleum". Das haben sich die Werbestrategen fein ausgedacht, entlarvt sich aber, wie das Erdöl im Golf von Mexiko und an der Südküste der USA beweist, wohlwollend gesagt als bloßes Wunschdenken. The Nature Conservancy arbeitet zwar nicht auf dem Gebiet der Offshore-Ölförderung mit BP zusammen, wie der Chefwissenschaftler der Organisation, Peter Kareiva, in einem Blog [2] beteuert, aber das entlastet die Naturschützer nicht von dem Vorwurf, sich generell daran beteiligt zu haben, daß der Erdölkonzern sein grünes Image aufpolieren durfte.

Die "Washington Post" listet im einzelnen auf, inwieweit NGO und Konzern miteinander verbandelt sind. BP ist größerer Sponsor eines The Nature Conservancy-Projekts zum Schutz von Wäldern in Bolivien. 2006 spendete BP der Organisation 265 Hektar Land in York County, Virginia, auf dem ein staatlich überwachtes Naturschutzgebiet entstehen sollte. In Colorado und Wyoming sorgen The Nature Conservancy und BP dafür, daß die Umweltschäden durch das Bohren nach Erdgas begrenzt werden. Ein Angestellter von BP Exploration arbeitet als unbezahlter Conservancy-Treuhänder in Alaska. Und nicht zuletzt arbeiten die Naturschützer von The Nature Conservancy und anderen Naturschutzgruppen mit BP zusammen, um bei Klimaschutzthemen Einfluß auf den US-Kongreß zu nehmen. [1]

Der Standpunkt der Naturschützer ist einfach, sie sagen: Ohne uns wäre die Fläche an Naturschutzgebieten in den USA und anderen Ländern kleiner; ohne uns würde der Energiekonzern weniger vorsichtig nach Erdgas bohren; ohne uns und andere Lobbyisten würden die Abgeordneten möglicherweise laschere Klimaschutzbestimmungen erlassen, etc. Es hat den Anschein, als wolle die Organisation gewaschen werden, ohne dabei naß zu werden. Die drei Beispiele ergeben andersherum gelesen ein anderes Bild: Mit der Ausweisung von einzelnen Naturschutzgebieten wird die generelle Ökonomisierung von Natur forciert und alle Nicht-Naturschutzflächen werden der Industrialisierung oder Besiedlung überantwortet. Durch die Beteiligung an Erdgasprojekten sollen größere Umweltzerstörungen damit legitimiert werden, daß sie nicht ganz so groß ausfallen. Und die Beeinflussungsversuche von Abgeordneten an der Seite von BP könnten nur einen Abklatsch an Wirkung entfalten, wäre es bei den letzten Wahlen gelungen, die Zwei-Parteien-aber-gleiche-Richtung-Demokratie zu durchbrechen und beispielsweise die Partei der Grünen in den Kongreß zu bringen. Die sind in den USA sehr viel weniger angepaßt als die hiesigen, etablierten Grünen, und hätten für einige Unruhe sorgen können.

The Nature Conservancy zählt neben dem Sierra Club und Conservancy International zu den drei großen Naturschutzorganisationen der USA. Sie betreibt eine nicht-konfrontative Politik. Spenden in Höhe von 416 Millionen Dollar im Jahr 2009 belegen, daß diese Einstellung bei der Öffentlichkeit ankommt. Laut einem Kommentar von Dave Connell, Mitarbeiter von The Nature Conservancy, zum Washington Post-Artikel [1], hat seine Organisation in den letzten rund 30 Jahren 9,9 Mio. Dollar erhalten. In dieser Summe seien drei Millionen Dollar für das Stück Land in Virginia enthalten. Nur fünf Prozent der Spendeneinnahmen stammten aus der Wirtschaft.

Mit Jahreseinnahme von fast einer halben Milliarde Dollar ist The Nature Conservancy ein Konzern und entsprechend strukturiert. Seine Manager unternehmen Reisen durch die ganze Welt und stoßen mit den Bossen der Wirtschaft auf gute Geschäfte an. Wohingegen radikale Organisationen wie ELF (Earth Liberation Front) und ALF (Animal Liberation Front), die ähnlich klingende Ziele verfolgen, wenngleich sie diese mit anderen Methoden zu erreichen versuchen, eine Randerscheinung bleiben. Die US-Bundespolizei FBI hat ELF und ALF als gefährlichste heimische Terrororganisationen eingestuft. Deren Mitglieder haben in Vergangenheit schon mal Brandanschläge auf Ski-Einrichtungen, Forschungsinstitute und spritfressende Autos verübt und dabei Sachbeschädigungen in Millionenhöhe angerichtet. BP hingegen wird vom FBI nicht als Terrororganisation geführt, obgleich die Schadenssumme allein durch das Deepwater Horizon-Unglück nicht in die Millionen, sondern in die Milliarden gehen dürfte.

Die Vorstellung, daß sich das partout nicht gleichsetzen läßt, dürfte weit verbreitet sein. Dennoch bietet solch ein abwegig erscheinender Vergleich immerhin die Chance, sich darüber klar zu werden, woran eigentlich der Unterschied festgemacht wird. ELF- und ALF-Aktivisten handeln vorsätzlich - aber taten das nicht auch BP und die beiden anderen an dem Bohrprojekt beteiligten Unternehmen Halliburton und Transocean, indem sie bestimmte Sicherheitsvorkehrungen gegen Ölaustritte nicht trafen und zeitlichen Druck ausübten?

Zum Ölunglück im Golf von Mexiko kam es, weil Ökonomie über Ökologie gestellt wurde - radikale Umwelt- und Tierschützer haben genau umgekehrte Prioritäten. Wie aber steht es mit The Nature Conservancy? Welche Prioritäten hat sie? Chefwissenschaftler Peter Kareiva schreibt, daß "Zusammenarbeit" mit BP nicht bedeutet, "sich zu verkaufen". Conservancy-Wissenschaftler arbeiteten genau deshalb mit der Industrie zusammen, weil diese häufig die Umwelt schädige. Aber: "Wir brauchen Energie und wir brauchen auch Natur - mir müssen erarbeiten, wie man dieses Energie-Ding mit geringstmöglicher Umweltzerstörung machen kann." [2]

Hier stellt Kareiva Vorbedingungen auf, die nicht zu hinterfragen sein sollen. Das sind sie aber sehr wohl! Denn "Energie" ist nicht gleich Energie. Es macht einen erheblichen Unterschied, auf welche Weise elektrische Energie und Wärme generiert werden. Dieses "Energie-Ding" hat dazu geführt, daß sich immer mehr Treibhausgase in der Atmosphäre sammeln und sich die Erde aufheizt mit katastrophalen Folgen für Millionen Menschen.

Die meisten, die von der Erderwärmung und veränderten klimatischen Verhältnissen am schwersten betroffen sein werden, leben in den Entwicklungsländern. Insofern bekommt das "Wir" Kareivas einen schalen Beigeschmack, denn es werden nicht die Konzernchefs von The Nature Conservancy und BP sein, die dann vor dem existentiellen Nichts stehen. Mit Bedarfsanmeldungen wie "wir brauchen Energie" werden sogar Kriege vom Zaun gebrochen oder zumindest als Option in Erwägung gezogen, wie unlängst den Worten Bundespräsident Horst Köhlers in Afghanistan zu entnehmen war, als er erklärte, daß die Bundeswehr auch dazu da sei, "freie Handelswege" zu sichern.

Die Mitarbeiter von The Nature Conservancy beteuern, daß sie sich durch ihre Zusammenarbeit mit BP nicht korrumpieren lassen. Das könnte insofern zutreffen, als daß die Naturschutzorganisation gar nicht erst gekauft zu werden bräuchte, wo ihr doch nachgesagt wird, daß sie schon immer einen Platz am Tisch der Mächtigen anstrebte.


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Anmerkungen:

[1] "Nature Conservancy Faces Potential Backlash From Ties with BP", Washington Post, 23. Mai 2010
http://www.commondreams.org/headline/2010/05/23-3

[2] "Why We Engage With the Energy Industry: It's For Nature", Peter Kareiva, 23. Mai 2010
http://blog.nature.org/2010/05/nature-conservancy-oil-company-energy-bp-nature/

26. Mai 2010