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LAIRE/237: Fracking-Blase vor dem Platzen? (SB)


Ende des Fracking-Booms in den USA absehbar - Rettung durch Europa?



Die Europäische Union und die USA wollen ein gemeinsames Freihandelsabkommen beschließen. Zu befürchten ist, daß bei einer Angleichung der Bedingungen, unter denen produziert und Handel betrieben wird, die Sozial- und Umweltstandards dies- und jenseits des Atlantiks auf den jeweils niedrigsten Stand gesenkt werden. Eine Folge dessen könnte sein, daß amerikanische Unternehmen in der EU und damit auch in Deutschland das umstrittene, umweltschädliche Fracking einsetzen.

Beim Fracking werden sogenannte unkonventionelle Erdgaslagerstätten (oder unkonventionelle Erdöllagerstätten) aufgebrochen. Die sind dadurch gekennzeichnet, daß das Gas nicht als Blase, sondern verteilt auf unzählige kleine Poren und Spalten im Gestein, vorzugsweise Schiefer, vorliegt. Bei der Fördermethode wird eine gasführende Schicht zunächst senkrecht, dann weiter horizontal angebohrt, mit einer in das Bohrloch versenkten Perforationskanone aufgebrochen, um die Risse und Spalten anschließend mittels einer unter hohem Druck in den Untergrund gepreßten Flüssigkeit aus Wasser, Sand und Chemikalien zu weiten, so daß das Gas zusammenströmen und gefördert werden kann. Wobei die Frack-Flüssigkeit nur zum Teil wieder hinaufgepumpt wird, was bedeutet, daß am Ende dieses wiederholt durchgeführten Vorgangs nicht nur das Gestein zertrümmert ist, ohne daß die Folgen solcher großflächigen strukturellen Zerstörungen absehbar wären, sondern daß auch trinkwasserführende Gesteinsschichten durch das Gas oder durch die Chemikalien kontaminiert werden könnten.

Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen warnen also, daß das TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) genannte Freihandelsabkommen darauf hinausläuft, daß in Zukunft in Deutschland gefrackt wird. (Die Methode ist schon älter und wird auch schon eingesetzt, relativ neu ist jedoch die Fähigkeit, in mehreren tausend Metern Tiefe horizontal weiterbohren zu können.)

Vergangene Woche berichtete allerdings die Frankfurter Allgemeine Zeitung, daß die Erwartungen an das Fracking doch wohl etwas überzogen sind, mehr noch, daß der "Fracking-Boom hemmungslos überschätzt und künstlich hochgerechnet wurde und wird". [1] Zwar sei die Förderung von Erdgas in den Vereinigten Staaten um 30 Prozent und die von Öl sogar um 50 Prozent gestiegen, "doch der Öl-Spuk könnte so schnell wieder vorbei sein, wie er angefangen hat", vermutet die FAZ.

Die Zeitung beruft sich unter anderem auf eine Studie der US-Ökonomin Deborah Rogers, die herausfand, daß die Unternehmen ihre Vorkommen systematisch hochgerechnet haben, beispielsweise um Investoren anzulocken oder die Felder über Wert verkaufen zu können. Außerdem hat der kanadische Geologe David Hughes festgestellt, daß die Fördermenge für Gas deutlich schneller abnehmen wird als angenommen. Zu guter Letzt prognostiziert selbst die in Paris ansässige Internationale Energieagentur (IEA) ein Ende des Booms für Schiefergas (und Ölsanden) für das nächste Jahrzehnt.

Folgt man der Aussage des FAZ-Berichts, könnte man beinahe den Schluß ziehen, daß für die EU Entwarnung gegeben werden muß und auch in Deutschland kein Fracking betrieben wird, weil sich die Investitionen in diese Art der Gasförderung nicht lohnen. Solch eine Einschätzung wäre jedoch voreilig. Politisch sind die Weichen vielerorts schon gestellt. Die EU hat den Weg für Fracking freigemacht, die britische Regierung hat ein umfangreiches Fracking-Programm aufgelegt, in Polen soll auch gefrackt werden, und in Deutschland könnte bei entsprechenden Verteilungsverhältnissen im Bundesrat ein bislang nicht konsensfähiges Gesetz verabschiedet werden, das Fracking unter eingeschränkten Bedingungen erlaubt. Ob die Wirtschaft den politischen Richtungsentscheidungen tatsächlich folgt, steht natürlich auf einem anderen Blatt, wenngleich zu erwarten ist, daß die Politik Investitionsanreize schaffen wird, um Fracking-Unternehmen anzulocken.

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) schätzt auf der Grundlage ihrer bisherigen Erkundungen in Deutschland das Erdgaspotential aus unkonventionellen Quellen so ein, daß es zwölf Jahre lang den gesamten Verbrauch der Bundesrepublik decken könnte. Wird nur ein Teil ersetzt, wie natürlich zu erwarten wäre, verlängert sich der Zeitraum entsprechend.

Wenn also eine deutsche Regierung zu dem Schluß gelangt, daß die potentiellen Umweltprobleme durch Fracking in den Griff zu bekommen sind - und es gibt genügend US-Studien, in denen genau das behauptet wird -, dann würde sie sich voraussichtlich dem Ansinnen von Unternehmen, hierzulande Fracking betreiben zu wollen, nicht entgegenstellen.

US-Konzerne könnten Europa sogar regelrecht als rettenden Zukunftsraum ansehen, den aufzuschließen erforderlich wird, sobald die von ihnen in Nordamerika geschaffene Blase platzt. Umweltrisiken oder die Aussicht auf lediglich kurzfristige Gewinne waren jedenfalls für profitorientiert arbeitende Unternehmen noch nie ein Hinderungsgrund, die Finger von einem Geschäft zu lassen, am wenigsten jedoch in der gegenwärtig vorherrschenden neoliberalen Variante des kapitalverwertenden Wirtschaftens. Folglich sollte es nicht heißen, "obwohl" oben erwähnte Studien ein Platzen der Fracking-Blase voraussagen, sondern "weil" sie es tun, droht diese Methode der Gasförderung auch in Deutschland Einzug zu halten.


Fußnoten:

[1] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schiefergas-in-amerika-das-fracking-wunder-bleibt-aus-12753461.html

19. Januar 2014