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LAIRE/319: Fracking - lancierte Profite ... (SB)



In Folge der Coronaviruspandemie und des Preiskriegs zwischen Saudi-Arabien und Rußland über die Fördermenge von Erdöl ist dessen Weltmarktpreis weit unter den Wert gesunken, bei dem das in den USA per Fracking geförderte Erdöl konkurrenzfähig ist. Deshalb hat US-Präsident Trump angekündigt, die heimische Industrie zu unterstützen und für mehrere Milliarden Dollar Fracking-Erdöl zu überhöhten Preisen zu kaufen. An diesem Beispiel unverhohlener staatlicher Intervention zeigt sich, daß die sogenannte freie Marktwirtschaft ein Trugschluß ist. Sie wird viel mehr von politischen Entscheidungen bestimmt, als allgemein angenommen, und dahinter stecken nicht zuletzt geopolitische Interessen, die zu ihrer Durchsetzung auch die gesundheits- und umweltschädlichen Folgen des Frackings in Kauf nehmen.

Vergangene Woche Montag rauschte der Weltmarktpreis für Erdöl in den Keller, das war der seit 30 Jahren stärkste Preisverfall innerhalb eines Tages. Den Hintergrund bildete das Auslaufen einer vor drei Jahren getroffenen Vereinbarung der OPEC Alliance, auch OPEC+ genannt. Saudi-Arabien, führendes Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder, strebte eine Reduzierung der Fördermenge an, weil der Ölpreis aufgrund der Coronaviruspandemie bereits abgesackt war. Erwartungsgemäß lehnte Rußland den Vorschlag ab. Darauf vollzog Saudi-Arabien eine Kehrtwende und beschloß, in den kommenden Monaten seine Fördermenge um 10 Mio. Barrel pro Tag oder mehr zu steigern. Daraufhin stürzte der Kurs vollends ab, die Börsen Asiens eröffneten das Geschäft mit einem 30prozentigen Preisverfall.

Vergangene Woche Freitag erklärte US-Präsident Donald Trump, er habe Energieminister Danny Ray Brouillette angewiesen, große Mengen heimisch gefördertes Erdöl für die strategische Reserve zu kaufen, und zwar "zu einem sehr guten Preis". Man werde die Tanks bis zum Rand auffüllen. Wie die Internetseite "The Hill" aus Washington meldete, könnten laut Energieministerium die Speicher um 77 Millionen Barrel Rohöl gefüllt werden. Bei einem Preis von 33 Dollar pro Barrel, wie er am Freitag feststand, wären das über 2,5 Mrd. Dollar. [1]

Die Umweltschutzorganisation Friends of the Earth, eine Reihe Senatoren von der Demokratischen Partei und Mike Sommers, Präsident und CEO der Erdöllobbyorganisation American Petroleum Institute (API) haben sich gegen Trumps Vorhaben ausgesprochen. Allerdings aus sehr unterschiedlichen Gründen. Sommers lehnt eine Einmischung des Bundes ab, da er möchte, daß die Marktkräfte das Problem regeln. Das könnte bedeuten, daß nur einige größere Unternehmen, die Maßnahmen gegen den in den letzten Jahren nicht zum ersten Mal aufgetretenen stärkeren Preisverfall ergriffen haben, überleben werden.

Die demokratischen Senatoren Bernie Sanders, Ed Markey und Jeff Merkley hatten bereits am 12. März in einem offenen Brief an Trump geschrieben, daß Gelder aus dem Bundeshaushalt zur Stärkung der Ölgesellschaften einem "Mißbrauch von Regierungsressourcen" gleichkämen, der die Klimakrise verstärke. Das schließe "die Vergabe zinsgünstiger Darlehen, Reduzierung von Lizenzgebühren, Steuererleichterungen oder Einkäufe für die strategische Erdölreserve" ein. Die Erdölgesellschaften würden schon jedes Jahr mit Milliarden Dollar subventioniert. Die Coronaviruskrise nun dafür zu benutzen, um die in vielen Fällen bereits finanziell angeschlagenen Unternehmen zu unterstützen, wäre eine rücksichtslose Verschwendung von Steuergeldern. [2]

Lukas Ross von der Organisation Friends of the Earth wiederum machte auf den Widerspruch aufmerksam, daß Trump die Profite von Umweltverschmutzern sichern will, während gleichzeitig Millionen US-Bürgerinnen und -Bürger in eine wirtschaftliche Katastrophe geworfen werden könnten. [3]

Fracking wurde schon relativ zu Beginn des Erdölzeitalters betrieben. Bereits im 19. Jahrhundert wurde Nitroglycerin in ein Bohrloch gekippt, um durch die Sprengwirkung am unteren Ende des Bohrlochs den Ölfluß zu stimulieren. Wenn heute von "Fracking" die Rede ist, ist damit ein in diesem Jahrhundert entwickeltes technisches Verfahren gemeint, bei dem eine erdgas- oder erdölhaltige Gesteinsschicht (Schiefer oder Sandstein) horizontal angebohrt wird. Mittels kräftiger Kompressoren wird dann eine Flüssigkeit aus Wasser, Sand und diversen chemischen Substanzen in das Bohrloch gepreßt, bis das Gestein aufbricht und das Gas oder Öl zusammenströmen und gefördert werden kann. Unter Umständen wird der Vorgang pro Bohrloch viele Male wiederholt, wobei von einem Bohrstandort aus horizontal in verschiedene Richtungen gebohrt wird. Das alles ist teuer und rentiert sich erst ab einem Weltmarktpreis von 50 Dollar pro Barrel.

Die Umwelt- und Gesundheitsschäden dieser Fördertechnik, wie auch allgemein der Nutzung fossiler Energieträger, sind immens. Vor dem Hintergrund der bereits angelaufenen globalen Klimawandelkrise sollten eigentlich 90 Prozent der fossilen Energieträger im Boden bleiben, da ihr Verbrennen den Treibhauseffekt verstärkt. Zudem verunreinigt Fracking Oberflächengewässer und Grundwasser, bringt radioaktive Teilchen an die Oberfläche, hinterläßt teils verwüstete, industrialisierte Landschaften, zerrüttet den Untergrund, belastet Arbeiterinnen und Arbeiter sowie die Bevölkerung in der Nähe der Bohrlöcher mit gesundheitsgefährdenden Luftschadstoffen.

Der administrative Vorgang der Trump-Regierung wirft die Frage auf, ob die Europäische Union mit dem Erwerb von Flüssiggas (LNG) aus den Fracking-Fördergebieten der USA die klimaschädliche Politik Washingtons unterstützen will. Und "klimaschädlich" bedeutet immer, daß Menschen zu Schaden kommen, beispielsweise aufgrund der Verstärkung von Wirbelstürmen, die ganze Landstriche unter Wasser setzen, oder umgekehrt der Ausbreitung von Dürren, die Hunger erzeugen oder Wald- und Buschbrände auslösen können.

Donald Trump argumentiert auch in diesem Fall wieder, daß mit der Aufstockung der strategischen Erdölreserve sowohl die Industrie als auch die Energieunabhängigkeit der Vereinigten Staaten gefördert wird. Er verfolgt damit also offen geopolitische Interessen. Warum sollte sich die Europäische Union dem anschließen? Daß mit Phil Hogan ausgerechnet ein vehementer Befürworter des LNG-Imports zum EU-Handelskommissar ernannt wurde [4], wirft einen Schatten auf den von der EU-Kommissionsvorsitzenden Ursula von der Leyen ausgerufenen "Green Deal", noch bevor dieser überhaupt anfängt, Konturen zu zeigen. Hogan hat zwar seine für den 18. März geplante Reise nach Nordamerika abgesagt, aber der geplante "Mini Deal", den er mit den USA aushandeln will, ist damit nicht vom Tisch. Auch wenn es bei dem Deal zunächst nicht um LNG-Exporte in die EU geht, könnte dies dennoch Teil der Verhandlungsmasse sein.

Die indirekte Subventionierung der US-Frackingindustrie jedenfalls zeigt, daß sich die freie Marktwirtschaft nur als so frei erweist, wie sich ihre Protagonisten die Freiheit nehmen, die Regeln des Marktes willkürlich zu ihren Gunsten auszulegen oder zu verändern.


Fußnoten:

[1] https://thehill.com/policy/energy-environment/487495-trump-says-government-will-buy-crude-oil-to-help-industry

[2] https://www.markey.senate.gov/imo/media/doc/2020_03_12%20COVID%2019%20Oil%20Tax%20Break%20Trump%20signed%20copy.pdf

[3] https://twitter.com/i/web/status/1239899406192820226

[4] https://greennews.ie/lng-hogan-win-win/

17. März 2020


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