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STANDPUNKT/058: Kommentar - EU-Regierungschefs befassen sich ohne Energie mit Energie (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände
EU-Koordination

EU-News - Dienstag, 08. Februar 2011 / Klima & Energie

KOMMENTAR: EU-Regierungschefs befassen sich ohne Energie mit Energie


Mit Energieeffizienz und erneuerbaren Energien könnte die EU Wirtschaft, Arbeit und Klimaschutz verbinden. Doch Europas Regierungen reagieren nur, statt zu gestalten, sagt Dietrich von Tengg-Kobligk vom Forum Umwelt und Entwicklung in einem Kommentar für "umwelt aktuell".

Die fossilen und nuklearen Energieressourcen verknappen und verteuern sich rapide. Europas Wirtschaft ist abhängig von Importen und muss auch aus Klimaschutzgründen dringend Energie einsparen. Das allein wäre Grund genug gewesen, beim Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs am 4. Februar in Brüssel die Energieversorgung mit höchster Priorität zu behandeln. Entscheidungen sind gefragt, weil der Umbau der Energieversorgung und der Ausbau der Infrastruktur gigantische, langfristige Investitionen erfordert. Um den Investitionsbedarf zu verringern, bietet es sich an, jetzt den Energieverbrauch deutlich zu senken. Doch das EU Ziel von 20 Prozent mehr Energieeffizienz bis 2020 soll weiter unverbindlich bleiben, obwohl nach bisheriger Erfahrung Freiwilligkeit ein Garant für schwache Vorgaben, wirkungslose Maßnahmen und eine schleppende Umsetzung ist.

Wachstum ist für die europäischen Staatsoberhäupter weiterhin der einzige Weg, um den Wohlstand für Europas Bevölkerung zu sichern. Eine für unseren Planeten gefährlich einseitige Ausrichtung. Denn die griffige Formel "20 Prozent CO2-Einsparung durch 20 Prozent Erneuerbare und 20 Prozent Effizienzsteigerung" hat ausgedient. Europa erreicht damit nicht die zur Klimastabilisierung notwendigen CO2-Einsparungen und kann noch nicht einmal die kostengünstigen Einsparmöglichkeiten im Gebäudebereich aktivieren. Im Gegenteil, weil 20 Prozent weniger CO2 bis 2020 schon allein durch den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien erreicht werden, fehlt in allen anderen Sektoren der Anreiz zum Einsparen. Die Folge: Innovationen wie Elektromobilität und Speichertechnologien werden nicht mit dem notwendigen Einsatz vorangetrieben und müssen in Zukunft teuer importiert werden.

Am 4. Februar hat die EU wieder einmal eine Chance verpasst. Obwohl sie ihre eigenen Effizienzziele nur zur Hälfte erfüllt, fehlt ihr der Mut zu bindenden Zielen und effektiv regelnden Eingriffen. Eine wirksame CO2-Besteuerung? Ist nicht gewollt. Ein funktionierender Emissionshandel? Liegt in weiter Ferne. Solange das so bleibt, werden diejenigen Teile der Wirtschaft belohnt, die sich Investitionen in Klimaschutz widersetzen.

Die hohen Risiken dieser Weiter-so-Politik sollen nach Ansicht der Staatschefs durch intensivere Beziehungspflege mit Russland und anderen Energielieferanten gemindert werden. Die Möglichkeiten, das Versorgungsrisiko auch durch Energieeinsparung und den entschlossenen Ausbau erneuerbarer Energien zu mindern, werden in dieser Wachstumslogik systematisch unterschätzt.

Alle Alternativen zur jetzigen Energie- und Klimapolitik der EU hängen daran, dass sich die EU zu einem 30-Prozent-Minderungsziel verpflichtet. Die Hoffnung der Nichtregierungsorganisationen, dieser Energiegipfel könne sich dazu durchringen, war vergeblich. Eine Mehrzahl der 27 Staatschefs glaubt, dass ein solcher Beschluss die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Länder beeinträchtigen kann. Dabei wissen alle: Verzögerungen auf dem Weg zu mehr Energieeffizienz bedeuten höhere Kosten in der Zukunft. Für solche rationalen Gedankengänge war jedoch auf dem Energiegipfel kein Raum. Die Lage in Ägypten und die Finanzkrise dominierten. Vertagt wurden Beschlüsse über große Investitionen, etwa in die Stromnetze, deren Finanzierung nun unsicher bleibt.

Die verpassten klimapolitischen Weichenstellungen haben uns schon eingeholt: Klimakapriolen ließen die Kohle- und Lebensmittelpreise explodieren. Die gestiegenen Preise waren Auslöser der Proteste in Tunesien und Ägypten. Wegen der politischen Unsicherheit im arabischen Raum stiegen die Ölpreise. Wann wird die EU-Klimapolitik (re)agieren?

Dietrich von Tengg-Kobligk studierte Nachhaltigkeitsmanagement und arbeitet als Europabeauftragter für das Forum Umwelt & Entwicklung in Brüssel und Berlin.

Kontakt: +32 (0)2 / 8930944, E-Mail: eu@forumue.de , www.forumue.de


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Quelle:
EU-News, 10.02.2011
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2011