Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → MEINUNGEN

STANDPUNKT/164: Stresstest transparent und ergebnisoffen diskutieren (Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21)


Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 - 1. Juli 2011

Stresstest ja - aber transparent, ergebnisoffen und fair diskutieren


Stuttgart. Am 14. Juli will die Bahn die Ergebnisse des Stresstests zu Stuttgart 21 öffentlich präsentieren, nur einen Tag später milliardenschwere Bauaufträge vergeben. "Dieser Zeitplan ist aus Sicht des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 absolut inakzeptabel. Für eine öffentlichkeitswirksame Schauveranstaltung der Bahn werden wir nicht zur Verfügung stehen", erklärt Berthold Frieß, Landesgeschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Baden-Württemberg. Ohne ein substanzielles Einlenken der Bahn und ohne eine transparente, frühzeitige und ergebnisoffene Beteiligung am Stresstest werde das Aktionsbündnis nicht an der Vorstellung am 14. Juli teilnehmen. "Unsere Bedingungen an der Teilnahme am Stresstest sind eindeutig - werden sie von der Bahn erfüllt, nehmen wir am Tisch platz", so Hannes Rockenbauch, SÖS-Stadtrat und Sprecher des Aktionsbündnisses. Die Bedingungen seien:

- Beteiligung an der Erarbeitung und Definition der Grundprämissen des Stresstests wie einer guten Betriebsqualität der Haltezeiten, der zugrunde liegenden Fahrplankonzeptionen und Anschlussverbindungen.

- Gutachterliche Untersuchung der tatsächlichen maximalen Leistungsfähigkeit des heutigen Kopfbahnhofes. Nur wenn die Leistungsfähigkeit und Betriebsqualität des heutigen Bahnhofs feststeht, kann überprüft werden, ob und in welcher vergleichbaren Qualität Stuttgart 21 überhaupt zu einer Kapazitätssteigerung im Bahnverkehr führen kann.

- Ein Zeitraum von mindestens drei Wochen wird den Experten des Aktionsbündnisses zur Überprüfung der Simulation eingeräumt.

- Der Stresstest kann sachgerecht nicht an einem Nachmittag diskutiert werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass tatsächlich alle Kritikpunkte und Forderungen des Aktionsbündnisses ins Verfahren integriert, von der Bahn bearbeitet und in der Folge auch ein breiter Konsens in der Gesellschaft erzielt wird.

"Die Bahn ist bisher auf keiner unserer Forderungen eingegangen und entfernt sich immer weiter vom Geist des Faktenchecks und verspielt ihre Glaubwürdigkeit. Sie gibt damit den im Faktencheck begonnenen Prozess zur Befriedung des Streits auf und geht auf einen verantwortungslosen Konfrontationskurs", so Frieß. Frieß legt eine umfangreiche Dokumentation vor (siehe Anlage 1), die belegt, dass das Aktionsbündnis seit Dezember 2010 wiederholt eine gleichwertige Beteiligung und Information angemahnt habe. Die Bahn sei auf keinen Vorschlag eingegangen und hielte stur an ihrem intransparenten Verfahren hinter verschlossenen Türen fest. "Wir haben auch den Eindruck, dass die Bahn seit Abschluss der Schlichtungsgespräche ihren Kurs verschärft hat. Noch Ende Dezember 2010 hat Bahnvorstand Dr. Volker Kefer in einem Schreiben an MdL Werner Wölfle zugesagt, dass die Bahn gerne bereit sei, im Anschluss an die von der Bahn durchzuführenden Hausaufgaben die Randbedingungen und Daten des Stresstests nicht nur der SMA, sondern auch dem Aktionsbündnis für eine Überprüfung zur Verfügung zu stellen. Zwei Monate später sei davon keine Rede mehr gewesen", kritisiert Frieß und verweist auf vorliegende Schreiben der Bahn (Auszüge der Schreiben in Anlage 2). Dies belege, dass die Bahn nicht an einer transparenten und ergebnisoffenen Diskussion des Stresstests interessiert sei.

Klaus Arnoldi, Landesvorstand des Verkehrsclub Deutschland (VCD) erläutert die bahnbetrieblichen Anforderungen an einen fachlich korrekten Stresstest aus Sicht des Aktionsbündnisses. "Laut Dr. Heiner Geißler muss beim Stresstest eine gute Betriebsqualität nachgewiesen werden. Für Stuttgart bedeutet dies, dass der Hauptbahnhof seinen Rang als pünktlicher, wenn nicht gar der pünktlichste Großknotenbahnhof in Deutschland behalten und ausbauen muss", so Arnoldi. Stuttgart 21 muss konkret in der Lage sein:

- Verspätungen abzubauen
- Anschlüsse auch bei kleinen Verspätungen einzuhalten. Sichtanschlüsse (ein Zug fährt ein, der Anschlusszug fährt gerade gegenüber ab) sind auszuschließen, dies bedeute, dass am gleichen Gleis mindestens 3 Minuten zu warten ist
- häufig vorkommende Störungen, wie z.B. Störungen im S-Bahn-Tunnel, Liegenbleiben von Zügen im Bahnhof, zumindest in gleicher Qualität zu bewältigen als der Kopfbahnhof
- alle Regionalzüge mit alter Signaltechnick PZB 90 zu fahren, da es unrealistisch ist, dass nur wegen

Stuttgart 21 in den nächsten Jahren/Jahrzehnten alle Regionalzüge auf die neue und teure ECTS-Technik umgestellt werden. "Die jüngst in den Medien bekannt gewordenen Vorbehalte von SMA an den Eingangsdaten zum Stresstest bestätigen uns in unseren Forderungen, auf gleicher Augenhöhe am Verfahren beteiligt zu werden", so Arnoldi.

Die Vertreter des Aktionsbündnisses betonen, dass über den Stresstest hinaus die Bahn noch weitere unerledigte Hausaufgaben machen muss, die erhebliche Auswirkungen auf die Höhe der Baukosten und die Zeitpläne von Stuttgart 21 haben können. "Bevor die Bahn weiterbaut, muss Klarheit über alle noch offenen Genehmigungsfragen und Kostenrisiken bestehen", fordert Rockenbauch. Er verweist auf den trotz Intervention der Landesregierung immer noch unveröffentlichten Bericht des ehemaligen Projektleiters Azer über die Kostenrisiken von Stuttgart 21 sowie auf die noch ungeklärten planerischen und finanziellen Fragen im Filderbereich, bei der geforderten Anbindung der Gäubahn und der Barrierefreiheit des neuen Tiefbahnhofes. Auch müssten die Kosten aufgrund der bevorstehenden Planänderungen für den Fildertunnel sowie für einen erhöhten Brandschutz und der Entrauchung neu kalkuliert werden. Rockenbau abschließend: "Wir wollen den Stresstest - er muss aber transparent, ergebnisoffen und fair diskutiert werden."


*


Quelle:
NABU Pressedienst Nr. 97/2011, 01.07.2011
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
Pressestelle
Charitéstraße 3, 10117 Berlin
Tel.: 030/284 984-1510, -1520, Fax: 030/284 984-84
E-Mail: presse@NABU.de
Internet: www.NABU.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2011