Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → MEINUNGEN

STANDPUNKT/202: Gescheitertes CCS-Gesetz - Menetekel für fossile Kondensationskraftwerke (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 3/2011
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

CCS-Gesetz im Bundesrat gescheitert: Menetekel für die Stromerzeugung in fossilen Kondensationskraftwerken

von Valentin Hollain


Mit dem CCS-Gesetz hat die amtierende Bundesregierung erneut versucht, das Geschäftsmodell fossil-atomarer Grundlastkraftwerke für die nächsten Jahrzehnte zu bewahren und so die Vormachtstellung der Energiekonzerne zu zementieren. Sie würde dafür sogar die gewaltige Fehlallokation von Finanzmitteln für eine zeitlich befristete Sackgassentechnologie in Kauf nehmen. Denn die Errichtung der Infrastruktur für den Abtransport des Kohlendioxids zu vorgeblich geeigneten Lagerstellen würde Milliardenbeträge verschlingen, die doch besser in den Ausbau der Erneuerbaren Energien und der für sie benötigten Netz- und Speicherstrukturen investiert wären.

Ähnlich wie bei der Atomenergie ist aber auch diese Rechnung nicht aufgegangen, denn der Bundesrat hat unter anderem mit den Stimmen von Schleswig-Holstein und Niedersachsen das CCS-Gesetz der Bundesregierung vorerst zu Fall gebracht.

Dies zeigt, dass man selbst in den Schwarz-Gelb regierten Bundesländern nicht gewillt ist, die Politik der Bundesregierung mitzutragen. Klar ist, dass diese Entscheidung durch den enormen Druck der Menschen vor Ort entscheidend beeinflusst wurde. Dies hatte sich schon 2009 beim Scheitern des ersten Gesetzentwurfes gezeigt, zu dem EUROSOLAR mit seinen CO2-Pipelinekarten auf www.eurosolar.org maßgeblich beigetragen hatte. Denn bei den meisten Menschen hat sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass man als Anwohner eines Endlagers oder einer CO2-Pipeline letztlich nur die Risiken für die Profite einiger weniger Akteure zu tragen hat, ganz im Gegensatz zu einem regionalen und dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Regionen neue wirtschaftliche Perspektiven eröffnet.

Schon der Versuch die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern, war systemisch ein Rückschritt, denn ein wachsender Anteil fluktuierender Erneuerbarer Energien im Stromnetz setzt einen Paradigmenwechsel voraus: mehr flexible Erzeugung, intelligentere Netze und Energiespeicher.

In einem solchen System werden atomar-fossile Großkraftwerke nach und nach zu Fremdkörpern und letztlich zu störenden Relikten einer vergangenen Zeit. Aus diesem Grund hat EUROSOLAR in seinem 10-Punkte-Programm zur Energiewende auch ein Verbot für den Neubau fossiler Kondensationskraftwerke gefordert, um keine künstlichen Hindernisse für den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu schaffen.

Offensichtlich ist aber genau das die Strategie der Bundesregierung, die zu diesem Zweck ein riskantes Experiment in Kauf nimmt, denn einmal verpresstes Kohlendioxid lässt sich nicht rückholen. Sollte eine kommerzielle oder Test-Lagerstätte, in die man Millionen Tonnen CO2 hineingedrückt hat, Leck schlagen, gibt es keinen Plan B, dessen muss man sich bewusst sein. Selbst beim Atommüllendlager Asse wird man wohl unter Einsatz von mehreren Mrd. Euro den Atommüll wieder rückzuholen können, ein außer Kontrolle geratenes CO2-Endlager lässt sich nicht eindämmen. Ob ein Endlager in einigen Jahren, Jahrzehnten oder erst in geologisch relevanten Zeitdimensionen Leck schlägt, ist letztlich irrelevant, denn ethisch ist eine solche Hinterlassenschaft, die nicht durch Zerfall des Materials irgendwann ihr Gefahrenpotenzial einbüßt, nicht zu verantworten.

Vor diesem Hintergrund bleibt auch das Argument der einen oder anderen NGO, dass CCS in Schwellenländern oder für die energieintensive Industrie benötigt würde, fadenscheinig, denn die breite Anwendung gefährdet potenziell hunderte Millionen Menschen in Regionen, in denen es keinen Ausweichraum gibt, wie z. B. Indien oder China. Und diese Gefahr resultiert nicht nur aus entweichendem konzentriertem Kohlendioxid, sondern auch aus versalztem und mit Schwermetallen belastetem Grundwasser.

Es ist ein zu bequemes Argument, das einer konfliktscheuen Haltung entspringt. Denn wenn wir jetzt die Chance versäumen, ein regeneratives Energiesystem zu etablieren, senden wir ein falsches Signal an andere Länder. Nur ein konsequenter Ausstieg aus einem fossil-atomaren Energiesystem erleichtert es den Bürgern in anderen Ländern wie Großbritannien, Frankreich oder den USA, deren Regierungen so offensichtlich die Interessen der fossil-atomaren Interessengruppen bedienen, einen Kurswechsel einzufordern. Gerade in den USA scheut die fossile Kraftwerkslobby nicht mehr davor zurück, die Klimaforschung nach Kräften zu diskreditieren, um ihre Macht zu festigen.

Mit Erfolg, denn inzwischen ist trotz erdrückender Faktenlage weniger als die Hälfte der Amerikaner davon überzeugt, dass der Klimawandel wirklich existiert und voranschreitet. Mit diesen Akteuren darf und kann man sich nicht arrangieren. Dies gilt aber auch für das Bundesland Brandenburg, dessen amtierende Landesregierung unbeirrbar auf seinem CCS-Kurs beharrt. Spätestens nach zwei gescheiterten Anläufen gegen den Willen der Menschen in diesem Land sollte doch klar sein, dass CCS hierzulande keine Zukunft hat und das ist ein gutes Zeichen für die Entwicklung der Erneuerbaren Energien und damit auch wirksamen Klima- und Ressourcenschutz. Wir sollten diese Chance nutzen, um zu zeigen, dass CCS auch global keine Zukunft hat.

Valentin Hollain ist wissenschaftlicher Leiter bei EUROSOLAR


*


Quelle:
Solarzeitalter 3/2011, 23. Jahrgang, S. 24-25
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien
Redaktion: EUROSOLAR e.V.
Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien
Kaiser-Friedrich-Straße 11, 53113 Bonn
Tel. 0228/36 23 73 und 36 23 75, Fax 0228/36 12 79 und 36 12 13
E-Mail: info@eurosolar.org
Internet: www.eurosolar.org

Erscheinungsweise: vierteljährlich
Jahresabonnement: 20,- Euro zuzüglich Porto.
Für Mitglieder von EUROSOLAR im Beitrag enthalten


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2011