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STANDPUNKT/430: Hochwasser - Der Klimawandel muß endlich ernst genommen werden (NaturFreunde)


NaturFreunde Deutschlands - 10. Juni 2013

Hochwasser: Der Klimawandel muss endlich ernst genommen werden

Schwarz-gelbe Verwässerungstaktik wie im Jahr 2002 darf sich nicht wiederholen



Berlin, 10. Juni 2013 - Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands und im Jahr 2002 Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Hochwasserschutzgesetz", beschreibt nochmals detaillierter die Umstände, die nach dem "Jahrhunderthochwasser" von 2002 zu einer Verwässerung eines effektiveren Hochwasserschutzes geführt hatten.

Nach dem "Jahrhunderthochwasser" von 2002 hatte die rot-grüne Bundesregierung ein Hochwasserschutzgesetz vorgelegt. Ausgangspunkte für das Gesetz waren:

• die Erfahrungen der vorangegangenen Flut;

• der Fünf-Punkte-Plan der Bundesregierung, der noch vor der damaligen Bundestagswahl verkündet worden war;

• die Untersuchungen von Umweltbundesamt und Bundesamt für Gewässerschutz, die beide zu dem Ergebnis gekommen waren, dass Starkregen in Deutschland zunehmen werde und man schon klimabedingt nicht mehr von den Erfahrungen der Vergangenheit ausgehen dürfe, sondern eine höhere Hochwassergefahr berücksichtigen müsse.

Der rot-grüne Gesetzesentwurf orientierte sich am sogenannten "200-jährigen Hochwasserschutz". Dieser sah nicht nur eine Ausweitung von Überflutungsgebieten und - wo immer möglich - den Rückbau von Flüssen vor, sondern auch entsprechende direkte Schutzmaßnahmen, etwa eine Kartierung und Überplanung von Bächen und Flüssen nach der Vorgabe des "200-jährigen Hochwassers" sowie Einzelmaßnahmen wie etwa das Verbot von Tankanlagen, Erdölheizungen oder Elektrizitätseinrichtungen in den kartierten Gebieten.

Beschlossen wurde das Gesetz schließlich im Bundestag gegen die Fraktionen von CDU/CSU (mit der damaligen Parteivorsitzenden Angela Merkel) und FDP (mit dem damaligen Parteivorsitzenden Guido Westerwelle). Allerdings war das Gesetz zustimmungspflichtig durch den Bundesrat, da es in die Befugnisse von Ländern und Kommunen eingriff.

Wochenlange Vermittlungsbemühungen stießen auf schwarz-gelben Granit

Die damalige schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat rief daraufhin den Vermittlungsausschuss an, der eine zwölfköpfige Arbeitsgruppe unter meinem Vorsitz einrichtete. Wir tagten wochenlang, oft bis spät in die Nacht hinein, stießen aber auf Granit der CDU-/CSU- und FDP-regierten oder mitregierten Länder. Zu den Blockierern gehörte zudem Rheinland-Pfalz.

Strikt dagegen waren sechs Vertreter von CDU/CSU, darunter Bayern, Baden-Würtemberg und Sachsen. Brandenburg versuchte, eine vermittelnde Rolle einzunehmen. Eindeutig für das rot-grüne Hochwasserschutzgesetz waren die Vertreter der Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen (Ulrike Mehl, Michael Müller und der Vertreter der Grünen) sowie Nordrhein-Westfalen. Das Gesetz ließ sich damit in der notwendigen Fassung nicht durchsetzen. Heraus kam - unter Protest - ein abgeschwächter Vorschlag.

Nach diesen Erfahrungen, die mich damals fast zum Verzweifeln gebracht hatten, kann ich nur hoffen, dass es im Jahr 2013 nicht zu ähnlichen Entwicklungen kommen wird: Große Ankündigungen, solange der Scheinwerfer der öffentlichen Berichterstattung auf das Hochwasser gerichtet ist und anschließend ein "Abtauchen" in einem anderen Sinne.

Die Klimaforschung prognostiziert häufigere Starkregen

Klimabedingt wird es zu einem weiteren Anstieg der Verdunstung und Feuchtebildung in der unteren Atmosphäre kommen, damit zu häufigeren Starkregen und zu Veränderungen im Flussregime. Insofern müssen immer häufiger "200-jährige Hochwasser" befürchtet werden, zumal es beim Klimaschutz auch nicht zu den Fortschritten kommt, die längst überfällig sind.

Tatsächlich zeigt sich beim Hochwasserschutz - übrigens genauso wie bei der Finanzkrise - wieder einmal ein unschönes Bild der Politik: Erst wenn die Katastrophe da ist, kündigt sie Reaktionen an, um schließlich wenig bis gar nichts zu tun.

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Quelle:
Presseinformation vom 10.06.2013
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2013