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STANDPUNKT/947: Autobahnprivatisierung - Kuhhandel auf Kosten von Demokratie, Umwelt und Gemeinwohl (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 134/3.2017

Autobahnprivatisierung: Kuhhandel auf Kosten von Demokratie, Umwelt und Gemeinwohl

Von Monika Lege


10 Milliarden Euro haben die Bundesminister Dobrindt, CSU, und Schäuble, CDU, den MinisterpräsidentInnen der Länder für ihre Zustimmung zur Bundesfernstraßengesellschaft zugesagt. Zu diesem Preis und auf Kosten von Demokratie und Bürgerrechten haben Bundestag und Bundesrat am 1. und 2. Juni zugestimmt, eine "Gesellschaft privaten Rechts" für den Bau und Betrieb von Bundesfernstraßen in Art. 90 (2) des Grundgesetzes zu schreiben. Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) bekommen so Verfassungsrang.

Die große Koalition hat ihre Mehrheit buchstäblich auf den letzten Drücker vor der Wahl genutzt, um die formale Privatisierung von Fernstraßen mit 455 Ja-Stimmen im Bundestag auf höchste Gesetzesebene zu heben. Der Protest unseres Bündnisses gegen Privatisierung hat dazu geführt, dass die Abstimmung um zwei Wochen verschoben wurde. Nach lautstark über die Medien orchestrierten Nachverhandlungen lobten sich die Regierungsparteien gegenseitig für nachrangige Gesetze, die angeblich eine materielle Privatisierung nach dem Pfusch am Grundgesetz erschweren. Doch diese mit der heißen Nadel gestrickten Gesetze können mit einfacher Mehrheit wieder gekippt werden.

Die Berichterstatterin der SPD, Bettina Hagedorn, sprach am 1. Juni in der Bundestagsdebatte vor der Abstimmung von einer "Sternstunde des Parlaments". Doch unmittelbar im nächsten Satz offenbarte sie den 10-Milliarden-Euro-Kuhhandel mit den Ländern mit den Worten "es ist ein Paket, es ist ein Paket, es ist ein Paket". Sogar ihr Fraktionskollege Johannes Kahrs bemängelte anschließend vom gleichen Rednerpult, dass "wir Abgeordneten nicht beteiligt waren". Die Abgeordneten entmachten sich selbst und die BürgerInnen. Denn wenn schon die Mitglieder des Bundestages nicht beteiligt wurden, waren es die Bürgerinnen und Bürger noch viel weniger.

Am 2. Juni hat in einem verkürzten Verfahren der Bundesrat der Grundgesetzänderung zugestimmt. Das Eilverfahren zur Grundgesetzänderung ist beispiellos. Das intransparente und undemokratische Verfahren passt zum Projekt: Eine privatrechtlich verfasste Autobahngesellschaft blockiert nicht nur eine integrierte Verkehrsplanung zum Schutz von Klima und Umwelt. Sie hebelt auch die jetzt schon unzureichende Bürgerbeteiligung beim Fernstraßenbau aus.

Mobilität ist ein Grundbedürfnis und Teil der Daseinsvorsorge. Eine privatrechtliche Gesellschaft für den Bau und Betrieb von Straßen dient nicht dem Gemeinwohl und hat im Grundgesetz nichts zu suchen. Auf bis zu 200 Milliarden Euro wird der Wert des deutschen Autobahnnetzes geschätzt. Die Bundesautobahngesellschaft würde das Ziel der integrierten Verkehrsplanung endgültig beerdigen. Es ginge dann um die Durchsetzung von Straßenbau-Prestigeprojekten zu Lasten von Klimaschutz und Natur.


Monika Lege, verkehr@robinwood.de ROBIN WOOD-Fachreferentin Mobilität

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 134/3.2017, Seite 18 - 19
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2017

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