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STANDPUNKT/1014: 100 Tage GroKo - eine durchwachsene Öko-Bilanz (NABU)


Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. - Pressedienst, 19. Juni 2018

NABU zu 100 Tage GroKo: Durchwachsene Öko-Bilanz

Tschimpke: Kabinett Merkel verliert Nachhaltigkeitsziele aus dem Blick - Finanzierung für "Aktionsprogramm Insektenschutz" sicherstellen


Berlin - Mit Blick auf die ersten 100 Tage der Großen Koalition zieht der NABU eine durchwachsene Öko-Bilanz. Brennende Themen wie Insektensterben, Klimaschutz, Diesel-Skandal und Plastikflut seien zwar in der öffentlichen Debatte, bei der Lösung dieser Probleme sei das Kabinett Merkel kaum vorangekommen. Deutschland drohen nicht nur Strafen der EU, wenn deren Umweltrecht weiter systematisch gebrochen wird, sei es bei der Belastung des Grundwassers, der Luft in Städten oder dem Erhalt geschützter Arten. Die klaffende Finanzierungslücke von einer Milliarde Euro jährlich im deutschen Naturschutz wird eingeräumt, aber nicht gestopft. Auf globaler Bühne droht ein Glaubwürdigkeitsverlust, denn von den weltweiten Nachhaltigkeitszielen (SDGs) ist Deutschland noch weit entfernt. Bis 2020 verlangen diese eine Trendwende für die Artenvielfalt, bis 2030 eine wirklich nachhaltige Landwirtschaft.

"Konzepte gegen den Artenschwund, eine andere Agrarpolitik und für mehr Klimaschutz liegen auf dem Tisch, jetzt muss die Politik liefern", sagt NABU-Präsident Olaf Tschimpke. In der EU-Agrarpolitik muss die Bundesregierung in den nächsten Monaten zweckgebundene Fördermittel für den Schutz der biologischen Vielfalt einfordern, sowie starke Standards für gesunde Böden und sauberes Grundwasser. Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner lasse trotz eindeutiger Aussagen im Koalitionsvertrag weiter alle Welt im Unklaren darüber, wie sie auf EU-Ebene verhandeln will. Beim Agrarrat am vergangenen Montag habe sie vor allem betont, was sie alles nicht wolle. Wie die Umweltbilanz der Agrarpolitik konkret verbessert werden soll, zum Beispiel durch rechtsverbindliche Finanzierung von Naturschutzmaßnahmen der Landwirte, ließ sie offen. Tschimpke: "Die Bundesregierung hat jüngst selbst eingeräumt, dass jährlich eine Milliarde Euro fehlen um die Verpflichtungen Deutschlands unter den EU-Naturschutzrichtlinien zu erfüllen. Klar ist auch, dass diese Geld zum allergrößten Teil aus der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU kommen muss - doch die zuständige Ministerin unternimmt keinerlei Anstrengungen in diese Richtung, wie ihre 100-Tage-Bilanz verrät."

Das von der Bundesregierung vorgelegte Eckpunktepapier zum "Aktionsprogramm Insektenschutz" ist ein Schritt in die richtige Richtung, "Die Systemrelevanz der Insekten für unsere Volkswirtschaft ist erkannt. Es gibt viele gute Ansätze und Handlungsideen. Aber noch ist leider nicht erkennbar, dass eigenes Geld in die Hand genommen werden soll. Das Programm kann nur erfolgreich sein, wenn die Finanzierung sichergestellt ist. Zur Rettung der Banken hat die Bundesregierung Milliarden in die Hand genommen. Mit Ankündigungen wird die Rettung der Insekten nicht erfolgen", so Tschimpke.

Im Klimaschutz habe sich die Bundesregierung innerhalb der ersten 100 Tage als handlungsunfähig präsentiert. Statt Maßnahmen auf den Weg zu bringen, um die Lücke zum Erreichen der Klimaziele 2020 zu schließen, überträgt sie diese Arbeit der Kohlekommission. Auf europäischer Ebene sabotiert die Bundesregierung die klimapolitisch notwendige Steigerung der Effizienz- und Erneuerbaren-Energien-Ziele. Ein Gesamtkonzept für die Wärmewende ist ebenfalls nicht in Sicht - nicht mal die nötigen Finanzierungen der Einzelmaßnahmen, wie steuerliche Anreize zur energetischen Modernisierung, sind eingeplant. "Vom früheren Umweltminister ist nichts mehr übrig. Als Energie- und Wirtschaftsminister bremst Peter Altmaier die Energiewende aus, blockiert den CO2-Preis und in Brüssel ehrgeizigere Klimaziele", so Tschimpke. Wichtiger wäre es, in Deutschland die dreckigsten Kohlekraftwerke schnell abzuschalten.

Völlig unzureichend bewertet der NABU die bisherige Bilanz der Verkehrspolitik. Fast drei Jahre nach Beginn des Dieselskandals werden die Luftschadstoffgrenzwerte immer noch viel zu oft überschritten, das Vertrauen in die Dieseltechnologie ist ins Bodenlose gefallen und zu einer Nachrüstung mit wirksamer Abgastechnologie hat sich die Bundesregierung immer noch nicht durchringen können. "Die Strategie der Bundesregierung, der Autoindustrie nicht zu sehr auf die Finger zu schauen und mit Software-Updates die Luft sauber zu kriegen ist krachend gescheitert", so Tschimpke. Ob es der Bundesregierung mit einer Senkung der Kohlendioxidemissionen im Verkehrsbereich ernst ist, wird sich am heutigen Mittwoch zeigen, wenn die zuständigen Minister über die CO2-Grenzwertverordnung für Pkw der EU-Kommission verhandeln.

Positiv wertet der NABU, dass Kanzlerin Merkel sich offen für eine Kunststoffsteuer zeigt. Der NABU sieht in einer Materialsteuer einen wichtigen Baustein, um die Meere besser vor der zunehmenden Plastikvermüllung zu schützen. Auch mit Blick auf den von China verhängten Importstopp von Plastikabfall appelliert der NABU an die Große Koalition, darin eine Chance für eine neue Ressourcenpolitik zu sehen. 31 Kilo Plastikmüll pro EU-Bürger pro Jahr sind zu viel. "Auch Deutschland hat sich viel zu lange auf niedrigen Recyclingquoten ausgeruht und auf Verbrennung gesetzt. Die Vermeidung von Einweg-Plastik muss endlich Priorität haben. Eine Materialsteuer, die bei den Plastikproduzenten ansetzt, könnte erheblich zur Kunststoffvermeidung und zu besserem Recycling beitragen", so Tschimpke.

Beim Umgang mit dem europaweit streng geschützten Wolf fordert der NABU die Bundesregierung auf, die 2015 eingesetzte Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) als beratendes Expertengremium und wesentliches Element für ein hochwertiges, länderübergreifendes Wolfs-Monitoring auch über den Herbst 2018 hinaus zu sichern. Die Bundesregierung hat in den ersten 100 Tage wichtige Zeit verstreichen lassen und bisher keinerlei Signale gesendet, aktiv zu werden.

Mehr Infos: www.NABU.de/GroKo

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Quelle:
NABU Pressedienst, Nr. 073/18, 19.06.2018
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
Pressestelle
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Tel.: 030/284 984-1510, -1520, Fax: 030/284 984-84
E-Mail: presse@NABU.de
Internet: www.NABU.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2018

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