BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein
An die Medien - 4. Dezember 2018
Hintergrund: 2018 Umweltpolitischer Rückblick auf das Jahr 2018
Das Jahr 2018 war für den BUND am Oberrhein ein Jahr mit Erfolgen und Niederlagen.
Wir leben in Zeiten, in denen Demokratie, Freiheit und Frieden in der Welt, in Europa, aber auch bei uns zunehmend gefährdet sind. Gerade in solchen Zeiten muss sich auch die Zivilgesellschaft zu Wort melden und sich für Demokratie, Freiheit, Frieden, Nachhaltigkeit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit, soziale Gerechtigkeit und die Werte der Aufklärung einsetzen. Der BUND am südlichen Oberrhein ist Teil dieser wertebewahrenden Zivilgesellschaft. Naturschutz, Umweltschutz und Nachhaltigkeit brauchen einen demokratischen Rahmen.
Es empört uns, dass Banken und Millionäre
uns und unsere Finanzämter (bisher) ungestraft mit Cum-Ex Geschäften
um 55 Milliarden Euro betrügen konnten. Dieses unglaubliche Unrecht,
das erschreckend wenig Empörung ausgelöst hat, erinnert uns an die
ungesühnten großen Umweltverbrechen der letzten Jahrzehnte. In der
Vergangenheit konnten sich in fast allen großen Umweltprozessen
(Bhopal, Seveso, Asbest, Bayer-Holzschutzgiftprozess, Contergan,
Diesel-Betrug...) die großen Konzerne und die Verursacher von Leid,
Tod und Krankheit mit teuren Anwälten und teilweise lächerlichen
Entschädigungszahlungen fast ungestraft aus der Affäre ziehen. "Die
Gerechtigkeit und das Recht sind wie ein Spinnennetz. Die Kleinen hält
es fest, die Großen zerreißen es einfach.", heißt ein altes
lateinisches Zitat.
100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges
wurde viel von Frieden geredet und geschrieben und gleichzeitig massiv
aufgerüstet. Der Rüstungsanteil am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland
liegt zurzeit bei 1,2 Prozent - bis 2020 soll der Verteidigungsetat
weiter steigen und die perfekt inszenierten PR-Kampagnen für mehr
Aufrüstung laufen (fast) unwidersprochen. Um das von Herrn Trump
geforderte Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen, müsste Deutschland mehr als
75 Milliarden Euro (75.000.000.000) für das Militär ausgeben und die
Rüstungsausgaben fast verdoppeln. Es passt in die zeitgemäßen
Durchsetzungsstrategien, dass Medien, Parteien und Rüstungslobby
lieber von 2% reden, als von jährlich 75 Milliarden Euro.
Der Sommer 2018 war extrem heiß und trocken,
ein "Jahrhundertsommer", wie wir ihn zwischenzeitlich aufgrund des
Klimawandels in immer kürzeren Abständen erleben.
Schwerpunkt der Hitze-Berichterstattung war die Forderung der
Landwirtschaftsverbände nach Entschädigung. Doch der BUND am Oberrhein
erinnerte auch an die anderen Folgen der Hitze und Trockenheit. Auch
wenn die Hitze und ihre Auswirkungen in Deutschland nicht ganz an das
Jahr 2003 heranreichten, so starben auch im Jahr 2018, aufgrund der
Hitze, Menschen (nicht nur) in Alten- und Pflegeheimen. Noch zwei,
drei solcher Hitzesommer und Trockenjahre und wir werden den
Schwarzwald nicht wiedererkennen. Wer heute mit offenen Augen durch
den Schwarzwald fährt und geht, erkennt massive, akute Waldschäden,
die stark an die Schadbilder der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts
erinnern.
Der Ausstieg aus den fossilen Energien und der Wechsel zu
umweltfreundlichen Energiequellen könnten die Probleme zumindest
ansatzweise lösen. Doch industriegelenkte und industrienahe
Klimawandelleugner, Bürgerinitiativen gegen Windkraft und die Deutsche
Wildtierstiftung bekämpfen mit vorgeschobenen Naturschutzargumenten
überall in Deutschland die umweltfreundlichen, zukunftsfähigen
Energien. Die Atomkonzerne nutzen den Klimawandel um mit der
Tarnorganisation Nuclear Pride Coalition für AKW zu werben.
Im Jahr 2018 ist das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn
gestorben.
Es ist gut und wichtig, dass sich Medien und Öffentlichkeit verstärkt
mit Themen wie der Ausrottung der Nashörner in Afrika und Asien
beschäftigen. Doch unsere "badischen Nashörner" sind Wolf, Luchs,
Wildkatze und Schmetterlinge. Für sie tragen wir Verantwortung.
Fünf Mal gab es in den vergangenen 540 Millionen Jahren gewaltige
Artensterben, zeigen Fossilienfunde. Forscher sehen eine aktuelle,
menschengemachte, sechste Welle in vollem Gange und das auch am
Oberrhein. Nach einem Bericht der Vereinten Nationen zur Artenvielfalt
sterben bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten täglich aus. Der Mensch im
Anthropozän hat auf die Artenvielfalt langfristig eine "ähnlich
verheerende" Wirkung wie der große Meteor-Einschlag vor 65 Millionen
Jahren, der die Dinosaurier ausrottete.
Die zu bauende Arche kann kleiner ausfallen.
Vor zwei Jahren haben wir bundesweit mit als Erste begonnen,
mit Presse- und Internetarbeit und vielen kleinen Anzeigen auf das
stille Insektensterben und seine Ursachen aufmerksam zu machen. Zwei
Jahre später und zehn Jahre nach der großen Bienenvergiftung in
Südbaden haben wir endlich auch erfreuliche Teilerfolge erzielt. Gegen
den heftigsten Widerstand der Agrochemielobby ist es endlich gelungen,
zumindest drei besonders gefährliche Neonicotinoide zu verbieten. Der
wichtige Streit um Neonics hat den kleinen BUND am Oberrhein im Jahr
2013, in einem massiven juristischen Konflikt mit dem Chemiegiganten
Bayer, viel Geld gekostet. Umso mehr freuen wir uns über den Erfolg
für die Natur. Aber noch sind manche Neonics erlaubt und der BUND muss
darauf achten, dass die Folgegifte nicht ähnlich problematisch sind.
Wir freuen uns über den Teilerfolg, wissen aber genau, dass das alles
noch lange nicht reicht, um das regionale und globale Artensterben
auch nur zu bremsen. Und mit Sorge blicken wir auf die geschickten
Ablenkungsmanöver der Agrochemielobby. Wir freuen uns über jeden
blühenden Ackerrandstreifen, wissen aber auch, dass ein
spritzmittelvergifteter Blühstreifen eine hübsch anzusehende
Todesfalle für Insekten ist.
Auch die "schwierigen" regionalen Themen
wie das IRP und der massive Flächenverbrauch waren Themen des
BUND-Regionalverbandes. Gerade das Problem der zunehmenden
Zersiedelung ist im Umland Freiburgs noch viel ausgeprägter als in der
Stadt selbst. Bei vielen Themen stehen wir im Spannungsfeld zwischen
dem notwendigen Schutz der Natur in Zeiten des Artensterbens und
sozialer Mitverantwortung.
Der ständig expandierende Europapark Rust
plant eine Seilbahn über das Naturschutzgebiet Taubergießen. Die
Naturschutzverbände und Planungsbehörden waren vom Vorstoß Herrn
Macks, einer der mächtigsten und einflussreichsten Personen in
Südbaden, überrascht. Einer der genialsten Schachzüge der
Werbeabteilung von Herrn Mack ist es, aus dem naturgefährdenden
Projekt eine "Vision für Europa" zu machen. Dennoch lehnen die
badisch-elsässischen Umweltverbände dieses Projekt einhellig ab -
Verbände, die das Europa der Menschen seit Jahrzehnten praktizieren.
Im Jahr 2017 besuchten mehr als 5,6 Millionen Besucher den Park und
nach der Erweiterung sollen es noch einmal 800.000 mehr werden. Doch
schon jetzt sind die Parkplätze häufig übervoll und BesucherInnen
müssen nach Hause geschickt werden. Den alten Forderungen des BUND
nach einer besseren Anbindung des Parks an den ÖPNV und nach einem
nicht ganz so flächenfressenden, mehrgeschossigen Parkhaus ist der
Europapark leider nicht nachgekommen. Jetzt rächen sich die Fehler der
Vergangenheit. Eine Seilbahn zu einem neuen, flächenfressenden,
ebenerdigen Parkplatz im Elsass ist kein ökologischer Fortschritt.
Bitcoin: Gier und Stromverbrauch
In diesem Jahr waren wir der erste Umweltverband, der auf den
unglaublichen Energieverbrauch der Bitcoin-Gier aufmerksam gemacht
hat. Hält der Trend an, könnte die Kryptowährung in wenigen Jahren so
viel Energie verschlingen wie derzeit alle Solaranlagen weltweit
erzeugen. Es ist unsere BUND-Aufgabe, früh auf solche
Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen.
Fessenheim-Abschaltung 2020!?
Das alte Atomkraftwerk Fessenheim wird nach Angaben von Frankreichs
Staatspräsident Macron im Jahr 2020 abgeschaltet. Für die Bevölkerung
und den BUND am Oberrhein ist das nun die neunte Ankündigung eines
Abschalttermins für das älteste AKW Frankreichs.
Bei der vorletzten Ankündigung hatten wir "ein neues, rechtlich
wasserdichtes Dekret" von Herrn Macron verlangt. Die Ankündigung des
französischen Präsidenten nehmen wir zwischenzeitlich
erfreut-hoffnungsfroh-illusionslos zu Kenntnis. Wir halten einen
Abschalttermin 2020 für möglich und wir hoffen, dass die beiden alten
Reaktoren so lange durchhalten. Die Gefahr eines extrem schweren
Unfalls ist aber erst gebannt, wenn die Reaktordruckbehälter und die
extrem unsicheren Zwischenlagerbecken entleert sind. Es freut uns,
dass auch andere französische Reaktoren abgeschaltet werden sollen.
Während wir mit Sorge nach Fessenheim, Leibstadt und Beznau
schauen
beginnen perfekt organisierte, globale Kampagnen für neue AKW. Nach
Fukushima war die Atomlobby für kurze Zeit ein wenig in Deckung
gegangen. Aufgegeben hat sie nicht. Jetzt beginnt eine massive,
globale Werbekampagne für die Gefahrzeitverlängerung der bestehenden
Reaktoren und für neue AKW. Die Atom-Propaganda wurde optimiert und
die Konzerne treten nicht mehr öffentlich in Erscheinung. PR-Agenturen
gründen Schein-Bürgerinitiativen und rechte und neoliberale Netzwerke
rühren die Werbetrommel. In der Nuclear Pride Coalition, tarnen sich
Lobbyisten als Umwelt-Aktivisten und weltweit spielen
Vorfeldorganisationen der Konzerne Umweltbewegung. Solche PR-Kampagnen
wurden in der Vergangenheit häufig begleitet von bezahlten Trollen,
die unter wechselnden Identitäten Hunderte von Leserbriefen schreiben
und die Internetforen (nicht nur) der Medien mit Werbebotschaften
fluten. Auch Wikipedia-Manipulation gehört zum Alltagsgeschäft von
Werbeagenturen und Atomkonzernen.
Ein Maisfeld auf der Landesgartenschau in Lahr
löste einen Streit zwischen uns und dem Landwirtschaftsamt Ortenau
aus. Auf Tafeln wurde ausgerechnet die Monokultur Mais als tolles
Biotop für bedrohte Arten dargestellt. Wir bezeichneten diese Infos
als Fake-News und schrieben, dass sich im Mais wohl eher der
Maiswurzelbohrer, der Maiszünsler und das Wildschwein wohlfühlen. Die
Presse hat erfreulich kritisch über diesen Konflikt berichtet.
Versalzenes Grundwasser
Neben Nitrat, Agrargiften und Altlasten ist insbesondere das Salz
eines der großen Grundwasserprobleme in der Rheinebene.
Im Elsass wird gerade für unglaublich viel Geld die marode
Giftmülldeponie Stocamine - die "kleine Asse" am Oberrhein -, saniert.
Die hohen Kosten wären den SteuerzahlerInnen erspart geblieben, wenn
auf die frühe Kritik von Alsace Nature und BUND-Regionalverband gehört
worden wäre.
In Buggingen versalzt seit Jahrzehnten
der Abraumhügel "Kalimandscharo" das Grundwasser. Eine Anzeige unseres
BUND-Regionalverbandes hatte vor vielen Jahrzehnten eine große Razzia
und polizeiliche Durchsuchungsaktion bei der Kali und Salz AG
ausgelöst. Vor 10 Jahren bestätigte ein Gerichtsurteil die
Verantwortung der Kali und Salz AG für dieses Problem und durchkreuzte
die Konzernpläne, die Sanierungskosten auf die SteuerzahlerInnen
abzuwälzen. Doch mit zunehmendem Ärger müssen wir feststellen, dass
sich im Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald in Sachen Sanierung wenig
tut. Die Behörde sollte endlich einmal in die Gänge kommen, den
Salzberg sanieren und die Rechnung an die Kali und Salz AG senden. Zu
diesem Thema hat der BUND im Dezember 2018 eine große Postkartenaktion
an das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald gestartet.
Erfolge
Da ist das für die Insekten so wichtige, lang erkämpfte Teilverbot für
Neonicotinoide. Der BUND hat mit dem Urteil vom 5.10.2018 einen
vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst erreicht. Das Urteil sagt
jedoch nichts über die Zukunft des Hambacher Forstes aus. Es ist aber
ein kleiner Schritt zur Entschleunigung der globalen
Zerstörungsprozesse. Ein schöner Erfolg war die erfolgreiche Gründung
eines BUND-Arbeitskreises-Botanik. Unsere regionalen Veranstaltungen,
Exkursionen und Lesungen waren gut besucht und wir freuen uns über die
erfreuliche Zusammenarbeit mit unserer elsässischen
Schwesterorganisation Alsace Nature. Wir stellen unsere Texte nicht
einfach so in's Netz, wir kämpfen um das Internet! Auf unserer kleinen
regionalen Internetseite www.bund-rvso.de waren täglich fast 5.000
verschiedene BesucherInnen und wir haben über 3.000 Nistkästen
verkauft.
So arbeiten wir - eingebunden in das Netzwerk der BUND-Aktiven - an den kleinen und großen Umwelt- und Naturschutzthemen in Südbaden und der Welt und sind manchmal verzagt angesichts der uns umgebenden Zerstörung und manchmal hoffnungsvoll angesichts von mühsam errungenen Erfolgen.
Axel Mayer, BUND Geschäftsführer
http://www.bund-rvso.de/2018-umweltpolitischer-jahres-rueckblick.html
*
Quelle:
Mitteilung an die Medien vom 04.12.2018
Herausgeber:
Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein
Wilhelmstr. 24a, 79098 Freiburg
Tel.: 0761/30383, Fax: 0761/23582
E-Mail: bund.freiburg@bund.net
Internet: www.bund-freiburg.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2018
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