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STANDPUNKT/1132: Weiter geht's! (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 142/3.2019

Weiter geht's!
Der Konflikt um das Ende der Kohle ist noch lange nicht befriedet

von Ronja Heise


Spätestens seit Ende Juni sollten alle verstanden haben: Der Bundesregierung ist es nicht gelungen mit der Kohlekommission der Anti-Kohle Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Im Gegenteil, die Proteste gewinnen weiter an Stärke. Am Wochenende vom 27. bis 23. Juni 2019 haben so viele Menschen wie noch nie zuvor gemeinsam gegen Kohle, für Klimagerechtigkeit und für den Erhalt der Dörfer protestiert.


An dem Wochenende im Juni hat die Anti-Kohle- und Klimabewegung ein beeindruckendes Zeichen gesetzt. Nicht nur durch die überwältigende Zahl der Protestierenden - ca. 55.000 - sondern auch und vor allem durch das breite Spektrum an Akteuren und die Vielfalt der Aktionsformen. Von den Fridays for Future-Demos über die gemeinsame Veranstaltung der Umwelt NGOs mit dem 'Alle Dörfer Bleiben'-Bündnis bis zu den Aktionen Massenhaften Zivilen Ungehorsams von Ende Gelände: Ende Juni protestierten alle gemeinsam.

Diese wachsende Stärke der Klimabewegung wird auch von Polizei, RWE und der Politik wahrgenommen. Das zeigt sich eindrucksvoll an dem enormen Aufwand, mit dem sie versucht haben, im Vorfeld den Protest zu erschweren und die Protestierenden einzuschüchtern und zu spalten.

Dabei gab es einiges, das eher nach panischer Kurzschlusshandlung als nach wohlüberlegter Strategie aussah. So verschickte die Polizeidirektion Köln Anfang Juni Briefe an alle Schulen im Bezirk Aachen, in denen sie die Schüler*innen warnte, sich von Ende Gelände 'instrumentalisieren' zu lassen. Darin stellte die Polizei verschiedene falsche Behauptungen über das Protestbündnis und ihre Aktionsform auf, die sie nach kritischen Rückfragen der Tageszeitung taz kleinlaut revidieren musste. Wenige Tage später veröffentlichten sowohl mehrere Umweltschutzorganisationen, als auch Fridays for Future-Solidaritätserklärungen mit Ende Gelände.

Auch RWE sorgte kurz vor dem Protestwochenende für zusätzliche mediale Aufmerksamkeit für das Protestbündnis. Der Konzern forderte kurz hintereinander Katrin Henneberger und Daniel Hofinger, zwei der Ende Gelände Pressesprecher*innen auf, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen bzw. eine Vertragsstrafe in Höhe von 50.000 EUR zu zahlen. Die Begründung in beiden Fällen: Die Klimaaktivist*innen hätten das Unternehmen öffentlich kritisiert und zu Aktionen zivilen Ungehorsams gegen RWE aufgerufen. Ein bisher so nicht dagewesenes Vorgehen, das von Ende Gelände als Versuch kritisiert wurde, ihre Pressesprecher*innen mundtot zu machen. Weder Daniel noch Katrin lassen sich jedoch einschüchtern und machten sowohl vor als auch während der Aktion weiterhin engagiert Pressearbeit.

Es gibt noch viele Beispiele, wie versucht wurde den Kohlegegner*innen an diesem Protestwochenende Steine in den Weg zu legen. Von der in letzter Minute gerichtlich durchgesetzten Genehmigung eines Camp-Ortes - der dann auch noch mehr als 20 Kilometer von dem Ort des Protestes entfernt war - bis zur stundenlangen Sperrung des nächstgelegenen Bahnhofs und der wiederholten Weigerung der Polizei die Aktivist*innen zu angemeldeten Versammlungen durchzulassen.

Es spricht für die unglaubliche Energie und Entschlossenheit der Protestierenden, dass dieses Wochenende trotzdem so erfolgreich war. Die Ende Gelände Aktivist*innen - von denen ein großer Teil dieses Jahr das erste Mal dabei war - passten ihre Pläne immer wieder spontan an, liefen dutzende Kilometer zu Fuß, übernachteten zwischendurch auf freier Fläche und schafften es so in einem Zeitraum von drei Tagen einen Tagebau und zwei Kohlebahnen zu besetzen. Die symbolische Sitzblockade zwischen Tagebau und dem Dorf Keyenberg, organisiert von 'Alle Dörfer Bleiben' gemeinsam mit verschiedenen Umwelt NGOs, schuf eine wichtige zusätzliche Protestmöglichkeit und eine direkte Verbindung mit dem Widerstand in den von der Braunkohle bedrohten Dörfern. Und Fridays for Future trugen mit ihrer großen internationalen Mobilisierung wesentlich dazu bei, dass das Rheinland an diesem Wochenende zur internationalen Schaubühne des Klimaprotestes wurde.

Auch wenn unterschiedliche Protestformen gewählt wurden: Allen, die Ende Juni gemeinsam auf der Straße, der Schiene oder im Tagebau unterwegs waren ist wohl klar, wie viel gerade auf dem Spiel steht und wie viel noch zu tun ist. RWE und auch die anderen Braunkohleunternehmen MIBRAG und LEAG, rücken nicht von ihrem Vorhaben ab, weiter Dörfer in den Revieren zu zerstören. Laut Anwohner*innen hat RWE sogar die Umsiedelung und Zerstörung der Dörfer in den letzten Monaten forciert. Selbst in Orten, die die Bagger nie mehr erreichen werden, fällte das Unternehmen Bäume und ließ Häuser abreißen.

Auch der Hambacher Forst ist trotz der massenhaften Proteste und des einstweiligen Rodungsstopps vom letzten Herbst weiterhin bedroht. RWE hat seine Bagger weiter auf den Hambacher Forst zu rollen lassen - an einigen Stellen stehen die Ungetüme weniger als 50 Meter vom Waldanfang entfernt (Mitte 2018 waren es noch knapp 400 Meter). Damit steigt das Risiko, dass die Wasserversorgung des Waldes gefährdet wird, massiv. Konträr zu ihren Aussagen vom letzten Jahr, der Wald könne sowieso nicht mehr überleben, da die Abbruchkante so nah und steil an ihn herangerückt sei, behauptet RWE jetzt, dass Heranrücken der Bagger stelle keine Gefahr für den Hambacher Forst dar.

Während im Fall der Dörfer und des Hambacher Forsts der fehlende politische Wille und die Verbissenheit der beteiligten Unternehmen in den letzten Monaten quasi greifbar geworden sind, ist die fatale Gefahr der Klimakatastrophe immer noch deutlich abstrakter. Es gibt noch keine Bilder, die eindrucksvoll vermitteln können, welchen Schaden jede weitere Stunde, jeder weitere Tag und jedes zusätzliche Jahr des Betriebs von Kohlekraftwerken anrichten. Aber klar ist: Wenn Deutschland, wie von der Kohlekommission vorgeschlagen, den Klimakiller Nr. 1 für 19 weitere Jahre am Netz lässt, setzt dies die Lebensgrundlage von Menschen weltweit aufs Spiel. Der schwache Vorschlag der Kohlekommission schützt weder Klima, noch Dörfer noch den Hambacher Forst nachhaltig. Und Bundes- und Landesregierung haben häufig genug unter Beweis gestellt, dass sie nicht die Absicht haben, die Profitinteressen der Braunkohleunternehmen einzuschränken.

Um so wichtiger ist es, dass die Klimabewegung jetzt weiter Druck macht, die Entwicklung des Kohleausstiegsgesetz in den kommenden Monaten kritisch begleitet und dafür sorgt, dass das Thema weiterhin die Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient. Denn der Konflikt um die Kohle ist noch lange nicht vorbei - wir befinden uns noch mitten drin.

Ronja Heise, ROBIN WOOD Energiereferentin

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 142/3.2019, Seite 36 - 39
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2019

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