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STELLUNGNAHME/128: BUND und NABU zur Halbzeitbilanz der Landesregierung Baden-Württemberg (BUND NRW)


BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V. - 7. Oktober 2013

BUND und NABU zur Halbzeit der grün-roten Landesregierung

Gehörtwerden alleine reicht nicht: Energiewende, Naturschutz, Mobilität - grün-rote Politik mit Höhen und Tiefen



Stuttgart. Seit zweieinhalb Jahren ist die grün-rote Landesregierung inzwischen im Amt. Zur Halbzeit der Legislaturperiode stellen die beiden großen Umweltverbände BUND und NABU fest: "Im Bereich Umwelt- und Naturschutz hat Grün-Rot die Messlatte hoch gelegt. Viele Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag wurden bereits in Angriff genommen und erste gute Ergebnisse erzielt. Dennoch bleibt viel zu tun, damit der versprochene Wechsel in der Verkehrs-, Energie-, Agrar- und Naturschutzpolitik Wirklichkeit wird."

BUND und NABU fordern die Landesregierung auf, in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode die vielen angestoßenen Vorhaben und Gesetze erfolgreich abzuschließen. "In der ersten Halbzeit hat die Landesregierung das Spiel gut aufgebaut. Jetzt müssen die Tore fallen", sagen die Landesvorsitzenden der Verbände, Dr. Brigitte Dahlbender (BUND) und Dr. Andre Baumann (NABU). Zwar habe Baden-Württemberg mit der grün-roten Landesregierung im Umwelt- und Naturschutz einen großen Schritt nach vorne gemacht und sich vom Schlusslicht in die Spitzengruppe der Bundesländer vorgearbeitet, dennoch bleibe viel zu tun.

Die von der Regierung propagierte "Politik des Gehörtwerdens" habe einen deutlichen Wandel im politischen Klima des Landes gebracht. Sie sei alleine aber weder Allheilmittel noch Garant für eine erfolgreiche Legislaturperiode. So gebe es nach wie vor Defizite bei der direkten Demokratie und der Bürgerbeteiligung bei Bebauungsplänen.

Die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes bleibt bisher hinter den selbst gesteckten Zielen zurück. "Nach zweieinhalb Jahren fehlen bisher erkennbare Fortschritte, klare Zielsetzungen und weitreichende Aktionspläne. Hier muss deutlich nachgelegt und beschleunigt werden", erläutern Baumann und Dahlbender.

Energie und Klimaschutz

BUND und NABU bescheinigen der Landesregierung eine in weiten Teilen gelungene Politik für die Energiewende. "Die aus Windenergie erzeugte Strommenge innerhalb eines Jahrzehnts verzehnfachen zu wollen, ist ein mutiges Ziel?, so Baumann und Dahlbender, "mit der Änderung des Landesplanungsgesetzes und dem Windenergieerlass hat das Land die Grundlage geschaffen, damit der Ausbau der Windenergie auch in Baden-Württemberg an Dynamik gewinnen kann. Nach der Blockadepolitik in Sachen Windenergienutzung über mehrere Legislaturperioden hinweg müssen viele Grundlagen neu erarbeitet werden, wodurch der Ausbau verständlicherweise noch nicht in der Größenordnung stattfindet, wie wir ihn uns vorstellen."

Das Klimaschutzgesetz ist weitgehend gelungen und zukunftsweisend. "Baden-Württemberg macht sich auf den Weg zum Gestalter der Energiewende, indem Klimaschutzbelange nun bei klimarelevanten Entscheidungen berücksichtigt werden müssen. Allerdings gibt es auch hier Defizite, die für eine guten Klimaschutz dringen behoben werden müssen", so Dahlbender und Baumann.

Nicht erfüllt haben sich die Ankündigungen und Erwartungen im Bereich der Energieeinsparung. Mit der Kampagne "50-80-90" sei zwar das Langfristziel einer Senkung des Energieverbrauchs um die Hälfte festgelegt. Wie dieser Weg aber konkret beschritten werden soll und welche Maßnahmen dazu heute ergriffen werden müssen, sei aber unklar. "Ohne Einsparungen und ohne die Absenkung des Energieverbrauchs werden die Klimaschutzziele nicht erreicht werden", warnen Baumann und Dahlbender, "hier muss die Landesregierung in den nächsten Jahren nacharbeiten."

Naturschutz

Im Bereich Naturschutz stand ein wesentlicher Anteil des Regierungshandelns im Zeichen des geplanten Nationalparks Schwarzwald. "Das Engagement der Landesregierung für den Nationalpark Schwarzwald ist vorbildlich", so Baumann und Dahlbender, "sowohl in Bezug auf das künftige Schutzgebiet selbst als auch hinsichtlich des transparenten Beteiligungsverfahrens ist das Ergebnis hervorragend.? Das zeige auch die jüngste Umfrage: Zwei Drittel der Menschen im Land befürworten den Nationalpark.

Der Naturschutzhaushalt wurde trotz des allgemeinen Sparzwangs in mehreren Schritten um 35 Prozent aufgestockt. "Hier hat Grün-Rot Wort gehalten und dafür bedanken wir uns?, sagen Baumann und Dahlbender. Mit dieser Erhöhung seien die Zusagen jedoch noch komplett eingelöst: "Grün-Rot hat versprochen, weitere Aufstockungen um 6 Millionen Euro pro Jahr vorzunehmen.

Das ist dringend notwendig." Die Vorsitzenden warnen eindringlich davor, den Nationalpark aus dem allgemeinen Naturschutztopf zu finanzieren. "Der Nationalpark darf den übrigen Naturschutz im Land nicht kannibalisieren. Ein weiterer Personalabbau in der Naturschutzverwaltung wäre eine Katastrophe für den Naturschutz in Baden-Württemberg", so Baumann und Dahlbender.

Viel Lob erhält das Land für seine neue Naturschutzstrategie. "Es hat zwar ein wenig gedauert, aber am Ende hat Baden-Württemberg gezeigt, dass es Musterschüler im Naturschutz sein möchte", sagen Baumann und Dahlbender, "allerdings fehlen nach wie vor Umsetzungskonzepte, Ziele und Finanzen für die Schwerpunkte der Naturschutzstrategie. Hier muss Grün-Rot noch arbeiten." Das Ziel sei ein funktionierender Naturschutz in der Praxis.

Grün-Rot hat im Koalitionsvertrag versprochen, den Biotopverbund sukzessive herzustellen. Passiert sei in diesem Feld jedoch fast nichts. So fehlten nach wie vor wegweisende Ansätze. "Wir brauchen 10 Prozent der Landesfläche für den Biotopverbund - also miteinander vernetzte Vorrangflächen für den Naturschutz - um die biologische Vielfalt zu bewahren. Das schreiben auch Bundes- und Landesnaturschutzgesetz so vor", betonen Baumann und Dahlbender. Die Planungsgrundlagen der LUBW seien vorhanden, als nächstes sei eine Bestandsaufnahme nötig, um festzustellen, wo die größten Lücken im Biotopverbund klaffen. Auf dieser Grundlage müsse das Land Geld in die Hand nehmen, um im Rahmen eines eigenen Landesprogramms zügig Flächen für den Biotopverbund zu sichern. "Ohne Biotopverbund sind die Bemühungen der Landesregierung für den Naturschutz schlecht funktionierendes Stückwerk", unterstreichen Baumann und Dahlbender.

Forstwirtschaft

Für den Staatswald hat die Landesregierung aus Sicht von BUND und NABU bereits wichtige Weichen gestellt. Sehr positiv werten sie die Zertifizierung nach dem FSC-Siegel, die Veröffentlichung von Daten über die Waldbewirtschaftung im Internet sowie den Stopp der Kahlschläge in Buchenwäldern. Kritik erntet die Landesregierung, weil die versprochene aufgabengerechte Stärkung des Forstpersonals bislang ausbleibt. "Die gewünschte nachhaltige Waldbewirtschaftung gelingt aber nur, wenn Förster den Schreibtisch auch mal verlassen können, um mehr Zeit im Wald zu verbringen", sagen Baumann und Dahlbender, "durch den Wegfall von Försterstellen ist Grün-Rot weit von der versprochenen Stärkung des Forstpersonals entfernt. Hier gibt es dringenden Nachholbedarf."

Gewässer

Enttäuscht zeigen sich BUND und NABU mit Blick auf das Versprechen, einen "ökologischen Hochwasserschutz" im Land umzusetzen. Nach den schweren Hochwassern vom Sommer sehen die Verbände mehr denn je die Notwendigkeit, den Flüssen deutlich mehr Raum zurückzugeben. "Beim Integrierten Rheinprogramm wurden alle Chancen vertan, durch die Verlegung der Hochwasserdeiche ins Hinterland den bestmöglichen ökologischen Hochwasserschutz umzusetzen - hier gibt es dringenden Handlungsbedarf", mahnen Baumann und Dahlbender.

Mit dem neuen Landeswassergesetz wurden hingegen langjährige Forderungen von BUND und NABU umgesetzt. "Endlich wurde der Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln auf Gewässerrandstreifen - eine wichtige Quelle für Schadstoffeinträge in Bäche und Flüsse - verboten", erläutern Baumann und Dahlbender. Mit der Neuregelung trägt das Wassergesetz endlich zur Verbesserung des Gewässerschutzes und der Biotopvernetzung bei.

Mobilität

Beim Verkehr tritt die Landesregierung auf der Stelle. "Vom Versprechen, Baden-Württemberg zu einer Pionierregion für eine nachhaltige Mobilität zu entwickeln, sind wir meilenweit entfernt", stellen Dahlbender und Baumann fest, "es sind keine alternativen Verkehrskonzepte im Sinne einer zukunftsfähigen Mobilität erkennbar." Die Regierung laufe Gefahr, sich im Klein-Klein von Modellregionen und Vorhaben im Bereich Elektromobilität zu verzetteln. Zugleich werden die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags durch Schritte wie die Anmeldung von insgesamt 158 Autobahn- und Bundesstraßenprojekten konterkariert. "Mit ihren unfinanzierbaren Straßenbau-Wunschlisten führt Grün-Rot die Politik der Vorgängerregierungen fort", kritisieren Dahlbender und Baumann, "stattdessen müssten nachhaltige Verkehrskonzepte entwickelt und umgesetzt werden, bei denen die Öffentlichen und der nichtmotorisierte Verkehr deutlichen Vorrang erhalten, und das auch im ländlichen Raum. Nur so werden wir die Herausforderungen der Zukunft meistern können."

Flächenverbrauch

Mit der Verschärfung des Bedarfsnachweises für Bauflächen für Wohnbebauung wurde ein effizienter Baustein zur Verringerung des Flächenverbrauchs umgesetzt. Das alleine wird jedoch nicht ausreichen, um den Flächenverbrauch, der insbesondere durch die Neuausweisung von Gewerbegebieten entsteht, spürbar einzudämmen

Landwirtschaft

Im Bereich Landwirtschaft begrüßen BUND und NABU, dass das Land seine Politik nachhaltiger gestalten möchte. "Die Landesregierung setzt sich sowohl im Land als auch in Brüssel und Berlin für eine starke und zugleich ökologische Landwirtschaft ein - durchaus erfolgreich", so Dahlbender und Baumann. Der Forderung der Umweltverbände, dass öffentliches Geld nur in öffentliche Leistungen fließen soll, habe sich die Landesregierung angeschlossen. BUND und NABU erwarten, dass mit der neuen EU-Agrarförderperiode ab 2014 effektive und wirksame Agrarumweltmaßnahmen entstehen. Dazu gehören eine bessere Förderung von artenreichen Wiesen, eine Weideprämie und Streuobstwiesen.

Lob erhält das MLR für die sehr schnelle Umsetzung des Grünlandumbruchverbots. "Die Landesregierung hat die hohe Bedeutung des Grünlands für die Landschaften, den Klima- und Naturschutz erkannt und binnen Wochen nach Regierungsantritt gehandelt. Kompliment", sagt Baumann.

Mehr Tempo und rechtlich verbindliche Maßnahmen erwarten die Naturschutzverbände bei der Umsetzung des Bekenntnisses zur gentechnikfreien Landwirtschaft. "Mit Maßnahmen wie dem Beitritt zum europaweiten Bündnis gentechnikfreier Regionen wurden Küraufgaben absolviert", so Dahlbender, "als Pflichtaufgabe steht die Absicherung der gentechnikfreien Landwirtschaft über Landesrecht noch aus. Die Spielräume, die das Land dabei hat, haben wir bereits aufgezeigt."

Die begonnene Eingrünung der Flurneuordnung ist aus Sicht von BUND und NABU zu zaghaft und bleibt hinter den Forderung der Grünen aus Oppositionszeiten weit zurück. "Auf die neuen Verwaltungsvorschriften, mit denen die angekündigte Ökologisierung der Flurneuordnung umgesetzt werden soll, warten wir immer noch", monieren Baumann und Dahlbender. Auch beim Schutz der Streuobstwiesen vermissen BUND und NABU die erhofften Verbesserungen "Beim Schutz der Streuobstwiesen haben gerade die Grünen viel versprochen, aber kaum etwas geliefert - selbst das Konzept fehlt", kritisieren Baumann und Dahlbender.

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Quelle:
Presseinformation, 07.10.2013
Herausgeber: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Landesverband Nordrhein-Westfalen
Merowingerstr. 88, 40225 Düsseldorf
Tel.: 0211/30 20 05-22, Fax: 0211/30 20 05-26
Redaktion: Dirk Jansen, Pressesprecher
E-Mail: dirk.jansen@bund.net
Internet: www.bund-nrw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2013