Hilpoltstein/München, 07.05.2019 - Am 8. Mai wird dem Bayerischen
Landtag der Gesetzentwurf des Volksbegehrens Artenvielfalt ohne
Änderungen zur Annahme vorgelegt. Zeitgleich wird auch das von der
Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern entworfene
Begleitgesetz, das sogenannte "Gesamtgesellschaftliche
Artenschutzgesetz - Versöhnungsgesetz", behandelt. "Bayern wird durch
die vollständige Annahme des Volksbegehrens in Sachen Artenschutz auf
den Spitzenplatz in Deutschland katapultiert", freut sich Agnes
Becker, Beauftragte des Volksbegehrens und stellvertretende
ÖDP-Landesvorsitzende. "Mit dem zusätzlichen Maßnahmenpaket der
Staatsregierung wird die Hand in Richtung Landwirtschaft ausgestreckt
wird. Nur gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern wird der große Wurf
für mehr Artenvielfalt gelingen."
Der Trägerkreis hat eine umfangreiche Prüfung und einen Abgleich des
Begleitgesetzes mit den von Alois Glück vorgelegten Ergebnissen des
Runden Tisches vorgenommen. Diese zeigen, dass das Gesetz von CSU und
Freie Wählern zwar zahlreiche positiv zu bewertende Ergänzungen
enthält, gleichzeitig aber auch Lücken aufweist. "Wir sind zufrieden,
dass beim Staatswald ein Netz mit zehn Prozent Naturwaldflächen ohne
Nutzung eingerichtet wird. Hierbei kommt es vor allem auf neue große
zusammenhängende Flächen im Steigerwald, im Spessart und in den
Donauauen an", erklärt Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des LBV.
"Dass die Regierungsmehrheit von sich aus den Biotopverbund im
Offenland auf 15 Prozent bis zum Jahr 2030 erhöhen will, ist ebenfalls
begrüßenswert."
Auch beim Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen gehe Bayern
laut Schäffer einen Schritt voran, indem es den Anbau verbietet.
Erfreut zeigt sich der Trägerkreis auch über die Beschränkung der
Beleuchtung von öffentlichen Gebäuden und von Werbeanlagen im
Außenbereich. "Damit wird ein wichtiger Beitrag zum Schutz der
Insekten geleistet, wie auch durch die Initiative
Straßenbegleitflächen von Staatsstraßen als Magergrünland zu
bewirtschaften", so Schäffer weiter.
Andere wesentliche, in den Ergebnissen des Runden Tisches geforderte
Maßnahmen kommen hingegen zu kurz oder wurden in dem vorliegenden
Begleitgesetzentwurf ganz außer Acht gelassen (siehe Anhang für
Details). Dazu Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzende von Bündnis
90/Die Grünen im bayerischen Landtag: "Beim angekündigten Dreiklang
'annehmen, verbessern, versöhnen' hat die Söder-Regierung die beiden
letzten Töne nicht ganz getroffen. So klingt dieser Akkord ein wenig
schief. Naturschützer haben sich im Ergänzungsgesetz mehr Maßnahmen
aus den Empfehlungen des Runden Tisches versprochen, Landwirte hatten
mit weniger Auflagen gerechnet. Statt Artenschutz XXL kommt jetzt also
erstmal Artenschutz der Größe M und wir werden weiter hartnäckig auf
mehr Verbindlichkeit und zusätzliche Maßnahmen im kommunalen Bereich
pochen."
Claus Obermeier, Vorstand der Gregor Louisoder Umweltstiftung: "Die
Fraktionen von CSU und Freien Wählern haben sich in ihrem
Gesetzesentwurf zu einer umfassenden Personalaufstockung der
Naturschutzbehörden zur Umsetzung des Volksbegehrens bekannt, das
verdient Anerkennung. Bereits im kommenden Nachtragshaushalt müssen
dazu zwei zusätzliche Stelle pro Unterer Naturschutzbehörde
(Landkreis, Städte) und mindestens eine zusätzliche pro Höherer
Naturschutzbehörde (Bezirksregierungen) geschaffen werden. Ziel muss
eine am realen Bedarf und dem Willen der bayerischen Bevölkerung
orientierte Leistungsfähigkeit der Naturschutzverwaltung sein, die
bisher nicht gegeben ist. Was im bayerischen Straßenbau
selbstverständlich ist, muss jetzt auch im Naturschutz möglich sein.
Dazu können auch Stellen aus anderen Bereichen umgeschichtet werden.
Auf manche von der Staatsregierung angekündigte Ausgaben wie für das
Donauaquarium könnten wir auch gut verzichten."
Trägerkreis Volksbegehren Artenvielfalt
Stellungnahme zum Entwurf des Begleitgesetzes von CSU und FW
(Fassung vom 2.5.2019)
Hinweis: in eckigen Klammern stehen Verweise auf das Begleitgesetz.
1 Abgleich Klärung strittiger Fragen
Im Runden Tisch wurden Kritik und Befürchtungen vor allem des
Bayerischen Bauernverbandes behandelt. Die beim Runden Tisch
erarbeiteten Ergebnisse sind in das Begleitgesetz eingeflossen. Es
besteht Zustimmung beim Trägerkreis des Volksbegehrens Artenvielfalt
"Rettet die Bienen".
- Walzverbot regionalisieren und flexibilisieren [S. 3, 1. b) 6 ]
- Wiesenmahd 10% ab 15.6.: Klärung als staatliches Ziel, später Mahdzeitpunkt weiterhin förderfähig [S. 3, 1. a) bb) ]
- Nutzung von Streuobstwiesen: eine reguläre Pflege und Nutzung wird nicht eingeschränkt [S. 5, 7. a) ]
- Gewährleistung vorhandener Förderungen und Ausgleich bei Nutzungseinschränkung bei Gewässerrandstreifen
2 Was ist im Begleitgesetz dazu gekommen (VB plus)?
Biotopverbund im Offenland [S. 5, 6.]
- Positiv: Erhöhung auf 15% bis 2030. Allerdings weit in der Ferne liegendes Ziel und aktuell nicht überprüfbar.
- Welche Flächen einberechnet werden dürfen, ist nicht geklärt. Der Trägerkreis geht von permanenten und gesicherten Flächen aus.
- Hervorhebung von Vernetzungskorridoren entlang von Gewässern, Waldrändern und Verkehrswegen: Ausgenommen werden sollten Autobahnen, Bundes- und Staatsstraßen.
Fachplan Moore
- Eher schwach, da Umsetzung frühestens mittelfristig und unverbindlich: Fachplan Moore der Obersten Naturschutzbehörde zur Renaturierung von Mooren und für moorverträgliche land- und forstwirtschaftliche Nutzung [S.5, 6c]. Damit werden klimaschädliche Ackernutzungen auf Moorböden vorerst nicht gestoppt.
Streuobstwiesen
- Positiv: Es wird Förderung für naturschonende Bewirtschaftung im Art. 42 Erschwernisausgleich/Nutzungseinschränkungen eingerichtet.
Biodiversitätsberatung
- Positiv und unverzichtbar für die Arbeit der Unteren Naturschutzbehörden. An jeder Unteren Naturschutzbehörde ist min. eine Stelle für die Biodiversitätsberatung neu einzurichten.
Wildlebensraumberater (Bay. Agrarwirtschaftsgesetz)
- Positiv. Es werden rund 50 neue Stellen an den Ämtern für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten benötigt.
- Verankerung im Bayerischen Agrarwirtschaftsgesetz; zuständig für
Erhöhung der Biodiversität in der Kulturlandschaft und Aufbau der
Biotopverbünde.
Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen
- Positiv. Bayern übernimmt eine Vorreiterrolle.
Klimaneutrale Verwaltung bis 2030
- Positiv. Staat übernimmt Vorbildfunktion.
Lichtvermeidung (Bay. Immissionsschutzgesetz)
- Positiv: Verbot Beleuchtung von Fassaden von öffentlichen Bauten ab 23 Uhr.
- Positiv: Verbot beleuchtete Werbeanlagen im Außenbereich (Ausnahmen bis 23 Uhr möglich für Gaststätten und Gewerbebetriebe).
Begrünung von Gebäuden und zugehörigen Freiflächen des Freistaats
(Bay. Bauordnung)
- Prinzipiell gut, die Formulierung "angemessen begrünt oder bepflanzt" lässt allerdings zu viel Spielraum.
- Empfehlung an kommun. Gebietskörperschaften, genauso zu verfahren.
Gewässerrandstreifen 10 m an Gewässern 1. und 2. Ordnung, nur auf
staatlichen Grundstücken (Bay. Wassergesetz)
- Grundsätzlich gut. An Gewässern 1. Ordnung bereits weitgehend Realität, an Gewässern 2. Ordnung Wirkung durch Einschränkung auf staatliche Flächen begrenzt.
- Es wird die Fördermöglichkeit verankert.
- Für Einschränkung von tatsächlich ausgeübter Nutzung wird Geldausgleich gewährt.
Verbot von Totalherbiziden auf Flächen des Freistaats
- Änderung des Land- und forstwirtschaftlichen Zuständigkeits- und Vollzugsgesetzes [S. 8].
- Schwach und in Widerspruch zum Volksbegehren, das 100% Ökolandbau auf staatlichen Flächen und damit vollständigen Pestizidverzicht vorgibt.
- Außerdem Ausnahme für Forschung und Lehre oder wenn bereits Genehmigung vorliegt.
Staatswald (Bay. Waldgesetz)
- "Bis zum Jahr 2023 wird im Staatswald ein grünes Netzwerk eingerichtet, das 10% des Staatswaldes umfasst und aus naturnahen Wäldern mit besonderer Bedeutung für die Biodiversität besteht (Naturwaldflächen)."
- Positiv: Abgesehen von notwendigen Maßnahmen des Waldschutzes und der Verkehrssicherung finden in den Naturwaldflächen keine Bewirtschaftung und keine Holzentnahme statt. Zu klären: Repräsentativität aller Waldgesellschaften. Negativ: Die von den Bay. Staatsforsten angekündigten großen Nutzungsfreien Schutzgebiete in Steigerwald Spessart und den Donau-/Isarauen sind nicht aufgeführt.
Flächenverbrauch
- Bay. Straßen- und Wegegesetz: Die Vorgabe, den Flächenverbrauch in Abwägung mit den "Notwendigkeiten der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs" zu minimieren, ist wachsweich.
- 5ha/Tag: Staatsregierung will eigenständiges Gesetzgebungsverfahren "alsbald dem Landtag vorlegen".
Straßenbegleitflächen von Staatsstraßen (Bay. Straßen- und
Wegegesetz)
- Positiv: Bewirtschaftungsziele Luftreinhaltung, Artenschutz und Biotopverbund. Bewirtschaftung als Magergrünland.
- Empfehlung, bei Kreis- und Gemeindestraßen ebenso zu verfahren.
Bildung
- Kleine Änderung der Schulordnung der Landwirtschaftsschulen: "Erzeuger regionaler und hochwertiger Lebensmittel"; "Verantwortung bewusst werden, Leistungen für Natur und Umwelt zu erbringen."
- Schulfach Alltagskompetenz: positiv. Wird Kultusministerium angehen.
3 Weitere notwendige Änderungen
Im Art. 57 BayNatSchG werden Ordnungswidrigkeiten aufgeführt. Darunter
fallen erhebliche Beeinträchtigungen und Zerstörungen von geschützten
Biotopen. Die neu geschützten Biotope Streuobstwiesen und struktur-
und artenreiches Grünland müssen hier ergänzt werden (Änderung von
Absatz 1, 5.: Nrn. 1 bis 5 ersetzen durch Nrn. 1 bis 7)
Dies ist im Begleitgesetz als Punkt 11 b) auf S. 6 anzufügen.
4 Welche gesetzgeberischen Vorschläge aus dem Runden Tisch
fehlen?
- Einführung von "Gewässer- und Auenentwicklungsräumen" in die wasserwirtschaftliche und raumplanerische Gesetzgebung (S. 68)
- Festlegung von natürlich ablaufenen Prozessen als ein Ziel der Waldbewirtschaftung für Auwälder im Staatswald (S. 68)
- Neues Förderprogramm "Wasserrückhalt im Ländlichen Raum" (S. 69)
- Modellprojekte "boden:ständig": Ausstattung mit eigenen finanziellen Mitteln für die rasche Umsetzung örtlicher Einzelmaßnahmen (S. 70)
- Einrichtung eines "kommunalen Biodiversitätsförderprogrammes" (S. 75)
- Erweiterung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts der Gemeinde (Art. 39 BayNatSchG) auf ökologisch wertvolle und aufwertbare Flächen (S. 76)
- Vorgabe einer Mindestquote für die Bioversorgung (möglichst regional) in kommunalen Einrichtungen, in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden (S. 76)
- Ausbau des Städtbauförderprogrammes "Zukunft Stadtgrün" und der Biodiversität als Querschnittsthema sämtlicher Programme der Städtebauförderung (S. 76)
- Bei Bau- und genehmigungspflichtigen Sanierungsvorhaben: verbindliche Maßnahmen gegen Vogelschlag, zugunsten artenfreundlicher Beleuchtung, sowie zugunsten von Fledermaus- und Gebäudebrüterquartieren (S. 76)
- Bayerische Umweltbildungseinrichtungen stärken und Vernetzung mit Schulen fördern (S. 78)
5 Welche weiteren gesetzgeberisch wichtigen Vorschläge des
Trägerkreises fehlen?
- Gesetzlicher Rechtsanspruch auf das Vertragsnaturschutzprogramm. Dies soll Planungssicherheit für Landwirte zu schaffen und den einseitigen Finanzierungsvorbehalt des Staates ersetzen.
- Referenzgewässer für Flussdynamik
- Verpflichtendes Grünflächenmanagement für Kommunen
- Biodiversitätsbeauftragte für alle staatlichen Einrichtungen
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