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ATOM/343: Störfall - Spanischer Akw-Betreiber muß Strafe zahlen (SB)


Über 15 Mio. Euro Strafe für Betreiber des Akw Ascó 1

Vorfall mit radioaktiver Freisetzung monatelang nicht gemeldet


Kernenergie ist klimafreundlich, verläßlich und relativ preiswert. So beliebt die Atomlobby diese Energieform in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Vernachlässigt wird, daß die Endlagerfrage auch nach einem halben Jahrhundert der zivilen Kernenergienutzung ungeklärt ist, daß in der gesamten nuklearen Infrastruktur große Mengen klimaschädliche Gase emittiert werden und daß der Preis für Atomstrom aufgrund staatlicher Subventionierungen reichlich verzerrt wird. Würden beispielsweise die Akw-Betreiber gezwungen, ihre Reaktoren auch nur einigermaßen angemessen gegen Schadensfälle zu versichern, würde der Versicherungsbeitrag auf den Endpreis für elektrischen Strom draufgeschlagen, so daß dieser konkurrenzlos teuer werden dürfte.

Viele Kosten fließen versteckt in den Strompreis ein. Dazu gehören Strafen, die ein Unternehmen bezahlen muß, weil es einen Unfall verursacht hat. Wie der Betreiber des spanischen Kernkraftwerks Ascó in Nordostkatalonien. Er muß eine Strafe von 15,4 Millionen Euro bezahlen, weil er nicht angemessen auf eine versehentliche Freilassung von radioaktivem Material reagiert hat. Anders gesagt: Anav (Asociación Nuclear Ascó-Vandellòs), das besagtes Kernkraftwerk für das Unternehmen Endesa betreibt, hat den Vorfall monatelang nicht gemeldet. Das Strafmaß sei am Montag vom Ministerium für Industrie, Tourismus und Handel mitgeteilt worden, berichtete die wirtschaftsfreundliche Internetseite World Nuclear News am 12. Mai. [1] Es handele sich um die höchste jemals in Spanien verhängte Strafe für Nuklearvorfälle. Das Strafmaximum der Nationalen Sicherheitskommission Spaniens, (CSN - Consejo De Seguridad Nuclear) liegt bei 90 Millionen Euro.

Bei dem Vorfall, der sich im vergangenen Jahr ereignete, war anscheinend niemand verstrahlt worden. Aus dem Gebäude für Brennelemente des am 10. Dezember 1984 in Betrieb gegangenen Druckwasserreaktors Ascó 1 waren radioaktive Metallpartikel entwichen. 800 Beschäftigte des Betriebs mußten hinsichtlich möglicher Verstrahlungen untersucht werden, bei keinem fanden sich Werte, die über dem zulässigen Grenzwert lagen. Der Vorfall wurde Stufe 2 der siebenstufigen INES-Skala (von engl. International Nuclear Event Scale) zugeordnet. Demnach handelt es sich um einen Störfall, aber noch keinen ernstzunehmenden Störfall (Stufe 3).Offiziell besaß der Vorfall keine Auswirkungen auf das Betriebsgelände oder die nähere Umgebung.

Der Störfall geht letztlich auf den Austausch von Brennelementen im November 2007 zurück. Aber erst am 14. März wurden erstmals bei Routineuntersuchungen Radionukleotide außerhalb des Gebäudes nachgewiesen, und am 4. April verständigte der Betreiber die Aufsichtsbehörde CSN. Die Ventilatorschächte im Brennstoffgebäude waren mit radioaktiven Korrosionsprodukten kontaminiert. Die Partikel stammen aus dem Endabschnitt der Reinigungsstufe des Transferkanals der Brennelemente. Nach drei Tagen der Rezirkulation durch die Nofallbelüftung und Filtersystem seien die normalen Verhältnisse wieder hergestellt worden, behauptete die Website.

Ganz so harmlos, wie der Vorfall von der Wirtschaft dargestellt wird, war er nicht. Hatte doch die CSN zunächst angenommen, daß bei dem Vorfall 235.000 Becquerel - Anzahl der Atome an, die pro Sekunde freigelassen werden -, freigesetzt wurden, so mußte der Wert drastisch auf 84,95 Millionen Becquerel herausgesetzt werden. Der Grenzwert liegt bei 320.000 Becquerel Radioaktivät aus einer Kobalt-60-Quelle, die eine Person inkorporieren darf. Kobalt-60 entsteht, wenn Materialien wie Stahl durch Kontakt mit Radionukleotiden Strahlung aufnehmen und ihrerseits radioaktiv strahlen.

Der Chef des Kernkraftwerks und der Leiter des Radiologischen Schutzes wurden kurz nach Bekanntgabe des Störfalls entlassen. Die Betriebserlaubnis endet 2023 bzw. 2025 für Ascó 2. Die sozialistische Regierung Spanien hat beschlossen, alle acht Kernkraftwerke des Landes zu schließen, und den Energiebedarf vor allem durch Erneuerbare Energien zu ersetzen. Auch bei diesen Energieformen legen die entsprechenden Versorgungsunternehmen Unkosten auf den Strompreis um - allerdings sind die möglichen Schäden aufgrund eines nuklearen Störfalls unermeßlich viel größer, als wenn Unfälle mit Erneuerbaren Energie passieren.


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Anmerkungen:

[1] "Huge fine for Ascó emission", 12. Mai 2009
http://www.world-nuclear-news.org/RS_Huge_fine_for_Asco_emission_ 1205091.html

12. Mai 2009