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ATOM/378: Leukämie- und Schilddrüsenkrebs-Cluster in der Samtgemeinde Asse (SB)


Häufung typischer strahleninduzierter Krebsarten im Umfeld des radioaktiven Endlagers Asse


In der Samtgemeinde Asse erkrankten zwischen 2002 und 2009 mehr als doppelt so viele Männer an Leukämie und dreimal so viele Frauen an Schilddrüsenkrebs wie statistisch zu erwarten gewesen wäre. Die Daten stammen aus dem Epidemiologischen Krebsregister für Niedersachsen und lassen keine Rückschlüsse auf die betroffenen Personen zu, da die Angaben anonymisiert wurden. Die Vermutung, daß der Krebs bei jenen Männern und Frauen gehäuft auftritt, weil sie womöglich im radioaktiven Endlager Asse gearbeitet haben, liegt nahe, bedarf aber noch der Überprüfung, wie die Medien berichteten. [1]

Im besagten Zeitraum trat Leukämie bei Männern in zwölf Fällen auf, statistisch zu erwarten waren 5,2 Fälle; bei Frauen waren immerhin noch sechs Fälle bei einer prognostizierten Rate von 3,3 aufgetreten. Bei Schilddrüsenkrebs lag die Erwartung ebenfalls bei 3,3 Fällen, doch waren daran zehn Frauen erkrankt.

Das Bundesamt für Strahlenschutz teilte mit, daß es seit der Übernahme der Verantwortung der Asse im Jahr 2009 eigene Überwachungsmessungen, die "umfassend" hätten nachgerüstet werden müssen, durchgeführt habe. Diese Überwachungsmessungen über und unter Tage zeigten, "dass zum jetzigen Zeitpunkt von der Asse weder für die Beschäftigten, noch für die Bevölkerung eine Gesundheitsgefährdung ausgeht." Analysen von Boden- und Ackerfrüchteproben aus der Umgebung des Bergwerks deuteten ebenfalls auf keine erhöhte Gefahr von radioaktiven Kontaminationen durch die Asse. [2]

In der Elbmarsch bei Geesthacht befindet sich ebenfalls ein Leukämie-Cluster und zwar in relativer Nähe zum Kernkraftwerk Krümmel und der Kernforschungsanlage GKSS-Forschungszentrum Geesthacht. Ein Beweis, daß eine der beiden Nuklearanlagen oder beide zusammen den Krebs verursacht haben, konnte nicht erbracht werden. Im näheren Umfeld süddeutscher Kernkraftwerke wurde eine auffällige Häufung von Krebs insbesondere bei Kindern festgestellt. Auch hier lassen sich für die Annahme, daß die Atomanlagen den Krebs verursacht haben, keine Beweise erbringen.

Die jetzt bekannt gewordenen Leukämie- und Schilddrüsenkrebscluster sind somit der dritte, ähnlich gelagerte Fall allein in Deutschland. Das wirft Fragen auf. Denen wird sich auch eine jetzt vom niedersächsischen Sozialministerium einberufene Expertenkommission zur Aufklärung des Asse-Leukämieclusters nicht entziehen können. Aber ob grundsätzliche Fragen gestellt werden, ist noch offen. In erster Linie wäre an Gefahren durch niedrige Dosen radioaktiver Belastung zu denken. Bislang haben sich die Vertreter der Vermutung, daß jede noch so schwache Strahlung gefährlich sein kann und die Grenzwerte für radioaktive Belastungen bei Null liegen müßten, noch nicht allgemein durchgesetzt. Würden sie es, dürfte es keine Atomkraftwerke geben.

Eine Belastung unterhalb der Grenzwerte für ionisierende Strahlung wäre eine denkbare Erklärung, wieso es zu einem Leukämie-, bzw. Schilddrüsenkrebscluster in der Samtgemeinde Asse kam. Dieser Wirkzusammenhang würde von der Untersuchungskommission dann nicht festgestellt werden, falls sie nicht die bisherigen Voraussetzungen ihrer Strahlenmessungen in Frage stellt.


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Anmerkungen:

[1] "Rätsel um erhöhte Leukämierate nahe Asse", Zeit online, 26. November 2010
http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2010-11/asse-leukaemiefaelle

[2] "BfS: Sicherheit der Bevölkerung und der Beschäftigten steht an erster Stelle", Bundesamt für Strahlenschutz, 26. November 2010
http://www.bfs.de/de/endlager/publika/asse_erhoehte_krebsrate.html

26. Novembr 2010