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ATOM/396: Bundesregierung will die Grünen beim Green New Deal überholen (SB)


Schwarz-gelbe Bundesregierung beschließt Ausstieg aus der Atomenergie und bereitet Green New Deal den Weg


Deutschland schaltet seine Atomkraftwerke endgültig ab. Auch wenn erst im Jahr 2022 im letzten Akw das Licht ausgeschaltet werden soll, ist dies zweifellos ein Erfolg der Anti-Akw-Bewegung. Denn nach dem mehrfachen Super-GAU im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi im März dieses Jahres sah sich Bundeskanzlerin Angela Merkel genötigt, eine rasche Kehrtwende ihrer Atompolitik vorzunehmen und der vorangegangenen Absage an den Akw-Ausstieg ihrerseits eine Absage zu erteilen, wollten sie und ihre Partei nicht riesige Wahleinbußen hinnehmen. Die nächsten Wahlen im September in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Berlin werden zeigen, ob Merkel damit Erfolg hat und die Grünen, die sich zur Zeit auf der Überholspur befinden, ausbremsen kann.

Industriepolitisch ergibt der Ausstieg aus der Atomwirtschaft durchaus Sinn. Am Horizont lockt der Green New Deal, die Fortsetzung des Kapitalismus mit grünen Mitteln. Riesige Offshore-Windparks sind die Gewinner des jetzt von der Regierung beschlossenen Gesetzespakets; auch große Biospritunternehmen können frohlocken. Wohingegen dezentral ausgelegte Anlagen, insbesondere in der Solarenergie, das Nachsehen haben. Mit der Subventionierung der Gebäudesanierung wiederum wird der "grünen" Bauwirtschaft unter die Arme gegriffen, und die vor einiger Zeit angekündigte Initiative zur Elektromobilität soll deutschen Batterie- und Autoherstellern Vorteile verschaffen.

Den Green New Deal wollten sich eigentlich die Grünen auf die Fahne schreiben, nun aber finden selbst die Liberalen plötzlich Atomkraftwerke nur noch oll und grüne Wiesen ganz toll. Kernwidersprüche des gesellschaftlichen Zusammenlebens werden von keiner dieser Parteien in Angriff genommen. Der Green New Deal weist bereits jetzt einen deutlichen Drall der Umverteilung von unten nach oben auf. Da werden kurzerhand ganze Innenstädte für ältere Autos ohne Feinstaubplakette gesperrt - so daß nun ärmere Menschen, die sich kein neues Auto leisten können, weitgehend auf ihr Auto verzichten müssen und auf diese Weise marginalisiert werden; Mieter sollen einen Teil der Gebäudesanierungskosten übernehmen und während der Bauarbeiten keine Mietminderung mehr geltend machen dürfen; die Strompreise werden wegen des Atomausstiegs steigen, und so weiter.

So begrüßenswert es wäre, wenn Deutschland tatsächlich aus der Atomenergie ausstiege, so teuer könnte das die ärmeren Bevölkerungsgruppen zu stehen kommen. Das Oligopol der Energiekonzerne wird sich das Abschalten der Nuklearmeiler reichlich bezahlen lassen. Mit dem Green New Deal, wie ihn die Grünen vorbereiten und er nun von der Bundesregierung kooptiert wird, wird nicht nur die Wachstumsapologetik der kapitalistischen Bereicherung zu Lasten der gesellschaftlichen Mehrheit fortgeschrieben, sondern auch einer Mangeladministration der Weg bereitet. Die ideologischen Vorbereitungen für einen entsprechenden gesellschaftlichen Wertewandel, der eigentlich keiner ist, weil die Vergesellschaftung und damit Atomisierung des Menschen unter dem Zeichen von Enthaltsamkeit und Geringverbrauch fortgesetzt wird, laufen bereits auf Hochtouren. Da werden Fleischesser als Klimasünder diffamiert, Raucher als Schädlinge der (Volks-)Gesundheit, und wer ein paar Pfunde mehr auf die Waage bringt, wird über den Leisten des Body Mass Index gespannt und zunehmend diskriminiert. Verzicht gerät zum wirkmächtigen Ideologem einer Weltgesellschaft, die hinsichtlich Ressourcenverbrauch und Belastung der Ökosysteme an ihre Grenzen stößt und sich immer mehr aufspaltet in wenige Superreiche und die Masse der Armen.

6. Juni 2011