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ATOM/409: Uranbergbau im Grand Canyon Nationalpark per Moratorium eingeschränkt (SB)


US-Regierung versucht bei Umweltschützern zu punkten

Einschränkungen des Uranabbaus im Grand Canyon Nationalpark trifft die Bergbauindustrie kaum


Am Montag hat US-Innenminister Ken Salazar angekündigt, daß er mehr als eine Million Acres Land (404.656 ha) rund um den Naturpark Grand Canyon vor neuen Bergbauaktivitäten geschützt hat. Das zunächst am 20. Juli 2009 für zwei Jahre, dann im Juni 2010 für weitere sechs Monate verhängte Moratorium wird nun um zwanzig Jahre verlängert und zielt vor allem auf den Uranbergbau. Bestehende oder bereits genehmigte Uranminen bleiben von dem Verbot unberührt.

In einer Presseerklärung [1] unterstreicht Salazar die Bedeutung des Grand Canyon als weltberühmtes Naturschauspiel, das viele Menschen anlocke. Auch spricht er das Interesse indigener Einwohner dieser Region an, die das Gebiet als heilige Stätte verehrten, und erinnert daran, daß zig Millionen Menschen den Colorado-Fluß als Trinkwasserquelle oder zur landwirtschaftlichen Bewässerung nutzen. "Uns wurde die Sorge um unsere natürlichen und kulturellen Güter sowie deren Bewahrung anvertraut", so Salazar. ""Wir haben einen verantwortungsbewußten Weg gewählt, der für die jetzige und kommende Generationen sinnvoll ist."

Rechtsgrundlage des Moratoriums ist eine Verordnung für öffentliches Land (Public Land Order) auf der Basis des Bergbaugesetzes "1872 Mining Law", das wiederum auf dem Bundesgesetz "Federal Land Policy and Management Act" beruht. Das Moratorium betrifft die Counties Mohave und Coconino in Nordarizona und schließt Gebiete ein, die vorwiegend unter Verwaltung des Bureau of Land Management (BLM) und des U.S. Forest Service stehen. Ungeachtet des Verbots rechnet das (BLM) damit, daß in den nächsten zwanzig Jahren in dem Gebiet bis zu elf Uranminen, inklusive von vier bereits genehmigten, die Produktion aufnehmen werden. Laut der Presseerklärung würden dort im besagten Zeitraum ohne das Moratorium voraussichtlich bis zu 30 Uranminen entstehen.

Somit wird das Verbot rein rechnerisch nur zwei Drittel der prognostizierten Bergbauerschließungen verhindern, was den Eindruck, der Naturpark werde vor den Gefahren einer Urankontamination geschützt, relativiert. Dennoch kommt das Moratorium dem Wunsch vieler Einwohner, einschließlich der Betreiber des Grand Canyon Naturparks, der örtlichen Tourismusindustrie, der indigenen Stämme und von schätzungsweise 25 Millionen Einwohnern (unter anderem der Städte Phoenix und Los Angeles), die Wasser aus dem Colorado beziehen, entgegen.

Bob Abbey, Direktor des Bureau of Land Management, begrüßt das Moratorium. Es sichere den bestehenden Bergbau, insbesondere von Uran, aber es gebe dem Ministerium zugleich die Chance, die Auswirkungen des Uranabbaus auf die Region zu untersuchen. So erhielten zukünftige Entscheidungsträger die Möglichkeit, auf der Grundlage best verfügbarer Informationen vernünftige Entscheidungen über den Umgang mit einem Gebiet zu treffen, das von nationaler ökologischer und kultureller Bedeutung sei.

Im Gegensatz dazu befürwortet der Senator aus Arizona und ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain den Bergbau und hält das Moratorium für eine Überreaktion, durch die die Entstehung von Arbeitsplätzen verhindert werde. [2] McCain verweist auf die Möglichkeit, daß moderne Formen des Bergbaus geringe Auswirkungen auf die Umwelt haben und daß die Minen sowieso viele Kilometer von den Hängen des Grand Canyon entfernt angelegt würden. [3]

Der demokratische Abgeordnete für Arizona Raúl M. Grijalva deutet dagegen an, daß McCains Einstellung auf ein persönliches finanzielles Interesse am Uranabbau zurückgehen könnte. [4] Er behauptet unter Berufung auf den U.S. News and World Report, daß die Bergbauindustrie seit 2009 3,4 Mio. Dollar an republikanische und 0,9 Mio. Dollar an demokratische Kongreßmitglieder gezahlt und der republikanische Senator McCain davon mehr als 42.000 Dollar erhalten habe. Das sei so viel wie kein anderer "seiner Bundesstaatskollegen". [5]

Die ungeheure Menge an Zuwendungen, die ein Senator wie McCain aus der Wirtschaft erhält - der Bergbau steht in der Auflistung des U.S. News and World Reports erst an 31. Stelle - kann man schon von einer systematischen Einflußnahme der Wirtschaft auf die Politik sprechen. An 44. Stelle der Gelder an McCains "Campaign Committee" wird allerdings die Tourismusbranche (Lodging & Tourism) mit Zuwendungen in Höhe von 26.450 Dollar aufgeführt. Nach welchen Kriterien McCain seine Fürsprache gewichtet und verteilt, hängt wohl nicht nur von seinen Einnahmen, sondern auch von anderen Faktoren wie beispielsweise dem erwarteten Wählerzuspruch ab.

Die Behauptung, daß das Moratorium die Entstehung von Arbeitsplätzen verhindert und einen wirtschaftlichen Rückschlag darstellt, ist keineswegs eindeutig zu beantworten. Immerhin besuchen jedes Jahr mehr als vier Millionen Touristen den Grand Canyon Nationalpark und sorgen für einen wirtschaftlichen Umsatz in Höhe von schätzungsweise 3,5 Mrd. Dollar. Beim Aufschließen zusätzlicher Uranminen würden zwar nicht sämtliche Touristen wegbleiben, aber es könnte dazu kommen, daß der Grand Canyon als Ausflugsziel an Attraktivität verliert und die Zahl der Besucher zurückgeht. Auf der anderen Seite hat das BLM ausgerechnet, daß das Moratorium die Uranproduktion der USA lediglich um sechs Prozent verringern wird, dem Bundesstaat, den Kommunen und der Bundesregierung Steuereinnahmen von jährlich 16,6 Mio. Dollar verlorengehen und 465 Arbeitsplätze nicht geschaffen würden. [3]

Der Grand Canyon sorge für 82.000 Arbeitsplätze und erzeuge sogar einen Umsatz von fast fünf Milliarden Dollar jährlich, behauptet Protect the Flows, eine Koalition von Geschäftsleuten aus sieben Anrainerstaaten des Colorado, die den Uranbergbau im Nationalpark ablehnen. [6] Andere Zahlen legt Rob Bishop, republikanischer Abgeordnete für Utah, vor. Das Moratorium würde den Zugang zu 40 Prozent der Uranreserven der USA versperren und 1000 Arbeitsplätze kosten. Bishop bezieht sich auf einen Report des American Clean Energy Resources Trust, einer Lobbyorganisation für den Uranbergbau. [7]

Welche Zahlen auch immer zugrunde gelegt werden, Salazars Moratorium gefährdet weder die Energieversorgung der Vereinigten Staaten allgemein noch den Nachschub an Uran für die zur Zeit angeschlossenen 104 Atomkraftwerke des Landes. Laut Grijalva befinden sich die meisten der schätzungsweise 1100 Bergbau-Claims im Umkreis von rund acht Kilometern um den Grand Canyon im Besitz der beiden Firmen Vane Minerals [8] und Denison Mine Corp. aus Kanada. An letzterer sei wiederum zu 20 Prozent das Unternehmen Korea Electric Power beteiligt, das seinen Urananteil nach Südkorea und Frankreich verschiffe. Den Moratoriumsgegnern gehe es also nicht um Arbeitsplätze für Amerikaner oder elektrischen Strom für Amerika.

Abgesehen davon wird ja auch nur ein Teil des Uranbergbaus eingeschränkt, und das Natururan kann weiter abgebaut werden, sobald das Moratorium ausläuft oder ein anderer politischer Wind weht - vergleichbar mit dem von der rot-grünen Bundesregierung beschlossenen, vermeintlich unumkehrbaren Ausstieg aus der Atomenergienutzung, der von der schwarz-gelben Nachfolgeregierung rückgängig gemacht wurde. (Allerdings wurde der Atomausstieg unter dem Eindruck der Havarie des japanischen Akw Fukushima-Daiichi am 11. März 2010 erneut eingeleitet.)

Uran, Kupfer und andere mineralische Rohstoffe, deren Abbau im Grand Canyon Nationalpark eingeschränkt wurde, könnte man auch als Erbe bezeichnen, das die jetzige US-Administration für zukünftige Generationen aufhebt. Einen Uran-Engpaß droht nicht, denn in Nordamerika erlebt der Uranbergbau einen Aufschwung, wie an drei Beispielen deutlich wird: Im Dezember 2010 hat das Unternehmen Uranium Energy Corp (UEC) die Produktion in der Goliad-Uranmine in Südtexas aufgenommen. Die Lagerstätte wird auf mindestens 2100 Tonnen Uran geschätzt. [9] Im US-Bundesstaat Virginia läuft ein 30jähriges Moratorium des Uranbergbau aus. Gouverneur Bob McDonnell betonte anläßlich der Veröffentlichung einer Evaluation des Uranbergbaus für Virginia durch den National Research Council, daß er den Report nicht kommentiere, aber daß es für den Bundesstaat wichtig sei, hinsichtlich einer möglichen Aufhebung des Moratoriums "klug" zu bleiben. Alle Energie-Entwicklungsoptionen sollten verfolgt werden, wenn Arbeitsplätze geschaffen, die Wirtschaft gefördert, die Abhängigkeit Virginias und der USA von der Energieversorgung aus dem Ausland verringert werden könne und es gleichzeitig auf sichere und verantwortungsbewußte Weise geschehe. [10]

Auch der nördliche Nachbarn der USA fördert den Uranbergbau weiter. Ebenfalls im Dezember haben die kanadischen Inuit der Nunatsiavut-Assembly (Versammlung) einstimmig ein im April 2008 verhängtes Moratorium der Erschließung von Uranlagerstätten auf dem von ihnen verwalteten Land in Labrador aufgehoben. Rechtsgültig wird der Vorgang, wenn auch das Nunatsiavut-Umweltschutzgesetz in Kraft tritt, was nicht vor dem 9. März 2012 sein wird. [11]

US-Präsident Barack Obama setzt auf den Ausbau der Atomenergie und hat dafür im Haushalt 36 Milliarden Dollar vorgesehen. Sie sind als Kredite für die Akw-Betreiber und den Bau neuer Kernkraftwerke vorgesehen. Das "atomfreundliche" Nuclear Energy Institute rechnet mit dem Bau von bis zu acht neuen Reaktoren bis 2020, was vielleicht übertrieben ist, aber durchaus die Einstellung der US-Administration trifft. Die Fukushima-Katastrophe führte zu keiner Abkehr der Akw-Pläne, sondern könnte lediglich zu Verzögerungen bei der Realisierung des Baus neuer Meiler führen.

Die Entscheidung des US-Innenministers für das Moratorium neuer Bergbaukonzessionen fällt zu einem Zeitpunkt, an dem die Obama-Regierung sich auf den Wahlkampf vorbereitet und versucht, bei der umweltbewußten Wählerschaft zu punkten. Bei der hat sie einiges Ansehen verloren, nachdem der Präsident den Bau des höchst umstrittenen Pipeline-Projekts Keystone XL, das Erdöl aus kanadischen Teersanden in den Süden der USA befördern soll, abgesegnet hat. Auch die Klimaschutzpolitik der Obama-Regierung und ihr Widerstand gegen das EU-Emissionsystem für die Flugverkehr kommen bei Umweltschützern nicht gut an. Noch nicht vergessen ist ebenfalls das Lavieren der Regierung im Zusammenhang mit der Havarie der Ölplattform Deepwater Horizon und der gewaltigen Ölverseuchung des Golfs von Mexiko. In diesem Jahr dürften wohl alle Entscheidungen der US-Regierung im Zeichen des Wahlkampfs stehen. Der Aspekt trifft selbst für das Moratorium zu, wenngleich eine Richtungsentscheidung gegen den Bergbau und für die Tourismuswirtschaft schon vor zweieinhalb Jahren getroffen wurde.



Anmerkungen:

[1] Press Release: Secretary Salazar Announces Decision to Withdraw Public Lands near Grand Canyon from New Mining Claims Allows for monitoring to determine impact of uranium mining on vital watershed, 9. Januar 2012
http://www.doi.gov/news/pressreleases/Secretary-Salazar-Announces-Decision-to-Withdraw-Public-Lands-near-Grand-Canyon-from-New-Mining-Claims.cfm

[2] "Obama moves to protect Grand Canyon from uranium mining", BusinessGreen, 10. Januar 2012
http://www.businessgreen.com/bg/news/2136420/obama-moves-protect-grand-canyon-uranium-mining

[3] "US bans new mining claims near Grand Canyon", Associated Press/Deseret News, 9. Januar 2012
http://www.deseretnews.com/article/print/700213776/US-bans-new-mining-claims-near-Grand-Canyon.html

[4] "Grijalva: Don't believe GOP's mining claims", Raúl M. Grijalva, in: The Arizona Republic", 31. Oktober 2011
http://www.azcentral.com/arizonarepublic/opinions/articles/2011/10/30/20111030grijalva31-gop-mining-claims.html

[5] "John McCain - Contributions by Industry", U.S.News & World Report, aus dem Internet abgerufen am 11. Januar 2012
http://www.usnews.com/congress/mccain-john/industries

[6] "Salazar extends uranium mining ban at Grand Canyon National Park", DeseretNews, 26. Oktober 2011
http://www.deseretnews.com/article/705393195/Salazar-extends-uranium-mining-ban-at-Grand-Canyon-National-Park.html

[7] "Grand Canyon uranium ban draws cheer, jeers", The Salt Lake Tribune, 9. Januar 2012
http://www.sltrib.com/sltrib/politics/53263246-90/canyon-uranium-decision-energy.html.csp

[8] Anders als von Grijalva angegeben ist Vane Minerals nicht in Kanada ansässig, sondern im Vereinigten Königreich. Siehe:
http://www.vaneminerals.com/contactus/

[9] "New US mine set for development", World Nuclear News, 22. Dezember 2011
http://www.world-nuclear-news.org/ENF-New_US_mine_set_for_development-2212114.html

[10] "Report gives pointers for Virginia mining", World Nuclear News, 20. Dezember 2011
http://www.world-nuclear-news.org/ENF-Report_gives_pointers_for_Virginia_mining-2012117.html

[11] "Labrador uranium moratorium lifted", World Nuclear News, 15. Dezember 2011
http://www.world-nuclear-news.org/ENF-Labrador_uranium_moratorium_lifted-1512117.html

11. Januar 2012