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ATOM/440: Alarm in Hanford (SB)


Lagertunnel für hochradioaktive Abfallstoffe eingebrochen


Am Dienstagmorgen ist auf dem riesigen Gelände der Atombombenproduktionsstätte Hanford im Norden der USA ein Tunnel eingebrochen, in dem hochradioaktives Material auf Eisenbahnwaggons gelagert war. Nach Angaben des US-Energieministeriums wurde niemand verletzt, und es wurden keine erhöhten Radioaktivitätswerte registriert. [1]


Vereinfachte Karte des Hanford-Standorts - Bild: U.S. Fish and Wildlife Service

Der Tunneleinbruch ereignete sich im Zentrum des Geländes in der Nähe des Gebiets "200 East"
Bild: U.S. Fish and Wildlife Service

Nachdem der Notfallalarm ausgerufen worden war, waren mehrere tausend Arbeiterinnen und Arbeiter evakuiert bzw. aufgefordert worden, sich in Schutzbereiche zu begeben, die Ventilatoren auszustellen und weder Wasser noch Speisen zu sich zu nehmen. Tags darauf begannen Kontraktarbeiter damit, einen befestigten Schotterweg zu dem sechs mal sechs Meter großen Loch zu legen, damit es mit Erdreich geschlossen werden konnte. Inzwischen wird gemeldet, daß es gelungen ist, das Loch mit 53 Lastwagenladungen Erdreich zuzuschütten.

Sollten weiterhin keine erhöhten Strahlenwerte in der Umgebung gemessen werden, wäre das zwar Glück im Unglück, aber eines läßt sich nun nicht mehr vermeiden: Die Kosten für die Dekontamination der im US-Bundesstaat Washington gelegenen, 1517 km² großen Atombombenproduktionsstätte, die die doppelte Fläche des Stadtstaats Hamburg einnimmt, werden weiter steigen, und der Zeitpunkt, wann die Beseitigung und Verbringung des strahlenden Erbes abgeschlossen ist, dürfte nach hinten verlegt werden. Das heißt, über das Jahr 2060(!) hinaus ...

In Hanford wurde rund ein halbes Jahrhundert lang die giftigste Substanz der Welt hergestellt, Plutonium. Im Rahmen des geheimen Manhattan-Projekts wurde dieser Strahlenstoff für die weltweit erste Atombombe verwendet, die am 16. Juli 1945 im Testgebiet Trinity nahe Alamogordo in New Mexico gezündet worden war. Auch "Fat Man", die Bombe, mit der rund drei Wochen darauf die USA die japanische Stadt Nagasaki dem Erdboden gleichgemacht und auf einen Schlag rund 40.000 Einwohner getötet haben, hatte Plutonium aus Hanford geladen.


Rund ein halbes Dutzend angerosteter Fässer auf der Hanford Site - Foto: U.S. Department of Energy

Rostende Fässer mit Atommüll bilden nicht nur in Hanford ein enormes Handhabungs- und Entsorgungsproblem, wie das Beispiel des Lagers beim Akw Brunsbüttel zeigt.
Foto: U.S. Department of Energy

Der jetzt eingebrochene, bereits vor über 50 Jahren aus Holz und Beton gebaute, später mit Erde überdeckte, mehr als hundert Meter lange Tunnel führte zu der Plutonium-uranium-extraction-Anlage (PUREX) in einem Gebiet mit der Bezeichnung "200 East Area". Nach Angaben des ehemaligen Mitarbeiters des Energieministeriums, Robert Alvarez, ist das in dem Tunnel gelagerte Material "a very high hazard operation", das heißt, es ist hochgradig verstrahlt und seine Beseitigung nur unter umfassenden Sicherheitsvorkehrungen möglich. [2]

Hanford wird bereits seit 1989 dekontaminiert. Dabei mußten immer wieder Pläne über den Haufen geworfen werden, weil das Ausmaß der radioaktiven Verseuchung größer war als angenommen. Als besonders problematisch erwiesen sich Dutzende einwandige Tanks (von insgesamt 177), die teilweise ins Erdreich eingelassen waren und ein Gemisch aus flüssigen und teils festen, hochradioaktiven Substanzen enthielten. Einige Tanks waren durchgerostet, ihr Inhalt bewegte sich im Untergrund auf den nahegelegenen Columbia-Fluß zu, aus dem die Stadt Richmond ihr Trinkwasser bezieht. Auch das trug dazu bei, daß die Hanford Site das "amerikanische Tschernobyl" oder auch "das Untergrund-Tschernobyl, das nur auf seinen Zeitpunkt wartet", genannt wird.

Allein für dieses Fiskaljahr erhält die Hanford Site 2,3 Mrd. Dollar, von denen 1,5 Mrd. Dollar für die Dekontamination jener Tanks vorgesehen sind. Die veranschlagten Gesamtkosten der Dekontamination der Tanks: 110 Mrd. Dollar.

Daß die USA diesen Nuklearstandort dekontaminieren, bedeutet nicht, daß sie die Produktion plutoniumhaltiger Atombomben einstellen. Das Pentagon hat eine umfangreiche Modernisierung seiner Atomsprengköpfe beschlossen. Dazu sind Investitionen in Höhe von bis zu einer Billion Dollar bis zum Jahr 2030 vorgesehen.

Sowohl aufgrund seiner Größe als auch seines Verseuchungsausmaßes ist der Nuklearstandort Hanford unübertroffen in der westlichen Welt. Dennoch gibt es viele kleine Hanfords in den Vereinigten Staaten, und wenn der gegenwärtige politische Kurs beibehalten wird, werden noch weitere hinzukommen. Doch der Kontaminationsgrad von Hanford, Tschernobyl, Fukushima und die vielen weiteren Brandherde des Nuklearzeitalters rund um den Globus werden ihren Schrecken verlieren, sollte es jemals zu einem nuklearen Schlagabtausch zwischen zwei Staaten kommen.


Schaumig-schlierige Oberfläche des Tankinhalts, rostige Tankinnenwandung, von oben ragt ein verbogenes Rohr ins Bild - Foto: Pacific Northwest National Laboratory

Der doppelwandige Atommülltank 101-SY hat einen so kräftigen "Rülpser" ausgestoßen, daß sich dadurch ein Stahlrohr verbog.
Foto: Pacific Northwest National Laboratory


Fußnoten:

[1] http://www.hanford.gov/c.cfm/eoc/?page=290

[2] https://www.washingtonpost.com/news/post-nation/wp/2017/05/09/tunnel-collapses-at-hanford-nuclear-waste-site-in-washington-state-reports-say/


11. Mai 2017


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