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ATOM/457: Kraftwerke Australien - den Teufel durch den Beelzebub ... (SB)



In Australien gibt es kein Atomkraftwerk, das kommerziell elektrische Energie erzeugt. Doch das könnte sich ändern. Weil der Druck auf die Regierung von Premierminister Scott Morrison wegen seiner umstrittenen Kohlepolitik und der aktuell verheerenden Buschbrände wächst, gewinnen Stimmen an Gewicht, die schon seit längerem fordern, daß Australien sein Moratorium gegen Atomenergie aufheben sollte.

Die Akws emittieren zwar nur dann rechnerisch weniger CO₂ als beispielsweise Kohlekraftwerke, wenn man die Ver- und Entsorgung von Nuklearmaterial nicht einbezieht, doch dieser Widerspruch kümmert die Atomlobby nicht. Ein früheres Konzept sah vor, daß bis zum Jahr 2050 25 Akws gebaut werden, die ein Drittel der elektrischen Stromversorgung des Landes abdecken.

"Die Buschbrände sollten uns letztlich rational über Nuklearenergie nachdenken lassen", titelte am 7. Januar 2020 der politische Kommentator der "National Post", Kelly McParland, seine Forderung nach einer Neubewertung der "emissionsfreien", aber von öffentlichen Ängsten "behinderten" Atomtechnologie. Ausgehend von seiner Kritik an der Kohleverstromung - Australien erzeugt Dreiviertel seiner elektrischen Energie mittels Kohle und exportiert eine noch größere Menge an Kohle in andere "enthusiastische Kohleverstromungsländer wie China und Japan" - entwirft der Autor unter Berufung auf den umstrittenen dänischen Ökonomen Björn Lomborg ein Szenario, wonach es sehr vernünftig erscheinen soll, Atomkraftwerke zur Stromproduktion zu bauen. [1]

Die gleiche Stoßrichtung nahm der Ökonom John Quiggin, Professor an der School of Economics der University of Queensland, ein. Im September 2019 und damit noch vor Beginn der verheerenden Buschbrände in Australien erläuterte er online für "The Conservation" sein Konzept, wonach die Nuklearenergie in Verbindung mit einem Kohlenstoffpreis eingeführt werden sollte, ansonsten Akws nicht mit fossilen Energiekraftwerken konkurrieren könnten. Zudem forderte er die australische Regierung auf, die Notwendigkeit des Klimaschutzes anzuerkennen. [2]

Australien verfügt nur über einen kleinen Kernreaktor, Lucas Heights, bei Sydney. Dort werden Isotope für medizinische Zwecke hergestellt. Der Wunsch der Atomlobby nach Aufhebung des 1998 verhängten Verbots von kommerziellen Atomkraftwerken zur elektrischen Stromproduktion erhielt in den letzten Jahren immer häufiger Zuspruch aus Industrie, Wissenschaft und Politik. Besonders der Bundesstaat Südaustralien - auch dort brennt das Land, wenngleich nicht so umfangreich wie im benachbarten New South Wales - macht sich für den Import von Atommüll und die Aufhebung des Akw-Verbots stark. Auch auf Bundesebene wird mit dem Gedanken gespielt, Atomkraftwerke zu bauen. Im vergangenen Jahr hat das Umwelt- und Energiekomitee des australischen Parlaments empfohlen, die Nuklearpolitik zu überdenken und das Atomenergiemoratorium zumindest partiell aufzuheben, um neue Technologien einzusetzen.

Australien könnte anderen Ländern den Atommüll abnehmen und bei sich lagern. Das brächte reichlich Devisen ein und zusätzlich könnte es einen Schnellen Brüter bauen, der mit aufbereiteten Brennstäben gefüttert würde, lautet ein weiteres Konzept. Dazu zählte auch der Bau herkömmlicher Akws, die mit heimischem Uran gefüttert würden. Australien verfügt über die weltweit größten Uranreserven und ist drittwichtigster Exporteur dieses Kernbrennstoffs.

Was die Atomlobby verschweigt: Akws emittieren nur während ihrer Betriebszeit deutlich weniger Treibhausgase als Kohlekraftwerke. Akws fallen aber nicht vom Himmel. Sie müssen gebaut werden und dazu wird unter anderem sehr viel Stahl und Zement benötigt. Beide Materialien können nur mit hohem Energieeinsatz hergestellt werden, was bedeutet, daß ein Akw schon einen beträchtlichen Teil der Energie verbraucht hat, noch bevor es die erste Kilowattstunde Strom ins Netz einspeist. Entsprechend hoch sind auch die klimarelevanten Emissionen. Zumal der Uranabbau, das Zermahlen des Gesteins und Herauslösen der Urananteile sowie die Anreicherung reichlich Energie kosten. Die Entsorgung und Lagerung der abgebrannten Brennstäbe findet selbstverständlich ebenfalls nicht ohne Energie statt. Und mit der störanfälligen Schnelle-Brüter-Technologie feiert zwar der alte Traum des nuklearen Brennstoffkreislaufs Wiederauferstehung, aber bei diesem Konzept werden große Mengen an hochradioaktiven Spaltstoffen hergestellt, die besondere Sicherungsmaßnahmen erfordern. Etwa eine Million Jahre lang ...

Nimmt man jetzt noch die "normalen" Störungen und Unfälle von Akws hinzu, bis hin zu schwersten Nuklearkatastrophen wie Tschernobyl 1986, Three Mile Island 1984 und Fukushima 2011, fällt die Klimabilanz der Atomtechnologie schon sehr viel schlechter aus. In einem Land wie Australien, in dem in einem Jahr weitläufige Überschwemmungen, im nächsten Jahr Hitze- und Dürreperioden mit der Folge riesiger Buschfeuer auftreten, scheint die Idee, den Naturgewalten auch noch Atomkraftwerke in den Weg zu stellen, nicht besonders durchdacht.

Was an so einem Vorschlag "rational" sein soll, wie es der Atomenergiebefürworter McParland für sich reklamiert, erschließt sich jedenfalls nicht. Vielleicht meint er ja jene Ratio, mit der die Atomwirtschaft um Subventionen aus grünen Klimafonds wirbt. In diesem Jahrzehnt werden weltweit Hunderte Milliarden Euro ausgegeben, um eine Transformation auf emissionsärmere Technologien einzuleiten und Schutzmaßnahmen gegen die Klimawandelfolgen zu ergreifen. Da möchte die einflußreiche Atomlobby sicherlich gern die Hand in den Fluß der Subventionen halten und möglichst viel für sich abgreifen.

Der weitere Verlauf des globalen Klimas entscheidet sich in den nächsten zehn Jahren. In dieser Zeit müssen die anthropogenen Treibhausgasemissionen drastisch verringert werden. Ansonsten werden Schwellenwerte in den Natursystemen überschritten und Schadensentwicklungen eingeleitet, die nicht mehr aufzuhalten sind. Sollte Australien Atomkraftwerke bauen, dann würden diese absehbar nicht vor 2030 fertiggestellt. Egal wie vermeintlich klimafreundlich Akws sind, in Australien würden sie den Klimawandel nicht bremsen, sondern beschleunigen.


Fußnoten:

[1] https://nationalpost.com/opinion/kelly-mcparland-heres-hoping-australias-plight-inspires-a-more-rationale-climate-discussion

[2] http://theconversation.com/nuclear-power-should-be-allowed-in-australia-but-only-with-a-carbon-price-123170

10. Januar 2020


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