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GENTECHNIK/247: Chemiecocktail Glyphosat fördert resistente Unkräuter (SB)


Amaranth-Pflanze setzt sich gegen Herbizid zur Wehr

In den USA müssen bereits ganze Baumwollfelder aufgegeben werden


Auch vor der Einführung der Grünen Gentechnik Mitte der neunziger Jahre bestand in der intensiven Landwirtschaft das Problem, daß Schadinsekten, Mikroorganismen und Unkräuter Resistenzen gegen die auf den Feldern versprühten Chemikalien entwickelten. Die entsprechenden Ernteverluste konnten besonders im Monokulturanbau in empfindliche Höhen schnellen. Von der Gefahr der Resistenzbildung ist die Grüne Gentechnik in besonderer Weise betroffen, wobei das Ausmaß des Problems, das auf die Bauern, die sich auf die sogenannte Gentech- Saat eingelassen haben, zukommen könnte, womöglich noch gar nicht vollständig erkannt ist. Regional unterschiedlich haben Unkräuter bereits Widerstand gegen die zu ihrer Vernichtung eingesetzten Herbizide entwickelt.

Gentechnisch manipulierte (GM) Pflanzen haben einen weltweiten Siegeszug angetreten, was darauf hinauslief, daß Saison für Saison mitunter immer nur das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat verwendet wurde. Mal bei Mais, mal bei Soja, immer im Wechsel. Wissenschaftler haben schon lange davor gewarnt, daß so etwas nicht gutgehen könne, man müsse eines Tages mit der vermehrten Entwicklung von Resistenzen rechnen. Die zeigen sich inzwischen allerorten, ob in kanadischen Canola-Felder oder im chinesischen Baumwollanbau.

Der Trend wird zwar von den Agrokonzernen, die Gentechsaat vertreiben, erkannt, aber da sie sich gleichzeitig als Lösung des von ihnen produzierten Problems anbieten, wird das Gefahrenpotential kleingeredet. Beispielsweise behaupten die Konzerne, sie könnten sich durch eine angepaßte chemische Zusammensetzung des Glyphosats auf die wachsende Widerstandsfähigkeit der Unkräuter einstellen. Der unternehmerische Ansehensverlust, der aus dem Scheitern der Grünen Gentechnik entsteht, bleibt in der Regel regional begrenzt und kommt daher nicht ernsthaft zum Tragen.

Am Montag, 18.12.2006, berichtete die Nachrichtenagentur AP über das jüngste Beispiel für Resistenzentwicklung gegen Glyphosat: In den Baumwollfeldern der USA breitet sich ein Unkraut aus, das auf einzelnen Flächen bereits zum Totalverlust der Ernte geführt hat. Palmer amaranth ist eine Pflanze, die zwei bis drei Meter groß, teilweise noch größer werden kann. Das Unkraut wurde bereits in zehn der 100 Bezirke des Bundesstaats North Carolina und in vier von 159 Bezirken Georgias ausfindig gemacht. Forscher nehmen an, daß auch die US-Bundesstaaten Tennessee, South Carolina und Arkansas betroffen sind.

Der Unkrautspezialist Alan York von der Staatsuniversität von North Carolina in Raleigh vergleicht das Schadenspotential der Amaranth mit dem des Baumwollkapselkäfers, der Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA empfindliche Ernteverluste verursacht hat. Damals waren viele Farmer auf den Anbau von Erdnüssen und anderen Pflanzen ausgewichen. Ende der siebziger, anfang der achtziger Jahre wurde der Baumwollkapselkäfer aus einigen Bundesstaaten vertrieben, so daß dort allmählich wieder auf Baumwolle umgestiegen wurde. Heute erzielen die Baumwollproduzenten in den USA einen Jahresumsatz von 4,7 Milliarden Dollar. Die Regierung fördert diese Branche durch hohe Subventionen.

Die Amaranth-Pflanze ist äußerst widerstandsfähig. Während andere Unkräuter nach dem Besprühen mit Glyphosat eingehen, wächst diese Pflanze inzwischen weiter und verdrängt dabei die Baumwolle. Die wurde mittels ihrer Hybridisierung unter anderem mit dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis (Bt) absichtlich unempfindlich gegen Glyphosat gemacht und konnte deshalb problemlos mit dem Mittel besprüht werden, während alle anderen Pflanzen auf dem betroffenen Feld eingingen.

Der chemische Cocktail Glyphosat ist eine Weiterentwicklung des berüchtigten Entlaubungsmittels Agent orange, das die USA im Vietnamkrieg eingesetzt haben, um vermutete Aufmarsch- und Nachschubwege der Nordvietnamesen unterhalb des dichten Dschungeldachs freizulegen, und wird heute unter verschiedenen Markennamen vertrieben. An vorderster Stelle ist hier Roundup des weltgrößten Biotechkonzerns Monsanto zu nennen.

Ein vermeintlicher Vorteil der Grünen Gentechnik besteht darin, daß die Böden nicht mehr so tief oder teils gar nicht mehr umgepflügt zu werden brauchen. Denn Glyphosat läßt die unerwünschten Pflanzen einschließlich ihrer Samen regelrecht verdorren, sie müssen nicht mehr wie früher untergearbeitet werden. Zugleich wird die Bodenkrume tendenziell vor Erosion geschützt. Diese und weitere Vorzüge sowie eine massive Werbekampagne mit entsprechenden Anreizen haben viele Landwirte dazu bewogen, sich den Knebelverträgen mit den großen Biotechkonzernen zu unterwerfen und Jahr für Jahr neues Saatgut im Paket mit Pflanzenschutzmitteln zu kaufen. Das traditionelle Einbehalten eines Teils der eigenen Ernte zum Zweck der Aussaat in der nächsten Saison ist strikt verboten. Monsanto unterhält abgesehen von einem Heer an Detektiven auch ein Heer an Rechtsanwälten.

Das Problem besteht jetzt darin, daß mancher Farmer auf seinen Feldern zwar Wechselwirtschaft betreibt - beispielsweise zwischen Mais und Soja -, aber daß in beiden Fällen das gleiche Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt wird. Auf diesen Feldern ist das Resistenzentwicklungsrisiko am höchsten, wenngleich es sich keineswegs auf solche Fälle beschränkt. Ein häufiges Ausbringen von Glyphosat stärkt grundsätzlich die Pflanzen, die sich darauf einstellen. Die, die überleben, sorgen natürlich für die Nachkommenschaft, welche die Eigenschaft ihrer Eltern übernimmt, und so weiter.

Der Effekt ist aus der Medizin bekannt. Aus diesem Grund hüten sich Krankenhausärzte, zu Beginn einer Antibiotikabehandlung gleich das stärkste Mittel aufzufahren, weil das zur Folge haben könnte, daß die Erreger, die häufig ziemlich mutagen sind, sich darauf einstellen. Schlimmstenfalls hätte man dann kein Abwehrmittel mehr zur Verfügung.

Demgegenüber wird in der Grünen Gentechnik von Anfang an ein starkes Herbizid und oft nur eine einzige Sorte auf den Feldern ausgebracht. Entwickeln sich Resistenzen, wie sie in den USA bei der Amaranth- Pflanze festgestellt wurden, haben Landwirte und Agrokonzerne ein ernsthaftes Problem. Im April 2006 hat Monsanto auf seiner Website vor eben dieser Resistenzentwicklung gewarnt und gemeinsam mit dem Nationalen Baumwollrat Anbaustrategien entwickelt, die von den Farmern übernommen werden sollten.

York und andere Experten sehen nun die einzige Chance zur Rettung der betroffenen Baumwollfelder darin, das Glyphosat zusammen mit weiteren Herbiziden, die gezielt gegen Amaranth gerichtet sind, zu versprühen. Das könnte die Landwirte teuer zu stehen kommen, und der Vorteil der Bt-Baumwolle aus den ersten Produktionsjahren verflüchtigte sich womöglich. Die Agrokonzerne werben damit, daß die Grüne Gentechnik umweltfreundlich sei, weil durch sie weniger Chemikalien in die Umwelt gelangte. Palmer Amaranth beweist dagegen, daß solche Behauptungen verkaufsfördernd, aber nicht verallgemeinerbar sind.

21. Dezember 2006