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GENTECHNIK/262: Bt-Mais führte bei Fliegen zu Minderwachstum (SB)


Neue Studie aus den USA

Ökosysteme möglicherweise durch Bt-Mais gefährdet


Seit Jahren wird ein erbitterter wissenschaftlicher Streit über die Frage geführt, ob der Verzehr von sogenannten gentechnisch manipulierten Pflanzen (GM-Pflanzen) zu Schädigungen der menschlichen Gesundheit führt oder nicht. Bislang konnten sich die Gentechgegner mit ihrer Ansicht gesellschaftlich nicht durchsetzen, auch wenn allein schon das Abfassen eines Gentechnikgesetzes und die Diskussion über Für und Wider die Grüne Gentechnik sicherlich ein Verdienst der Kritiker ist. Denn wäre es nach der Agroindustrie gegangen, so wäre die Grüne Gentechnologie nach ihrer reibungslosen Einführung in den USA ab Beginn der neunziger Jahre als nächstes auch in Europa etabliert worden, ohne daß dies zu nennenswerten Widerständen gekommen wäre.

Anscheinend hätten die Regierungen mitgezogen. Beispielsweise hatte der weltweit führende Agrokonzern Monsanto versucht, die britische Regierung als Brückenkopf für die Ausbreitung der GM-Saaten in der Europäischen Union zu instrumentalisieren. Die Blair-Regierung war nämlich aufgeschlossen gegenüber dem Anliegen der Biotechindustrie, eine Reihe von Regierungsmitgliedern befand sich in einem Interessenkonflikt, da sie Aktienanteile aus dieser Branche besaß. Diesen Zusammenhang haben Gentechnikgegner aufgedeckt und sich unter anderem dadurch Gehör verschafft.

Im Laufe der Jahre wurden immer wieder wissenschaftliche Studien veröffentlicht, aus denen hervorging, daß sich GM-Saaten sehr wohl strukturell von konventionellen Saaten unterscheiden. In zahlreichen Tierversuchen, beispielsweise an Ratten oder Monarchfalterlarven, wurde nachgewiesen, daß der Verzehr von sogenannten gentechnisch manipulierten Pflanzen - im Unterschied zu gleichartigen konventionellen - zu teils schweren Schädigungen des tierischen Organismus oder sogar dessen Tod führen konnte.

Jetzt berichtete die "Süddeutsche Zeitung" (10.10.2007) über Forschungen aus den USA, bei denen erstens festgestellt wurde, daß Blätter, Pollen und anderen Pflanzenteile von Bt-Mais (Bt = Bacillus thuringiensis) in die Oberläufe von Flüssen gelangen und daß sich dies möglicherweise auf die Ökosysteme flußabwärts auswirkt. Die Zeitung bezieht sich auf einen aktuellen Bericht im Wissenschaftsmagazin PNAS (9. Oktober 2007, Bd. 104, Nr. 41, Seite 16204-16208: Toxins in transgenic crop byproducts may affect headwater stream ecosystems, von E. J. Rosi-Marshall et al.). Aber wieder einmal scheinen Forscher nicht das eindeutige und zweifelsfreie Ergebnis einer Schädlichkeit von Bt-Mais erbracht zu haben.

Die Studie setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Zum einen wiesen die Forscher mit Hilfe von Sieben in und Klebefallen an zwölf Flüssen in der Nähe von Feldern mit Bt-Mais nach, daß Pollen bis zu 60 Meter weit fliegen und Pflanzenteile bis zu 180 Meter weit schwimmen können. Im Darm von Köcherfliegenlarven fanden die Forscher dann jene Pollen, die von den Insekten am Grund abgesucht oder in Netzen gefangen worden war.

Aber nun stellte sich den Forschern die Frage, ob das gentechnisch veränderte Pflanzenmaterial irgendeine Schädigung bewirken könnte. Zum zweiten begaben sich die Forscher deshalb ins Labor und stellten bei ihren Versuchen fest, daß zwei Köcherfliegen-Arten, die mit gentechnisch veränderten Pflanzenbestandteilen gefüttert wurden, nur halb so schnell wuchsen wie Artgenossen, die gentechnikfreien Mais erhielten. Zudem wurden die "Gentechnik"-Fliegen mit der gleichen Menge an GM-Material gefüttert, wie sie zuvor in den Verdauungstrakten der im Fluß gefangenen Larven nachgewiesen wurde.

Aus dieser Studie folgt, daß das Toxin Cry1Ab des Bt-Maises, das sich gegen Pflanzenschädlinge wie den Maiszünsler - nicht aber gegen die Köcherfliegen - richtet, eventuell die Ökosysteme schädigt. Denn Köcherfliegen, die langsamer wachsen, zeugen weniger Nachkommen. Diese Insekten dienen aber anderen Arten als Nahrungsgrundlage, so daß aufgrund des landwirtschaftlichen Anbaus von Bt-Mais mit einer unerwünschten Veränderung der Ökosysteme zu rechnen wäre.

In der Wissenschaft ist jedoch vieles nicht so, wie es auf den ersten Blick scheint. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, daß Prof. Joachim Schiemann von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Braunschweig, aufgrund dieser Studie keine Neubewertung des Risikos von Bt-Maisanbau in Deutschland für erforderlich hält. Ein Laborversuch bedeutet nach Ansicht Schiemanns nicht zwangsläufig, daß es zu dem gleichen Phänomen im Freiland käme. Darüber hinaus bemängelt er, daß die Forscher nicht angegeben haben, welche Linien des Bt-Maises involviert waren. So wisse man auch nicht, ob es sich um Linien handele, die auch in Deutschland zugelassen seien.

Es stimmt, daß Laborversuche andere Ergebnisse erbringen als Freilanduntersuchungen. Doch was folgt daraus? Werden die US-amerikanischen Untersuchungsergebnisse in Deutschland weiterverfolgt, beispielsweise indem die Lücken der Studie geschlossen werden? Und weiter: Selbst wenn es sich bei den Fütterungsstudien "nur" um Laborversuche gehandelt hat, stellt sich die Frage, wie es sein kann, daß Bt-Pflanzenmaterial zu einem verminderten Wachstum von Fliegenlarven führt, während die Fliegen der Vergleichsgruppe davon nicht betroffen waren.

10. Oktober 2007