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GENTECHNIK/267: Das Monsanto-Märchen von der Ertragsverdoppelung (SB)


Monsanto als Retter der Welt?

Biotechkonzern verbreitet Perspektive von hohen Ertragssteigerungen


Es ist zwar noch nicht Weihnachten, aber manche Märchen lassen sich auch außerhalb der Saison ganz gut erzählen. Zumal wenn die Lebensverhältnisse außerhalb der Stube unwirtlich sind und Menschen unter bitterer Armut leiden. Dann sind sie besonders empfänglich für Geschichten, die einem so richtig warm ums Herz werden lassen.

Da trafen sich diese Woche Staats- und Regierungschefs sowie zahlreiche Experten bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen in Rom, um über Maßnahmen im Kampf gegen den wachsenden Hunger in der Welt zu beraten. Die drastisch gestiegenen Lebensmittelpreise haben nämlich dazu geführt, daß viele Menschen, die ohnehin nahezu ihr gesamtes Einkommen für Nahrung ausgeben müssen, nun gezwungen sind, am Essen zu sparen. Das hat in Haiti bereits dazu geführt, daß die Bevölkerung gesalzene Lehmfladen ißt, um überhaupt etwas im Magen zu haben.

Und nun kommt das Märchen: Monsanto, der weltgrößte Agrokonzern, der biotechnologisches Saatgut vertreibt, hat angekündigt, daß er bis zum Jahr 2030 Saaten entwickeln wird, mit denen die Erträge von Mais, Soja und Baumwolle verdoppelt werden, die aber gleichzeitig 30 Prozent weniger Wasser, Landfläche und Energie zum Wachsen benötigen.

Same procedure as every year, möchte man ausrufen, denn Jahr für Jahr wiederholen Lobbyisten der Biotechbranche die Mär von der Unverzichtbarkeit der Grünen Gentechnik bei der Bekämpfung des Hungers in der Welt. Beispielsweise durch den goldenen Reis. Forscher aus der Schweiz und Deutschland berichteten vor acht Jahren voller Stolz, daß sie einen betakarotinhaltigen Reis gezüchtet hätten, mit dem der in der Dritten Welt häufig auftretende Vitamin-A-Mangel, der bis zur Erblindung der Betroffenen führen kann, behoben werden könnte. Dieses Märchen - und um ein solches handelt es sich zweifellos - wurde nach einigen Jahren nochmals wiederholt, aber bis heute wird mit dem Goldenen Reis lediglich geforscht; von dem behaupteten Nutzen für mangelernährte Kinder kann bislang keine Rede sein. Ob es jemals dazu kommt, steht im Märchenhimmel.

Wenn nun Monsanto von einer Verdoppelung der Erträge spricht, so begründet der Konzern den behaupteten Anstieg zum einen mit Hybridzüchtungen, in die mittels sogenannter gentechnischer Verfahren tierische oder pflanzliche Fremdsubstanzen eingekreuzt werden, zum anderen auf einen genetischen Test, mit dessen Hilfe Pflanzen für konventionelle Kreuzzüchtungen selektiert werden, was die Entwicklung von marktfähigen Sorten enorm beschleunigen soll. Darüber hinaus, und das ist der Höhepunkt des Märchens, soll die Ertragssteigerung auch durch eine flächendeckende Verbreitung von Monsanto-Saaten gewährleistet werden.

Mit anderen Worten, der Konzern hat geplant, bis 2030 zu expandieren. Das kann man nicht gerade als genialen Einfall bezeichnen, denn das wollen natürlich alle Unternehmen. Es handelt sich somit um das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Niemand soll merken, daß hier das alte und längst durch Produktionszahlen an unterschiedlichen Standorten widerlegte Heilsversprechen der Ertragssteigerung aufgehübscht wird.

Zwar trifft es zu, daß die gentechnisch veränderten Saaten bei Mais, Soja, Raps oder Baumwolle in einigen Regionen höhere Erträge abgeworfen haben, aber in anderen Regionen verhielt es sich genau umgekehrt. Zudem steht hinter der tendenziell ablehnenden Haltung der Regierungen der Europäischen Union weder Fortschrittsverweigerung noch ein Versuch, die Konkurrenz aus den USA in die Schranken zu weisen, sondern schwerwiegende gesundheitliche und ökologische Bedenken seitens der Bevölkerung.

Monsanto als Retter der Welt? Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Welt soll Monsanto retten, indem sie seine Produkte kauft.

6. Juni 2008