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GENTECHNIK/271: Formaldehyd-Bindung durch Arabidopsis nicht bewiesen (SB)


Gentechniker verheißen Züchtung von Pflanzen, die giftige Gase binden können

Forschungsergebnisse uneindeutig


Wie bei jeder anderen wissenschaftlichen Disziplin verfolgen auch die an der Gentechnologie beteiligten Forscher berufsständische Interessen. Sie stellen ihre Arbeit auf möglichst vorteilhafte Weise dar, meiden öffentliche Diskussionen über Widersprüche innerhalb ihres Theoriengebäudes und versuchen vor allem, ihre Tätigkeit als unverzichtbar für die Gesellschaft erscheinen zu lassen. In der Grünen Gentechnik treibt dieses Anliegen mitunter seltsame Blüten. Da verbreiten diese Woche diverse Internetportale und Nachrichtenagenturen wie AFP [1] die Meldung, daß japanische Forscher mittels gentechnologischer Verfahren eine Topfpflanze gezüchtet haben, die das giftige Gas Formaldehyd absorbieren kann.

Formaldehyd wird von neuen Möbeln und Baustoffen ausgegast und kann dazu führen, daß die Bewohner von betroffenen Wohnungen erkranken. Die von dem Forscher Katsura Izui, Professor für molekulare Pflanzenphysiologie der Universität Kinki im Westen Japans, vorgebrachte Idee lautet, daß die von ihnen gezüchtete Pflanzen ständig Formaldehyd absorbieren könnten.

Izui und sein Kollege Prof. Yasuyoshi Sakai von der Universität Kyoto experimentierten unter anderem mit dem Klassiker der Pflanzenforschung, der Arabidopsis thaliana. Die wächst schnell heran und hat eine Lebensdauer von zwei Monaten. Deshalb eignet sie sich besonders gut für Züchtungsforschung. Erfolg oder Mißerfolg lassen sich an der Pflanze relativ schnell ablesen, so daß die Forscher mehrere Versuchsreihen innerhalb eines Jahres durchführen können.

In diese Pflanze wurden offenbar erfolgreich zwei sogenannte Gene von Methylotrophen eingezüchtet. Dabei handelt es sich um Mikroorganismen, die Formaldehyd zum Wachstum brauchen. Im nächsten Schritt haben die Forscher ihre gezüchtete Arabidopsis in einem Kasten mit Formaldehyd aufgezogen. Zum Vergleich wurde auch die Wildform dieser Pflanze den gleichen Umweltbedingungen ausgesetzt. Nach vier Wochen waren sämtliche Wildpflanzen gestorben, während die Zuchtprodukte überlebten. Außerdem hatte bei letzteren die Formaldehydkonzentration im Behältnis um rund zehn Prozent abgenommen. Ähnliche Ergebnisse wurden auch mit der Tabakpflanze erzielt.

Man sollte meinen, daß damit der Beweis für die erfolgreiche Filterung vergifteter Luft mittels einer gentechnisch veränderten Pflanze erbracht wurde. Irrtum. Izui selbst räumte ein, daß die Verringerung der Formaldehydkonzentration auch von Agar, dem Nährsubstrat der Pflanzen, absorbiert worden sein konnte. Formaldehyd sei extrem wasserlöslich, deshalb wolle man als nächstes neue Verfahren entwickeln, die eine genauere Beobachtung ermöglichten.

Das heißt, die Forscher haben keine eindeutigen Ergebnisse produziert. Selbst wenn sich in weiteren Versuchen herausstellen sollte, daß tatsächlich die genveränderte Pflanze und nicht das Nährsubstrat Formaldehyd absorbiert hat, bleibt eine Vielzahl von Fragen unbeantwortet. Wer will sich schon eine Arabidopsis ins Zimmer stellen? Die Eigenschaft der Laborpflanze muß erst auf eine andere Pflanze, besser noch auf eine Reihe von Zimmerpflanzen übertragen werden. Des weiteren muß sich die eingezüchtete Eigenschaft langfristig halten - eine gentechnisch veränderte Pflanze nutzt wenig, wenn der Effekt mit der Zeit abnimmt oder verschwindet. Außerdem müssen die Forscher sicherstellen, daß ihre Pflanze das Formaldehyd nicht wieder abgibt, vergleichbar mit anderen typischen Stoffwechselvorgängen während des Tag-Nacht-Rhythmus.

Diese Probleme sind fundamental. An ihnen kann das ganze Projekt scheitern. Aber einmal angenommen, es gelänge womöglich in vielen Jahren, eine "formaldehyd-fressende" Pflanze zu züchten - wer möchte in Räumlichkeiten leben, die giftige Gase ausdünsten und krank machen? Wäre es nicht angebrachter, solche gesundheitsgefährdenden Materialien erst gar nicht zu verwenden?

Die Grüne Gentechnik hat ein beträchtliches Legitimationsproblem. Das kann auch durch solche vermeintlichen Erfolgsmeldungen, die sich bei genauerer Betrachtung als bloßes Versprechen erweisen, nicht behoben werden.


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Anmerkungen:

[1] http://news.yahoo.com/s/afp/20081111/sc_afp/sciencelifestylejapanconstruction_081111171223 1111171223

14. November 2008