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GENTECHNIK/281: Vermeintlicher Klimaschutz durch Grüne Gentechnik (SB)


Gentechnik in der Landwirtschaft angeblich wichtig, um mit Klimaveränderungen zurechtzukommen


Als eine der vielen Ideen, Vorschläge und Konzepte, wie dem Klimawandel am besten zu begegnen sei, wurde diese Woche wieder einmal die Verbreitung der Grünen Gentechnik und der Nanotechnologie in der Landwirtschaft propagiert. Der ehemalige britische Kulturminister und heutige Vorsitzende der Umweltbehörde, Lord Chris Smith, vertrat auf der Jahreskonferenz des nationalen Bauernverbands NFU (National Farmers Union) in Birmingham die Ansicht, daß diese Technologien unter anderem dazu beitragen werden, mit dem bevorstehenden Wassermangel zurechtzukommen. Der Klimawandel, der die Land- und Umweltressourcen vor neue Herausforderungen stelle, sei eine Chance für neuartige Nutzpflanzen und Anbausysteme, sagte Smith laut der britischen Zeitung "The Guardian". [1]

In Großbritannien besteht seit den 1990er Jahren zwischen Regierung und Bevölkerung eine Diskrepanz hinsichtlich der Bewertung, ob die Grüne Gentechnik mehr Nutzen oder mehr Schaden bringt. Vor einigen Jahren hatten die Mitglieder der Regierung ihren Standpunkt jedoch aufgrund des enormen Widerstands in der Bevölkerung gegen die Gentechnik in der Landwirtschaft vorsichtiger vorgetragen. Inzwischen wird unverhohlen behauptet, daß die Gentechnik ein Segen ist und ihr Verzicht schlimmste Folgen für die Nahrungsversorgung Großbritanniens hätte. In der kürzlich vorgestellten "Food Strategy 2030" wird der Gentechnik eine hohe Bedeutung hinsichtlich der Versorgungssicherheit zugesprochen. [2]

Smith ignoriert mit seiner Erklärung u. a. die Expertise von rund 400 Experten, die den Weltagrarbericht erstellten, von dem im vergangenen Jahr eine deutsche Fassung als "Synthesebericht" vorliegt. Darin teilen sie Vorstellungen wie, daß dem wachsenden Hunger in der Welt mit einer zweiten Grünen Revolution, das heißt einer industriellen Landwirtschaft, oder auch der Gentechnologie wirksam begegnet werden könne, eine Absage. Statt dessen empfehlen sie eindringlich, in die landwirtschaftlichen Strukturen der Entwicklungsländer zu investieren und das Kleinbauerntum zu fördern.

Nun könnte man argumentieren, daß das gleiche nicht unbedingt auf Großbritannien zutreffen müsse, da es schon über einen hochtechnologisierten Agrarsektor verfüge. Doch das hieße, die Augen davor zu verschließen, daß die Verbreitung der Grünen Gentechnik den anhaltenden Verlust der Sortenvielfalt noch beschleunigt und andererseits den Monokulturanbau fördert. Und dort, wo eine Wechselfruchtfolge eingehalten wird, kann es in diesem Zusammenhang auf eine Weise zum Einsatz gentechnisch veränderter Sorten kommen, daß die verschiedenen Pflanzen laufend mit den gleichen Pestiziden behandelt werden, was die Resistenzentwicklung vorantreibt. Somit stellte sich selbst für ein Industrieland wie Großbritannien die Frage, ob die Grüne Gentechnik die aussichtsreichsten Ansätze bietet, um auf die Anforderungen durch die zu erwartenden klimatischen Veränderungen zu reagieren bzw. um rechtzeitig genügend flexible Agrarsysteme zu installieren.

Ähnlich wie die Atomlobby für die Verbreitung von Kernkraftwerken wirbt, um auf diese Weise den Folgen des sogenannten Klimawandels zu begegnen, so versuchen inzwischen auch die Anhänger der Grünen Gentechnik auf den Zug aufzuspringen, um den Eindruck der Unverzichtbarkeit dieser Technologie zu etablieren. Der Klimawandel wird von ihnen deshalb instrumentalisiert, weil er sich hervorragend als düstere, kaum faßbare, beinahe apokalyptische Bedrohung eignet. Anstatt aus der Klimaentwicklung und der Anfälligkeit der menschlichen Systeme, auf Veränderungen ihrer Umwelt angemessen reagieren zu können, den Schluß zu ziehen, daß sich die über Jahrhunderte gewachsene Wirtschaftsweise in einer Krise befindet, die zu beheben anscheinend strukturelle, die menschliche Gesellschaft in ihren Grundfesten erschütternde Veränderungen erfordert, wird von der Atom- ebenso wie von der Gentechniklobby behauptet, man könnte im Prinzip so weiter wirtschaften bzw. Landwirtschaft betreiben wie bisher. Der technologische Fortschritt habe zwar entscheidend zur Erderwärmung beigetragen, aber nun sei er in der Lage, sie zu bremsen; ebenso wie die (vermeintliche) Spitzentechnologie in der Landwirtschaft - die Hybridisierung von Pflanzen weit über Artgrenzen hinweg - die Lösung für die globale Hungerkrise sei.


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Anmerkungen:

[1] "GM and farming technology 'key to fighting climate change'", The Guardian, 24. Februar 2010
http://www.guardian.co.uk/environment/2010/feb/24/gm-precision-farming-environment-agency

[2] Näheres unter:
GENTECHNIK/280: Food Strategy 2030 - Genfood für die Briten (SB)

24. Februar 2010