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KLIMA/276: Anstieg der globalen CO2-Emissionen verdreifacht (SB)


Weltweiter Sprung der Kohlendioxidemissionen


Die Erderwärmung hat aufgrund des schnellen Wirtschaftswachstums eine überraschende Beschleunigung erfahren. Das berichtete die führende australische Forschungsorganisation CSIRO (Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization) am gestrigen Dienstag in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS). Die Forscher begründen ihre Einschätzung mit der Zunahme an Treibhausgasemissionen und vermelden, daß in den neunziger Jahren ein jährlicher Anstieg des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) von 1,1 Prozent registriert worden sei, dieser aber im Zeitraum 2000 bis 2004 schon 3,1 Prozent erreicht habe.

Die internationalen Experten um den australischen Wissenschaftler Mike Raupach vom Global Carbon Project der CSIRO haben berechnet, daß im Jahr 2005 weltweit fast acht Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid in die Atmosphäre entlassen wurden. Zehn Jahre zuvor waren es noch sechs Milliarden Tonnen gewesen, was ein Zuwachs von 300 Prozent bedeutet. Raupach führt diesen Anstieg auf die industrielle Entwicklung von Ländern wie China zurück, die einen starken wirtschaftlichen Zuwachs erfahren hätten. Aber auch die Industriestaaten hätten mehr Treibhausgasemissionen produziert, so Raupach.

Keine Region der Erde verringere die Kohlenstoffmenge bei seiner Energieversorgung, erklärten die Forscher. Obgleich wissenschaftlicher Konsens darüber herrsche, daß Kohlenstoffemissionen das Weltklima beeinflußten, habe man weder in den Entwicklungs- noch den entwickelten Ländern Hinweise auf Fortschritte im Umgang mit den Emissionen festgestellt, so Co-Autor Chris Field, Leiter der Abteilung für Globale Ökologie der Carnegie Institution in den USA.

Der aktuellen Studie zufolge übertreffen die tatsächlichen CO2-Emissionen sogar noch das Worst-case-scenario, also die ungünstigste Annahme des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), dem weltweit führenden Klimaexpertengremium der Vereinten Nationen.

Die australischen Forscher berichteten, daß die Zunahme der CO2-Emissionen im wesentlichen auf den gestiegenen Energieverbrauch und den Einsatz von Kohlenstoff, um diesen zu decken, sowie auf die wachsende Weltbevölkerung und das höhere Pro-Kopf-Einkommen zurückgeführt werden kann. Den Entwicklungsländern komme zwar nur ein Anteil von 40 Prozent an den Gesamtemissionen zu, aber zwischen 2000 und 2004 entfalle der CO2-Anstieg zu fast 75 Prozent auf diese Länder, in denen 80 Prozent der Weltbevölkerung lebe. Seit Beginn der industriellen Revolution hätten die reichsten Nationen 77 Prozent der weltweiten Treibhausgase produziert, China hingegen weniger als acht Prozent. Und die 50 am wenigsten entwickelten Länder keine 0,5 Prozent.

Wenn also laut der australischen Studie der CO2-Anstieg zwischen 2000 und 2004 um fast 300 Prozent gestiegen ist, wirken die am Montag veröffentlichten Prognosen der US-Regierung zum CO2-Anstieg von 2004 bis 2030 um 59 Prozent als zu tief gegriffen.

Die U.S. Energy Information Administration schrieb in ihrem diesjährigen International Energy Outlook, daß die globalen Kohlendioxidemissionen von 26,9 Mrd. Tonnen in 2004 auf vermutlich 42,88 Mrd. Tonnen in 2030 steigen werden. Die augenscheinliche Diskrepanz dieser Abschätzung zu den Berechnungen der CSIRO-Forscher geht womöglich darauf zurück, daß die US-Experten nicht den steilen Anstieg der CO2-Emissionen seit 2000 berücksichtigt haben, sondern statt dessen von einem gleichbleibenden Zuwachs an CO2-Emissionen ausgegangen sind. Die lagen im Jahr 1990 bei global 21,2 Mrd. Tonnen.

Logischerweise kann kein Wissenschaftler ernsthaft behaupten, daß es sich bei der Verdreifachung der CO2-Emissionen um einen langfristigen Trend handelt. Das ist einfach aufgrund der Kürze der Zeitperiode nicht absehbar. So riet der Klimaexperte Michael Oppenheimer von der Princeton University zur Vorsicht im Umgang mit den Daten des Global Carbon Projects und machte auf zwei Möglichkeiten, warum es sich um einen befristeten CO2-Anstieg handeln könnte, aufmerksam. Zum einen hätte sich die Wirtschaft um den Millenniumswechsel herum von einer Rezession erholt, zum anderen habe der Anstieg der Weltmarktpreise für Erdöl bewirkt, daß in den entwickelten Ländern wieder mehr Kohle verbrannt werde.

Selbst wenn man diese Einwände berücksichtigt, bedeuten sie nicht, daß Entwarnung gegeben werden könnte. Denn auch wenn die Zunahme der CO2-Emissionen irgendwann wieder auf "nur" ein Prozent zurückgefahren werden würde, so erfolgte dies von einem deutlich höheren Niveau aus. Im übrigen ist nicht damit zu rechnen, daß die Erdölpreise wieder nennenswert sinken. Im Gegenteil, namhafte Ölexperten glauben, daß der Höhepunkt der weltweiten Ölförderung kurz bevorsteht oder zur Zeit überschritten wird und daß der Ölpreis aufgrund des Mangels, also der Nachfrage, in den nächsten Jahren extrem steigen wird. Falls das zutrifft, dürfte die klimaschädlichere Kohleverstromung nochmals an Attraktivität gewinnen.

Bedenkt man zudem eine kürzlich im Wissenschaftsmagazin "Science" veröffentlichte Studie, derzufolge sich die Annahme, der südliche Ozean rund um die Antarktis könne größere Mengen Kohlendioxid absorbieren, als Irrtum erwiesen hat, so spricht einiges dafür, daß die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre auch in den nächsten Jahren erheblich steigen wird. Das hat Folgen für das Weltklima und die Versorgung der Menschen mit Nahrung und Trinkwasser.

23. Mai 2007