Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REDAKTION

KLIMA/364: Demo gegen Heathrow-Landebahn und Kingsnorth-Kohlekraftwerk (SB)


"Climate Change Day of Action"

Britische Klimaschützer demonstrieren für eine andere Gesellschaft


Wenn man bedenkt, daß allein der Militärapparat der Vereinigten Staaten von Amerika mehr Treibhausgase in die Atmosphäre bläst als ganz Schweden, ist jeder Protest gegen diese Kriegsmaschinerie zugleich als ein Protest gegen die Klimaschutzpolitik zu begreifen. Ebenso wie umgekehrt daraus abgeleitet werden kann, daß Widerstand gegen den Bau neuer Kohlekraftwerke, Landebahnen und andere systemtragende Infrastruktureinrichtungen, die das Klima schädigen, zugleich Widerstand gegen eine kriegerische, technologiegestützte Gesellschaftsordnung bedeutet.

Wenn nun die britische Organisation Christian Aid in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen für Donnerstag, den 19. März, eine Demonstration in der Stadt Coventry, in der der deutsche Energieversorger E.ON und seinen Sitz hat, ankündigt, dann fokussiert sich zwar das Anliegen der Protestierer auf die Klimaschutzproblematik, aber grundsätzlich geht es um die Frage, in welcher Gesellschaft wollen die Menschen eigentlich leben.

Beim "Climate Change Day of Action" soll gegen zwei Vorhaben demonstriert werden, die geplante dritte Landebahn des Flughafens Heathrow und das Kohlekraftwerk Kingsnorth in Kent, das von E.ON gebaut werden soll. Ähnlich wie in Deutschland breiter Widerstand gegen geplante Kohlekraftwerke entstanden ist und auch die Erweiterung des Frankfurter Flughafens zu heftigen Auseinandersetzungen geführt hat, wollen britische Protestierer und Aktivisten verhindern, daß der Flugverkehr im Norden der Metropole London weiter zunimmt und Britannien seit 23 Jahren erstmals wieder ein neues Kohlekraftwerk errichtet.

Prominente Unterstützung erhält der "Climate Change Day of Action" durch den Wissenschaftler James Hansen vom Goddard Institute for Space Studies der US-Raumfahrtbehörde NASA. Er macht in jüngster Zeit immer mehr mit kritischen Stellungnahmen von sich reden und wartet mit Vorschlägen auf wie, daß die Unternehmen, die Kohlendioxidemissionen produzieren, kräftig zur Kasse gebeten oder sogar vor Gericht gebracht werden sollten.

Ebenfalls seine Teilnahme an der Demonstration angekündigt hat der Wissenschaftler Simon Lewis vom Earth and Biosphere Institute der Universität Leeds. Er forscht schwerpunktmäßig über die Auswirkungen des Klimawandels auf den tropischen Regenwald und hat in der Vergangenheit die Klima-Camps in Heathrow und Kingsnorth besucht. Die beiden Forscher begründen ihre Beteiligung an Demonstrationen und Protesten mit einer moralischen Verpflichtung, etwas gegen die sich abzeichnenden verheerenden Folgen des Klimawandels zu unternehmen.

Die aktuell in Britannien am Widerstand gegen das Kohlekraftwerk Kingsnorth und die dritte Landebahn von Heathrow beteiligten Personen und Organisationen werden sich womöglich über die Formen ihrer Aktionen und ihres Sich-Verweigerns streiten und zu verschiedenen Schlußfolgerungen gelangen, dennoch, vor dem Hintergrund des Problems, dem sie sich gestellt haben, überwiegen die Gemeinsamkeiten allen Unterschieden. Gemeinsamkeiten beispielsweise zwischen Personen, die eine Bürgerinitiative "nur" mit ihrer Unterschrift unterstützen, und Menschen, die Formen des passiven Widerstands gewählt haben und sich an Bäume ketten, um sie vor dem Fällen zu bewahren.

Perfiderweise werden ausgerechnet die Länder des Südens, die am wenigsten zum Klimawandel beitragen, von diesem am stärksten getroffen. Sie sind somit nicht nur Opfer einer Weltordnung, die für sie die Funktion als bloße Rohstofflieferanten einerseits und Absatzmarkt der Güter des Nordens andererseits vorsieht, sondern leiden auch am meisten unter der Begleiterscheinung dieses systemischen Raubverhältnisses, nämlich den klimawandelbegünstigenden Treibhausgasemissionen aus vielfältigen Verbrennungsvorgängen der Industrie, Haushalte und des Verkehrs insbesondere der wohlhabenderen Länder bzw. innerhalb dieser wiederum der Privilegierten. Somit birgt der "Climate Change Day of Action" in Coventry Aspekte, die über die Frage des Klimaschutzes weit hinausreichen und Anlaß geben könnten, Verbindungen zwischen dem eigenen Engagement und dem Anliegen von Antikriegs- oder auch Entwicklungsorganisationen zu ziehen.

16. März 2009