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KLIMA/375: Politik und Industrie bereiten Green New Deal vor (SB)


Globales Lumpenproletariat vom Klimawandel besonders schwer betroffen

Grüner Kapitalismus ist nicht Teil der Lösung, sondern des Problems


Kaum eine Woche vergeht, in der nicht irgendwo auf der Welt eine größere Klimakonferenz abgehalten wird. Am vergangenen Wochenende trafen sich Vertreter aus Politik und Wirtschaft auf dem World Business Summit on Climate Change in Kopenhagen, um insbesondere über Klimaschutzstrategien der Konzerne nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls im Jahre 2012 zu beraten. Am Montag und Dienstag ging es weiter mit dem Major Economies Forum (Mef) in Paris, zu dem Minister von 17 Industriestaaten und Schwellenländern, die für 80 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, angereist waren. Wie zuvor in Kopenhagen sollte hier der Nachfolgevertrag zum 2012 auslaufenden Kyoto-Protokoll, auf den sich im Dezember ebenfalls in der dänischen Hauptstadt die Staats- und Regierungschefs der 192 Unterzeichnerstaaten der UN Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) zu einigen versuchen, vorbereitet werden.

Verschiedene Umweltschutzgruppen übten Kritik daran, daß die Konzerne großen Einfluß auf die Klimaverhandlungen nehmen und die Entwicklung in ihrem profitorientierten Interesse auszusteuern versuchten. Ausgerechnet der britisch-niederländische Ölkonzern Shell spiele sich als Klimaschützer auf, obgleich er der größte Emittent von Kohlendioxid unter den Erdölkonzernen sei, kritisierten Greenpeace und Friends of the Earth. Abgesehen von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und Friedensnobelpreisgewinner Al Gore waren Manager von über 500 Unternehmen nach Paris angereist. Dieses Aufgebot unterstreicht, welch große Bedeutung Shell, BP, PepsiCo, Nestlé und andere, teils milliardenschwere Unternehmen den Klimaschutzverhandlungen beimessen.

Nun könnte man daraus den Schluß ziehen, daß die Wirtschaftsbosse ums Klima besorgt sind und all ihre Kraft einsetzen wollen, um die Treibhausgasemission zu reduzieren und dadurch die Erderwärmung zu verhindern. Einen solchen Eindruck zu erwecken gehört zum Geschäft, aber das Geschäft an sich, das wird nicht in Frage gestellt. Hinter der Klimaschutzrhetorik verbirgt sich das fundamentale Interesse der Unternehmen, sicherzustellen, daß ihnen im konkurrenzgetriebenen, permanente Expandierungsnot generierende Wirtschaftssystem keine Nachteile erwachsen. Typischerweise wurden bereits beim laufenden Kyoto-Protokoll Klimaschutzmaßnahmen anerkannt, die das kapitalistische Wirtschaftssystem nicht nur nicht in Frage stellten, sondern bei denen sich sogar der gleichen Methoden bedienten, . Damit kein Unternehmen mit leeren Händen dasteht, wurde denen, die einem Kohlenstoffzertifikathandel unterworfen werden sollten, ein Kontingent an Zertifikaten zuerkannt, das sie gar nicht nötigte, Einsparungen an Treibhausgasemissionen vorzunehmen. Wenn es dennoch Entwicklungen in diese Richtung gab, dann deswegen, weil die hohen Energiekosten den Unternehmen zu sehr ins Geld gingen.

Beim Nachfolgeprotokoll für Kyoto werden voraussichtlich weitere Branchen in den Zertifikathandel eingebunden, und es wird vermutlich ein Minimalkonsens darüber geben, daß die Industrie zu leichten, nicht schmerzhaften Einsparungen hinsichtlich der Energieeffizienz verpflichtet wird. Zudem dürfte zum Minimalkonsens gehören, daß die reichen Länder Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern finanzieren. So erklärte EU-Umweltkommissar Stavros Dimas beim Mef in Paris, daß ohne eine solche Verpflichtung keine neue Vereinbarung zusammenkomme. Forschern zufolge müßten die weltweiten Investitionen im Jahre 2020 175 Milliarden Euro betragen, davon die Hälfte in Entwicklungsländern. Und ab 2030 wären vermutlich jedes Jahr zwischen 23 und 54 Milliarden Dollar für Maßnahmen gegen den Meeressspiegelanstieg erforderlich.

Wenn Dimas über Investitionen und darüber spricht, daß die reichen Länder die ärmeren unterstützen müßten, dann meint er damit unter anderem auch den Handel mit Verschmutzungsrechten. Ob marktwirtschaftliche Mechanismen überhaupt tauglich sind, die notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung der Erderwärmung zu ergreifen, ist zweifelhaft. Selbstverständlich müssen Konzerne in Klimaschutzmaßnahmen eingebezogen werden, aber sicherlich nicht in der Weise, daß sie die Verhandlungen bestimmen. Andererseits müßte berücksichtigt werden, daß ein Unternehmen, das sich nicht um hohe Umsatzzahlen (in der Regel durch Steigerung des Verbrauchs) bemüht, keine Kredite von den Banken erhält und schnell konkurs geht. Daraus ist zwingend der Schluß zu ziehen, daß die gegenwärtigen Produktionsverhältnisse nicht unangetastet bleiben dürften, wollte man wirksam in das globale Klimageschehen eingreifen. Das wiederum setzte ein gänzlich anderes Gesellschaftsmodell voraus oder, grundsätzlich betrachtet, ein Ende der Vergesellschaftung des Menschen. Denn die stand am Beginn der Kette der fremdnützigen Arbeitsteilung.

Davon war weder in Paris noch in Kopenhagen die Rede, und es wird auch kein Thema sein, welches die Staats- und Regierungschefs im Dezember anschneiden werden. Wenn die Produktionsverhältnisse beibehalten werden, bedeutet das, daß Klimaschutzmaßnahmen lediglich dazu herangezogen werden, die gewohnten Prinzipien des Wirtschaftens, die eine Mehrwertabschöpfung und Kapitalakkumulation auf der Basis fremdbestimmter Arbeit ermöglichen, qualifiziert werden. Dem "New Deal" zur Ankurbelung der Wirtschaft würde dann ein grüner Anstrich verliehen, und von den Folgen des Klimawandels wären exakt jene Menschen am schwerwiegendsten (das heißt existentiell) betroffen, die auch heute schon vom globalen Wirtschaftssystem am schwerwiegendsten betroffen sind. Dazu gehören weltweit über eine Milliarde Menschen, die regelmäßig hungern müssen, weitere rund zwei Milliarden Menschen, die ständig davon bedroht sind, ökonomisch abzurutschen und in die Kategorie der Hungernden zu fallen. Darüber hinaus sind es Menschen, die zwar in Wohlstandsräumen wie Europa, USA, Japan, Kanada leben, aber innerhalb dieser privilegierten Räume ebenfalls bis zur faktischen Existenznot verarmen. Dazu liefert der "Green New Deal", den sich die Partei der Grünen auf die Fahne geschrieben hat, um bei den kommenden Bundestagswahlen zu punkten, aber auf den sie keinen Alleinvertretungsanspruch besitzt, da er längst weltweit als Konsequenz der Klimaschutzdebatte etabliert ist, die Voraussetzungen: Alles bleibt beim alten, nur die Brille, durch die das Elend in der Welt betrachtet wird, weist eine grüne Tönung auf.

26. Mai 2009