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KLIMA/417: Alarmisten und Leugner - zwei Seiten einer Medaille (SB)


Der Klimagipfel von Kopenhagen

Katastrophenvermeidung statt -verhinderung


Gebannt schaut die ganze Welt nach Kopenhagen, wo die Weichen "für die Zukunft der Menschheit" gestellt werden, wie es in Presseberichten heißt. Die globale Durchschnittstemperatur darf nicht um mehr als zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen, sonst werden verheerende Klimafolgen eintreten, warnen "Alarmisten". Ihr habt die Forschungsergebnisse gefälscht und völlig übertrieben, behaupten dagegen die "Leugner" oder auch "Skeptiker", die wissenschaftliche Daten anders interpretiert sehen wollen als ihre Kollegen. Wer von beiden recht hat, soll hier nicht diskutiert werden. Wesentlich bleibt, daß in beiden Ansätzen die vorhandene Klimakatastrophe vernachlässigt wird.

Würden Verhältnisse in Deutschland, bei denen dreizehn Millionen Einwohner chronisch Hunger leiden, die Bezeichnung "Katastrophe" verdienen? Wenn ja, dann ist zu fragen, wieso bei der UN-Klimakonferenz in der dänischen Hauptstadt über die zukünftigen Folgen des Klimawandels diskutiert wird und nicht über die aktuellen. Denn weltweit hungern mehr als eine von 6,7 Milliarden Menschen, und zwar unter klimatischen Verhältnissen, die sich im Wandel befinden und vielerorts die Lebensvoraussetzungen beeinträchtigen.

'Zugegeben, aber uns geht es darum, daß nicht alles noch viel, viel schlimmer wird', rufen die Alarmisten. Nun, das interessiert diejenigen, die heute verhungern, verständlicherweise wenig. Für sie ändert sich nichts, was auch immer in Kopenhagen ausgehandelt wird. Sicherlich werden als Folge des Klimawandels noch mehr Menschen in existentielle Not geworfen als bisher. Aber warum erst jetzt eine Alarmstimmung verbreiten? Wieso bringen Politiker, Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter erst jetzt Weltuntergangsszenarien auf, wo doch die Welt für mehr als eine Milliarde Menschen längst untergeht?

Die "Menschheit", wenn man diesen, die sozialen Widersprüche verschleiernden Begriff überhaupt verwenden will, erlebt bereits eine Katastrophe. Jetzt, in eben diesem Augenblick. Menschen sterben im Sekundentakt - ist das eine Welt, die bewahrt werden soll? Betreiben die Delegierten in Kopenhagen nicht Besitzstandssicherung, wenn sie Abmachungen treffen, bei denen der Status quo zum positiven Ausgangswert oder zur Zielmarke erklärt wird?

Wenn die Delegierten eine Katastrophe verhindern wollen, reicht es nicht, sich auf Dinge wie die Erhöhung des Anteils an erneuerbaren Energien bis 2020, die Steigerung der Energieeffizienz von stromverbrauchenden Geräten, die Verbreitung von Solarthermischen Kraftwerken in Wüstenstaaten (Stichwort Desertec) oder die Einführung von Sozial- und Umweltstandards bei der Agrospritproduktion zu beschließen. Das Maximale, was damit erreicht werden könnte - wenn überhaupt -, wäre eine Sicherung von Verhältnissen, wie sie heute schon auf der Erde herrschen. Die sind jedoch katastrophal, die Zahlen über Hunger, Armut und Krankheiten brauchen hier nicht wiederholt zu werden.

Alarmisten und Leugner, die die gegenwärtigen Verhältnisse als akzeptabel betrachten, sind zwei Seiten einer Medaille. Was daraus für Kopenhagen folgt, liegt auf der Hand: Mit der Erwartung, daß bei den Verhandlungen etwas Positives herauskommt, obgleich Grundsatzfragen der menschlichen Produktionweisen und des Zusammenlebens gar nicht erst gestellt werden, wird die Fortsetzung der aktuellen Katastrophe akzeptiert.

8. Dezember 2009