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KLIMA/420: UN-Gipfel gescheitert - Entwicklungsländer haben das Nachsehen (SB)


Der UN-Klimagipfel - Verhandlungen zur Fortsetzung der global ungleichen Überlebenschancen


Was sich im Vorfeld des UN-Klimagipfels in Kopenhagen abzeichnete, scheint nun eingetreten zu sein: Die Staats- und Regierungschefs werden sich voraussichtlich auf kein gemeinsames Klimaschutzabkommen ab 2012 einigen. Das wird aus Verhandlungskreisen berichtet. Allzu unterschiedlich sind die Interessen, um die eigentlich gerungen wird. Anders verhielte es sich, wenn die internationale Staatengemeinschaft tatsächlich um den Schutz der von den Folgen des Klimawandels absehbar am stärksten betroffenen Menschen besorgt wäre. Dann hätten sich die Delegierten gegenseitig in nicht auf den eigenen Vorteil abzielenden Vorschlägen überbieten müssen.

Selbst wenn am Ende der Konferenz eine Einigung erzielt werden sollte, wird sie vermutlich aus Absichtserklärungen und der Vereinbarung, in den nächsten zwei Jahren weiter über strittige Fragen verhandeln zu wollen, bestehen. In der hiesigen Berichterstattung wird der Schwarze Peter China zugeschoben, dem weltweit größten Kohlendioxidemittenten, der allerdings im Pro-Kopf-Verbrauch noch deutlich unterhalb beispielsweise von Deutschland und den USA liegt. China geht es jedoch nicht anders als den Industrieländern. Würde es sich zu massiven CO2-Einsparungen verpflichten, wie es nach Einschätzung von Klimaforschern vernünftig wäre, um die Erderwärmung zu reduzieren, rechnet es mit wirtschaftlichen Einbußen, die wiederum soziale Verwerfungen und Instabilität nach sich zögen.

Die Klimaverhandlungen von Kopenhagen finden in einer Zeit statt, da der Supermacht USA und ihrem Juniorpartner EU mit den BRIC-Ländern (Brasilien, Rußland, Indien und China) und anderen Zusammenschlüssen ernsthafte Konkurrenten um die wirtschaftliche Vormachtstellung heranwachsen. Zudem treten die ärmeren Länder (G77) mit größerem Selbstbewußtsein auf als bei früheren Verhandlungen wie zu den Lomé- und Cotonou-Abkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten oder auch Verhandlungen unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO). Die jüngste Doha-Runde der WTO liegt auf Eis, und die AKP-Staaten erweisen sich inzwischen als sehr viel resistenter gegenüber den Versuchen der EU, sie zum Abschluß von bilateralen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zu bewegen. Das neue Selbstbewußtsein hat sicherlich auch mit der Konkurrenzsituation zwischen USA, China und EU zu tun, welche die ressourcenreichen Staaten Afrikas umschmeicheln, um sich auf möglichst billige Weise deren Rohstoffe aneignen zu können. Das alles hat mit Klimaschutz nichts zu tun, doch bildet es den Hintergrund für die Verhandlungen in Kopenhagen.

Unter dem Scheitern des UN-Gipfels werden vor allem die ärmeren Nationen und Regionen leiden. Ihnen ist es nicht gelungen, den Goliath so empfindlich zu treffen, daß er in die Knie gehen muß. Mit dem vorübergehenden Auszug der G77-Verhandlungsführer von dem Gipfeltreffen haben sie ihm allenfalls gegen das Schienbein getreten, aber das berührt den Riesen nicht weiter. Das steckt er locker weg und hält weiter seinen Kurs, der sogar dann zu einem ähnlichen Resultat führen würde, wenn es keinen Klimawandel gäbe.

Es ist ja nicht so, daß die globale Katastrophe ein zukünftiges Ereignis wäre, das irgendwann eintritt, wenn sich die Erde weiter erwärmt. Angesichts von mehreren Dutzend Millionen Hungertoten jährlich und inzwischen über eine Milliarde Hungernden weltweit befindet sich die Menschheit bereits inmitten einer Katastrophe, gegenüber der sich die Opfer sämtlicher bewaffneter Kriege in diesem Jahrzehnt sogar harmlos ausnehmen. Es wird ein permanenter Krieg von oben nach unten geführt, dessen Zweck darin besteht, die ungleichen Überlebenschancen ins 21. Jahrhundert fortzutragen und sogar, in Anpassung an die Naturgewalten, zu qualifizieren.

Ob der Gipfel scheitert oder nicht, Regulationen des Mangels wird es auf jeden Fall geben. Und sie werden in Fortführung der gegenwärtigen Politik der Verelendung gegen die Benachteiligten und Marginalisierten, kurzum, gegen die Verlierer dieser Welt in Stellung gebracht.

17. Dezember 2009