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KLIMA/447: USA - Neue Studien des Nationalen Forschungsrats zum Klimawandel (SB)


Der Klimawandel findet statt und er wird wesentlich von Menschen gemacht

Wissenschaftliche Berater der US-Regierung beziehen in drei Studien für den Kongreß eine klare Position


In den USA machen zwar sogenannte Klimaskeptiker viel von sich reden und haben unter anderem in Senator James Imhofe (Oklahoma) auch Fürsprecher im US-Kongreß, aber alles in allem stellen sie eine einflußarme Minderheit dar. Die fand lediglich in den Monaten vor und nach dem UN-Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen vermehrt Gehör, nachdem die Öffentlichkeit von einem Fehler in einem Teilbericht der vier im Jahr 2007 vom Weltklimarat (IPCC) herausgegebenen Berichte erfuhr. War in jenen Wochen schon mal der Eindruck entstanden, die Klimaskeptiker, von denen einige die Erderwärmung an sich, andere die menschliche Verantwortung für die Erwärmung in Zweifel ziehen, könnten die gesamte etablierte Klimaforschung zu Fall bringen, scheint der Bewegung inzwischen die Luft ausgegangen zu sein. Wissenschaftler zahlreicher Länder erklärten mal einzeln, mal in gemeinsamen Stellungnahmen, daß sie weder die Erderwärmung anzweifeln noch daß diese hauptsächlich auf menschliche Aktivitäten zurückgeht. Ungeachtet dessen war und ist es durchaus nützlich, daß "Klimaskeptiker", von denen einige durchaus anerkannte Positionen in Forschung und Lehre bekleiden, nicht alles schlucken, was ihnen vorgesetzt wird und auf Widersprüche und Lücken der Theorien, Methoden und Resultate aufmerksam machen.

Wie weitreichend die gegenwärtig zu messenden, anthropogenen Klimaveränderungen vom wissenschaftlichen Establishment in den USA wahrgenommen wird, zeigt sich unter anderem an den Publikationen des Nationalen Forschungsrats. Der National Research Council (NRC) hat auf Geheiß des Kongresses drei Forschergruppen drei separate, peer-reviewed Berichte erarbeiten lassen, in denen der wissenschaftliche Stand der Klimaforschung, Maßnahmen zur Verringerung des Treibhauseffekts und Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel beschrieben werden. Im Laufe dieses Jahres sollen noch zwei weitere Berichte folgen. [1]

Der menschengemachte Klimawandel berge erhebliche Risiken für eine große Bandbreite an menschlichen und natürlichen Systemen und habe diese teilweise bereits verändert, wird im ersten NRC-Report, "Advancing the Science of Climate Change", der Klimawandel bewertet. Es sei Zeit, daß die Vereinigten Staaten ihre Treibhausgasemissionen reduzieren und eine nationale Strategie erarbeiten, wie mit den unvermeidlichen Auswirkungen des Klimawandels umgegangen werden soll, hieß es. Die Forscher empfehlen die Bildung einer zentralen Instanz oder Aufstellung eines Programms, das mit der Befugnis und den erforderlichen Mitteln ausgestattet wird, um multidisziplinär alle Bemühungen um das Verständnis von dem, was klimatisch vor sich geht, zu verbessern und Maßnahmen gegen den Klimawandel zu koordinieren. Das 1990 eingerichtete U.S. Global Change Research Program könnte diese Aufgabe übernehmen, schreiben die Autoren im ersten der drei Berichte, aber nur wenn die Lücken geschlossen würden, die sich in der Vergangenheit insbesondere hinsichtlich der wissenschaftlich gestützten Maßnahmen aufgetan hätten.

Im zweiten Bericht, "Limiting the Magnitude of Future Climate Change", werden rasche und nachhaltigen Anstrengungen gefordert, um sowohl technologische als auch Verhaltensänderungen zu fördern. Wenn die USA ihre Treibhausgasemissionen reduzierten, sei das Ansporn für andere Länder, das gleiche zu tun. Die USA könnten jedoch technologischer Anführer werden, versuchten die Autoren den Umbau der Gesellschaft auf allen Ebenen auch jenen einflußreichen Interessen schmackhaft zu machen, die bei einer emissionsarmen Technologie mit Einbußen zu rechnen hätten.

Der Vorschlag, daß die Regierung gegen Ende dieser Entwicklung Obergrenzen an zulässigen Treibhausgasemissionen für den gesamten häuslichen Bereich erläßt, ist zwar eine naheliegende Konsequenz aus den vorangegangenen Empfehlungen, zeigt aber wegen ihres weitgehenden Eingriffs in die Konsumgewohnheiten der Menschen auch das Potential, daß sich eine "grüne" Gesellschaft in Richtung einer massiven staatlichen Regulation bewegen könnte. Beispielsweise wird in Großbritannien über die Schaffung eines individuellen CO2-Handels nachgedacht. Demnach würde jeder Person ein Maximum an CO2-Emissionen zugestanden. Liegt jemand darüber, müßte er dafür CO2-Zertifikate erwerben, bleibt er darunter, könnte er sie verkaufen. Die Befürworter dieses Konzept erklären, daß jedem Bürger die gleiche Menge an CO2-Emissionen erlaubt werden sollte. Das klingt nur im ersten Moment gerecht, im zweiten wird schnell klar, daß angesichts der höchst unterschiedlichen ökonomischen Voraussetzungen eine reiche Person besser gestellt ist als eine arme. Während sich erstere einen gehobenen Lebensstil erkaufen kann, könnte solch ein System für weniger bemittelte Menschen mit empfindlichen Einschränkungen ihres Konsums einhergehen.

Im Entwurf des "American Power Act" schlägt der demokratische Senator John Kerry aus Massachusetts die Einführung eines Cap-and-trade-Systems zur Begrenzung von Treibhausgasemissionen vor. Auch der Nationale Forschungsrat erörtert eine solche Option, hält diese jedoch für nicht so kostengünstig wie ein Carbon-pricing-System, in dem der Kohlenstoffverbrauch bei Herstellung, Gebrauch und Entsorgung einer Ware mitbezahlt werden muß. Deshalb lautet die Empfehlung, beides miteinander zu kombinieren.

Abgesehen von dem Vorschlag, die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie zu fördern und das elektrische Stromnetz zu modernisieren, sprechen sich die Forscher auch für die Entwicklung einer neuen Generation von Kernkraftwerken sowie die Kohlenstoffeinlagerung (CCS - carbon capture and storage) aus. Beides Technologien sind in der Umweltbewegung höchst umstritten: Beim Bau und Betrieb von Kernkraftwerken sowie der Endlagerung radioaktiver Abfälle fallen nicht zu vernachlässigende Mengen an Treibhausgasemissionen an, wohingegen die CCS-Technologie völlig unausgegoren und weitgehend unerforscht ist. Das Abfangen von Kohlendioxid in Kohlekraftwerken, die Gasverflüssigung, der Transport und die Lagerung beispielsweise in alten Minen erfordert gegenwärtig noch einen hohen Energieeinsatz.

In dem dritten Report, "Adapting to the Impacts of Climate Change", werden vielfältige Anpassungsmaßnahmen an die Folgen der Erderwärmung wie den Meeresspiegelanstieg, intensivere Stürme, Dürren und Überschwemmungen behandelt. Allen drei Reports gemeinsam ist die Erkenntnis, daß der Mensch hauptverantwortlich für den Klimawandel ist und er durch die Verringerung des Verbrauchs an fossilen Energieträgern der Entwicklung gegensteuern sollte. Nicht thematisiert wird hingegen, daß die Klimaschutzmaßnahmen (Mitigation und Adaptation) die bestehende extreme Ungleichheit hinsichtlich des Einkommens und des gesellschaftlichen Einflusses nicht mildern, sondern wahrscheinlich noch verstärken.

Stellvertretend sei hier das einfache Beispiel einer gezielten Erhöhung der Energiekosten genannt. Ohne einen gleichwertigen Sozialausgleich würden einkommenschwächere Haushalte im Verhältnis viel stärker zur Kasse gebeten als reichere Haushalte, selbst wenn diese einen höheren Konsum hätten. Aber selbst wenn ein solcher Ausgleich geschaffen würde, würde damit die sozialhierarchisch organisierte Gesellschaft, in der Bereicherung positiv konnotiert ist und belohnt wird, gestärkt. Das bedeutet, daß die Vorschläge des Nationalen Forschungsrat der USA zur Verhaltungsänderung der Bevölkerung, technologischen Modifikation und generell zum gesellschaftlichen Umbau oberflächlich bleiben.


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Anmerkungen:

[1] http://americasclimatechoices.org/index.shtml

21. Mai 2010