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KLIMA/465: El Niño-Phänomen verschiebt sich und wird stärker (SB)


Globales Klimaphänomen El Niño verändert sich anscheinend als Folge der Erderwärmung

Unsicherheit der Forscher hinsichtlich der künftigen Klimaverhältnisse nimmt trotz neuer Erkenntnisse eher zu als ab


Wenn es weltweit in Wüstengebieten regnet und in normalerweise regenreichen Regionen kein Tropfen Niederschlag fällt, wenn ansonsten zuverlässig wehende Winde ausbleiben und Meeresströmungen sich verschieben, dann ist nicht die Apokalypse angebrochen, sondern wahrscheinlich El Niño, das "Christkindl", im Anmarsch. Dabei handelt es sich um eine alle drei bis fünf Jahre auftretende Temperaturumkehr im Ostpazifik vor der südamerikanischen Küste. Normalerweise strömt hier kaltes, nährstoff- und fischreiches Wasser aus tieferen Meeresschichten empor. In El Niño-Jahren jedoch schiebt sich um die Weihnachtszeit herum warmes oberflächennahes Wasser darüber und sorgt für beträchtliche Verluste in der südamerikanischen Fischindustrie. Und nicht nur das. Die El Niño Southern Oscillation (ENSO), wie das Klimaphänomen in der Fachwelt genannt wird, stellt weltweit Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse auf den Kopf, was die Häufigkeit und Schwere von Naturkatastrophen verstärkt. Die weltweiten wirtschaftlichen Verluste in den Jahren, in denen ENSO sehr stark entwickelt ist, gehen in die Milliarden.

Eine der wichtigsten Fragen der Klimaforschung lautet: Welchen Einfluß hat der Klimawandel auf El Niño? Diese Frage können auch die Forscher der Weltraumbehörde NASA und der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) nicht abschließend beantwortet, doch haben sie festgestellt, daß immer häufiger ein neuer Typ von El Niño auftritt und daß dieser zunehmend stärker wird. Er zeichnet sich nicht durch eine Erwärmung im östlichen Pazifik, sondern in zentral-äquatorialen Teilen aus. Studienleiter Tong Lee vom Jet Propulsion Laboratory der NASA im kalifornischen Pasadena und Michael McPhaden vom Pacific Marine Environmental Laboratory der NOAA in Seattle fanden bei der Auswertung unter anderem von Satellitendaten heraus, daß El Niño seit 1982 kräftiger geworden ist. Seine Intensität im Zentralpazifik hat sich seitdem fast verdoppelt, wobei der Jahreswechsel 2009/2010 am ausgeprägtesten war, berichtete ScienceDaily.com [1] unter Berufung auf einen Fachartikel in den "Geophysical Research Letters".

Eine Temperaturzunahme im äquatorialen Bereich des Pazifiks geht nicht zwangsläufig mit einer Verstärkung der Naturkatastrophen einher, doch wissen die Forscher nicht, wie sich das Phänomen weiterentwickelt. Zunächst einmal ziehen sie aus ihrer Beobachtung den Nutzen, künftig treffendere Wettervorhersagen abgeben zu können. Möglicherweise wurde nämlich die Erwärmung des Pazifiks in der Vergangenheit als eine Folge des Klimawandels interpretiert. Die Forschergruppe um Tong Lee konnte jedoch in den Jahren, in denen kein El Niño auftrat oder gar sein kaltes Gegenstück, El Niña, die Klimaverhältnisse bestimmte, keine überdurchschnittlich hohen Temperaturen im Zentralpazifik nachweisen.

McPhaden deutet ihre Forschungsergebnisse so, daß der Klimawandel bereits das El Niño-Phänomen beeinflußt hat. Worauf das hinauslaufen wird, bleibt unklar. Die Beobachtungen lassen jedoch die Komplexität der Wechselwirkung zwischen Atmosphäre und Meeren unter dem Einfluß der Erderwärmung ahnen. Da ein "normaler" El Niño bereits die Unsicherheit der Klimaverhältnisse verstärkt, könnte das bedeuten, daß die neue Variante, wenn sie zusätzlich an Intensität gewinnt, zu noch mehr Überraschungen im weltweiten Klimageschehen führt. Durch die Neu-Interpretation der Temperaturdaten aus dem Pazifik wird zwar eine mögliche Fehleinschätzung korrigiert, daraus folgt jedoch nicht, daß die Forscher die Klimaentwicklung künftig präziser vorhersagen können.


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Anmerkungen:

[1] "El Niños Are Growing Stronger, NASA/NOAA Study Finds", 27. August 2010
http://www.sciencedaily.com/releases/2010/08/100825200657.htm

29. August 2010