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KLIMA/501: USA 2050 - Extremer Wassermangel in einem Drittel aller Bezirke (SB)


Vorbild Jahrhundertdürre in Texas

Neue Studie wirft düsteres Bild auf die zukünftige
Wasserversorgung der USA


Es gibt regionale katastrophale Entwicklungen, die von Bedeutung für die gesamte Erde sind. Dazu zählen beispielsweise der Verlust des Amazonas-Regenwalds, das Auftauen der sibirischen Permafrostböden, die Gletscherschmelze von Grönland, die Versteppung Zentralasiens. Weniger spektakulär, aber nicht minder brisant müßte dieser Auflistung auch der Niederschlags- und Grundwasserrückgang im weltweit wichtigsten landwirtschaftlichen Anbaugebiet, den USA, hinzugefügt werden. Wenn die Prognosen der Wissenschaftler zutreffen, dann werden im Jahr 2050 mehr als ein Drittel aller US-Counties (Bezirke) unter einem hohen bis extremen Wassermangel leiden. Das meldete die Website TerraDaily.com [1] unter Berufung auf eine neue Studie im "Journal of Environmental Science and Technology".

Man kann davon ausgehen, daß unter diesen Bedingungen die US-Farmer ihre Produktion nicht beliebig werden steigern können. Daß jetzt schon die Hälfte des Maisanbaus nicht zu Nahrungs- oder Futtermitteln, sondern zu Treibstoff verarbeitet wird, erhöht zusätzlich den Druck auf die Versorgung mit vergleichsweise preisgünstiger Nahrung. Ob die Vereinigten Staaten in einigen Jahrzehnten ihr Niveau des Getreideexports werden aufrechterhalten können, ist angesichts der prognostizierten Klimaentwicklung fraglich. Um so wichtiger wäre es deshalb für jene Länder des Trikonts, die bisher regelmäßig auf Nahrungshilfe angewiesen waren und in dieser Abhängigkeit von der US-Regierung belassen wurden, die eigene Landwirtschaft zu fördern und zu Selbstversorgern zu werden.

Die Regierungen der westlichen Länder und die EU-Kommission betrachten den Klimawandel unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit bzw. nationalen Sicherheit und rechnen damit, daß die kommenden klimatischen Veränderungen vorhandene Spannungen und Konflikte verstärken werden. Das würde bedeuten, daß die Aneignung oder Verweigerung von Trinkwasser und Nahrung in Zukunft wichtige Kriegsgründe werden.

Der US-Studie zufolge werden gegen Mitte des Jahrhunderts rund 70 Prozent der mehr als 3100 US-Counties mindestens einen leichten Wassermangel verzeichnen; in 30 Prozent der Bezirke werde der Mangel "groß" oder sogar "extrem" sein. Der Hauptautor der Studie, Sujoy B. Roy, und seine Kollegen haben auf der Basis verschiedener Faktoren einen sogenannten Wasserversorgungs-Nachhaltigkeitsrisikoindex ("water supply sustainability risk index") erstellt und machen neben dem Klimawandel auch das Bevölkerungswachstum für den Wassermangel verantwortlich. Dabei wird das Trinkwasser nicht nur von Haushalten und Landwirtschaft gebraucht, auch Wasserkraftwerke und damit die Stromversorgung sind auf ausreichend Niederschläge angewiesen.

Im vergangenen Dezember teilte der Nationale Wetterdienst der USA mit, der Dürre seien landesweit eine halbe Milliarde Bäume zum Opfer gefallen. Die Behörden von Hunderten von Städten hatten die Order ausgegeben, den Wasserverbrauch einzuschränken. Der US-Bundesstaat Texas mußte am deutlichsten erleben, wie verheerend sich so eine Trockenheit auswirken kann. Seit 1917 hatte es dort nicht mehr so wenig geregnet, und 2011 ging als der bislang zweitheißeste Sommer in die meteorologischen Aufzeichnungen des Bundesstaats ein. Aufgrund der Trockenheit sind bislang 5,6 Mio. städtische Bäume eingegangen, was zehn Prozent des urbanen Baumbestands ausmacht. Forstexperten rechnen mit weiteren Verlusten, weil die Pflanzen durch die Dürre schwer vorgeschädigt sind. Schon im August hatten die Bäume als Schutzmaßnahme gegen Feuchtigkeitsverlust ihre Blätter abgeworfen [2].

Dem jüngsten nationalen Dürrebericht der USA vom 21. Februar zufolge beginnt sich zwar die Lage in Texas aufgrund von Regenfällen im Januar und Februar langsam zu erholen [3]. Der Effekt schafft aber bislang nur kurzfristige Linderung. Die Niederschläge vermögen die strapazierten Grundwasserspeicher nicht aufzufüllen. Dazu bedürfte es wohl mehr als eines regenreichen Sommers, womit allerdings nicht zu rechnen ist. Noch immer gilt für vierzehn Prozent von Texas die höchste Dürrestufe.

Die Baumwollproduzenten von Texas werden 2012 weniger produzieren als in den Vorjahren. Das hängt nicht nur mit den niedrigen Abnehmerpreisen und der Entscheidung der Farmer, keine Baumwolle anzubauen, zusammen, sondern vor allem mit der Trockenheit [4]. Die Stadt Spicewood Beach in Burnet County, Zentraltexas, ist mittlerweile auf eine externe Wasserversorgung angewiesen, da die Brunnen trockengefallen sind [5]. Der nahegelegene Lake Travis, dessen Pegel 13,40 Meter unter dem Durchschnitt des Monats Februar liegt, liefert kein Wasser mehr, der See hat sich in einen nahezu staubtrockenen Canyon gewandelt. Also karrt eine Firma namens H2O2U mehrmals am Tag Wasser per Lkw aus etwa 20 Kilometern Entfernung herbei. In drei Monaten wird der Ort gänzlich auf dem Trockenen sitzen, sollte sich bis dahin die Lage nicht ändern.

Die finanziellen Verluste, die sich aus der seit mehr als einem Jahr anhaltenden Dürre ergeben, haben die texanischen Farmer und Rancher fünf Milliarden Dollar an Einnahmen gekostet [6]. Wobei die Jahrhundertdürre nicht an den Staatsgrenzen haltgemacht hat. New Mexico, Louisiana, Oklahoma, Florida und eine Reihe weiterer Staaten im Osten und Südosten der USA litten 2011 besonders stark unter Wassermangel. Für fast zwölf Prozent der Landfläche galt die höchste Dürre-Stufe "außergewöhnlich" (exceptional) [7].

Die Farmer von Kansas wurden angewiesen, weniger Wasser aus dem Ogallala-Aquifer zu entnehmen. Sollte dieser riesige fossile Grundwasserspeicher jemals trocken fallen, was regional bereits geschieht, wäre das ein schwerer Schlag gegen die nordamerikanischen Agrarbranche, denn ohne dessen Wasser müßten die Farmer ihre Bewässerungswirtschaft reduzieren und könnten ihr hohes Produktionsniveau nicht halten. Darum sorgen sich die Wasserexperten über den starken Verbrauch vor allem des fossilen Wassers. In 1400 Brunnen der High Plains, einem wichtigen landwirtschaftlichen Anbaugebiet der USA, das vom Ogallala-Aquifer, aber sowohl tiefer als auch höher liegenden Grundwasserspeichern versorgt wird, sinkt der Pegel seit 1996 um durchschnittlich 3,60 Meter. In manchen Brunnen in Kansas sank der Pegel sogar um mehr als neun Meter [8].

Die Dürre im Agro-HighTech-Staat USA zeigt die Empfindlichkeit der industriellen landwirtschaftlichen Produktion. Die teilweise mittels mikrobiologischer Verfahren (Gentechnik) gezüchteten Kulturpflanzen benötigen, um optimal zu gedeihen und ständig große Erntemengen abzuwerfen, sehr spezifische Bedingungen. Sind diese nicht gegeben, entstehen große Verluste. Hinzu kommt, daß das gegenwärtige Agrarsystem in mehrfacher Hinsicht auf Pump lebt: Die Böden verkarsten und kommen schon lange nicht mehr ohne eine kräftige künstliche Düngung aus; die Pegelstände in den fossilen Grundwasserspeichern sinken, was die Gefahr erhöht, daß das Wasser eines Tages völlig ausgeschöpft ist; der hohe Pestizideinsatz sowie die Monokulturen bedrohen einerseits die Tier- und Pflanzenwelt, andererseits wird dadurch die Entstehung von Resistenzen bei Schädlingen und Unkräutern gefördert.

Wenn die Prognosen der US-Forscher zutreffen und im Jahr 2050 ein Drittel der US-Counties extreme Wasserarmut verzeichnet, dürften damit gravierende Ernteverluste einhergehen. Man kann nicht damit rechnen, daß sich die hochspezialisierten landwirtschaftlichen Systeme der Vereinigten Staaten darauf einstellen. Welche Folgen das für die Nahrungsversorgung innerhalb des Landes und auch in Übersee hat, wurde noch gar nicht ausreichend erforscht. Anscheinend will man das so genau auch nicht wissen.



Fußnoten:

[1] "Climate change may increase risk of water shortages in hundreds of US counties by 2050", TerraDaily.com. 27. Februar 2012
http://www.terradaily.com/reports/Climate_change_may_increase_risk_of_water_shortages_in_hundreds_of_US_counties_by_2050_999.html

[2] "Texas drought leads to shade tree die-off", 15. Februar 2012
http://www.reuters.com/article/2012/02/16/us-drought-trees-texas-idUSTRE81F02W20120216

[3] "Current U.S. Drought Monitor", 21. Februar 2012
http://droughtmonitor.unl.edu/

[4] "Texas Drought Expected to Hit Cotton Production", Wall Street Journal, 13. Februar 2012
http://online.wsj.com/article/SB10001424052970204642604577217984288391626.html?mod=rss_markets_main

[5] "Texas Drought Forces a Town to Sip From a Truck", New York Times, 3. Februar 2012
http://www.nytimes.com/2012/02/04/us/texas-drought-forces-town-to-haul-in-water-by-truck.html?_r=1&pagewanted=print

[6] "Drought-weary Texans welcome rains, wildflowers", Reuters, 26. Februar 2012
http://www.reuters.com/article/2012/02/26/us-texas-drought-recovery-idUSTRE81P0O420120226

[7] "What's New at the Drought Monitor. 'Exceptional drought' record for United States set in July", 5. August 2011
http://droughtmonitor.unl.edu/new.html

[8] "Water Supply Drying Up", Leader and Times, 23. Februar 2012
http://www.leaderandtimes.com/index.php?option=com_content&view=article&id=7032:watersupplydryingup&catid=12:local- news&Itemid=40

27. Februar 2012