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KLIMA/515: Dürre in Amazonien - Waldschäden nachhaltig (SB)


Eine Dürre gibt die nächste

Tropischer Regenwald im Amazonasbecken unter Streß



Die menschliche Art scheint zur Zeit kräftig am eigenen Ast zu sägen. Bildlich gesprochen, wobei dieses Bild recht nah an die realen Vorgänge heranreicht. Denn die Menschen fällen Bäume im Sekundentakt, und was Motorsägen, Planierraupen und Reißketten nicht schaffen, gelingt über den Umweg vermehrter Treibhausgasemissionen: Die Durchschnittstemperatur der Erde steigt, das Klima verändert sich, und damit geraten die für das Weltklima wichtigen tropischen Regenwälder an ihre Belastungsgrenzen.

Jetzt hat eine Forschergruppe der US-Weltraumbehörde NASA anhand der Auswertung von Satellitendaten festgestellt, daß die schwere Trockenheit 2005 im Amazonas-Regenwald den Bäumen einen länger anhaltenden Schaden zugefügt hat als vermutet. Bis heute habe sich eine Fläche von der doppelten Größe Kaliforniens nicht von der Dürre erholt, berichtete TerraDaily.com unter Berufung auf die Studie. [1] In Verbindung mit der Beobachtung, daß der Amazonas-Regenwald alle paar Jahre von Trockenheit heimgesucht wird, deuten die Forscher ihre Beobachtung als mögliches erstes Zeichen für eine klimatisch bedingte, potentiell großmaßstäbliche Umstrukturierung dieser Region.

Die Forschergruppe um Sassan Saatchi vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena hat Daten ausgewertet, die zwischen 2000 und 2009 mit einem Mikrowellen-Meßinstrument auf dem QuikScat-Satelliten erstellt wurden. Diese wurden mit Meßergebnissen zu den tropischen Niederschlagsmengen, der Luftfeuchtigkeit und der Beschaffenheit der Waldbedeckung abgeglichen.

Demnach wurden im Sommer 2005 im Südwesten Amazoniens rund 700.000 Quadratkilometer bzw. 70 Millionen Hektar unversehrter, alter Baumbestand von einer ausgedehnten, schweren Dürre heimgesucht. Die Satellitenaufnahmen lassen einen verstärkten Blätterverlust und ein Verdorren von Ästen und Zweigen des Regenwalddachs erkennen. Besonders betroffen waren ältere Bäume. Und obwohl es in den Jahren danach wieder kräftig geregnet hatte, blieben die Dürreschäden bis zum Beginn der nächsten größeren Trockenperiode erhalten. Die setzte 2010 ein, doch ab dem Zeitpunkt liegen keine entsprechenden Satellitendaten vor, da QuikScat im November 2009 seine Messungen eingestellt hatte. Der letzte Stand vor Einsetzen der Dürre lautete, daß sich noch immer die Hälfte der Bäume, die 2005 geschädigt worden waren, davon nicht wieder erholt hat.

Als Kerndaten der Entwicklung gaben die Forscher bekannt: Im Jahr 2005 waren rund 30 Prozent (1,7 Mio. km²) der Fläche des Amazonasbeckens von Dürre betroffen. Fünf Jahre darauf sogar fast 50 Prozent, davon beinahe ein Fünftel schwer. Eine Fläche von 600.000 km² im Süden und Westen Amazoniens wurde beide Male erwischt und verzeichnet nun Dauerschäden. Zwischen 1970 und 1998 haben die Niederschlagsmengen im südlichen Amazonas-Regenwald um knapp 3,2 Prozent pro Jahr (!) abgenommen.

Klimaforscher prognostizieren, daß tropischer Regenwald empfindlich auf eine allgemeine Erderwärmung reagieren wird. Die Trockenheit im Amazonasgebiet wird mit einer anhaltenden Erwärmung der oberflächennahen Meeresschichten des Atlantiks in Verbindung gebracht. In Zukunft würden in Südamerika Dürren an Zahl und Intensität zunehmen, heißt es. Eine Folge davon wären vermehrte Waldbrände mit entsprechend höherem Baumverlust. Die tropischen Regenwälder könnten sich dann von einer Senke in eine Quelle für Kohlendioxid wandeln. Das würde den gesamten Kohlenstoffkreislauf der Erde beeinflussen.

Was das bedeutet, wird in der Studie nicht mehr ausgeführt. Die Entwicklung könnte mit Folgeschäden auf der ganzen Welt einhergehen, denn der Amazonas-Regenwald, weltweit das größte zusammenhängende Waldgebiet, wird auch als grüne Lunge der Erde bezeichnet. An der gewaltigen Blattoberfläche der Pflanzen werden enorme Mengen Sauerstoff aus dem Wasser abgespalten. Ohne die ständige Zufuhr des für organisches Leben existentiell wichtigen Elements würde die Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre allmählich abnehmen.

Aus paläontologischen Funden schließen Forscher darauf, daß in zurückliegenden erdgeschichtlichen Epochen eine Abnahme des Sauerstoffgehalts mit einem geringeren Wachstum der Lebewesen einherging. Umgekehrt soll ein höherer Sauerstoffanteil an der Erdatmosphäre zum größeren Wuchs der Tiere und Pflanzen geführt haben.

Gegenwärtig gilt die Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre als gleichbleibend. Die erst an der zweiten Stelle hinter dem Komma festzustellende Abnahme vom derzeitigen Stand (rund 20,9 Prozent) wird als vernachlässigbar betrachtet. Welche Folgen ein Verlust an Bäumen im Amazonas-Regenwald auf den Faktor Sauerstoff hätte, ist bislang auch kein Thema, mit dem sich die Umweltbewegung befassen würde. Möglicherweise ein Versäumnis, denn obgleich der Trend beim atmosphärischen Sauerstoffgehalt nahelegt, daß keinerlei akute Gefahr für die Versorgung mit diesem für uns unverzichtbaren Gas besteht, weiß man eigentlich so gut wie nichts über Kippunkte, Verstärkungseffekte und Wechselwirkungen in diesem Zusammenhang.

So müßte eigentlich berücksichtigt werden, daß die Meere bzw. das Phytoplankton für die Freisetzung von Sauerstoff, der dann für uns Menschen zum Atmen zur Verfügung stände, noch wichtiger sind als Wälder. Dummerweise laufen auch dort die Trends eher auf eine Abnahme der Loslösung von Sauerstoff aus der Bindung mit Wasserstoff hinaus. Erstens versauern die Ozeane, zweitens erwärmen sie sich und drittens durchmischen sich die Schichten weniger. Jede Entwicklung für sich genommen verringert die Menge an verfügbarem Sauerstoff, der vom Meer in die Erdatmosphäre gelangt.

Welche Bedeutung hat nun in diesem Zusammenhang die obige NASA-Studie über anhaltende Dürreschäden im Amazonas-Regenwald? Es handelt sich um nicht mehr als um ein Puzzleteilchen. Aber wie das mit Puzzleteilchen so ist, weiß man vor dem Einfügen nicht, ob es nicht genau das entscheidende Stück ist, das noch gefehlt hatte, damit sich das ganze Bild abzeichnet und nun zügig aufgefüllt werden kann. Durch die fortgesetzten Dürreschäden könnten sich "Struktur und Funktion" der Ökosysteme des Amazonas-Regenwalds verändern, konstatieren die Forscher. Dieser Einschätzung wäre hinzuzufügen, daß, wenn eine Lunge Funktionseinbußen verzeichnet, es den gesamten Organismus betrifft. Man muß kein Anhänger der Gaia-These sein, um festzustellen, daß ein Ausfall der grünen Lunge der Erde globale Folgen nach sich zöge. Um eine Bilanz zu Freisetzung und Verbrauch von Sauerstoff kommt man wohl nicht herum, damit nicht - ähnlich wie bei den Emissionen von Treibhausgasen im Zuge der Industrialisierung - eines Tages Wissenschaftler feststellen, daß sich auch auf diesem Gebiet der anthropogene Einfluß geologisch niederschlägt.


Fußnoten:

[1] http://www.terradaily.com/reports/Study_Finds_Severe_Climate_Jeopardizing_Amazon_Forest_999.html

23. Januar 2013