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KLIMA/564: Klimawandel laut Pentagon keine zukünftige, sondern gegenwärtige Bedrohung (SB)


Birgt der "Gefahrenverstärker" Klimawandel aus der Sicht von Militärs auch eine Chance?

Zur Antwort des Pentagons an den US-Kongreß über die Folgen des Klimawandels


Als vor zehn, fünfzehn Jahren in Kreisen des US-Militärs der Klimawandel erstmals in aller Deutlichkeit als Gefahr für die Nationale Sicherheit bezeichnet wurde, war damit eine bevorstehende Bedrohung gemeint, ein Ereignis, das noch nicht eingetreten war. Inzwischen hat Gewißheit die Vermutung ersetzt, und das US-Verteidigungsministerium sagt ohne Einschränkung, daß die negativen Folgen des Klimawandels "bereits eintreten" und "weiter zunehmen" werden. Der Klimawandel sei eine "gegenwärtige Sicherheitsgefahr, kein rein langfristiges Risiko".

Das geht aus einer Antwort des U.S. Department of Defense vom 23. Juli 2015 auf eine Kongreßanfrage nach den größten und am wahrscheinlichsten eintretenden Folgen des Klimawandels für jedes Combatant Command (Kampfkommando) und nach den Wegen, mit denen dieses Klimaschutz in die Planung aufnimmt, hervor. [1]

Das US-Verteidigungsministerium geht in seiner aktuellen Antwort über die "2014 Quadrennial Defense Review" (QDR) vom März vergangenen Jahres hinaus, auf die es sich zwar ausdrücklich bezieht, aber in der es noch heißt, der Klimawandel "könnte" Häufigkeit, Ausmaß und Komplexität zukünftiger Missionen beeinträchtigen. [2]

Einige Monate darauf gab das Pentagon die "Climate Change Adaptation Roadmap" (CCAR) heraus, also einen "Wegweiser zur Anpassung an den Klimawandel", und bezeichnet ihn darin als "Bedrohungsverstärker", der viele der gegenwärtigen Herausforderungen, vor denen die USA ständen, "verstärken könnte". [3]

Wenn in zwei zentralen Publikationen des US-Verteidigungsministeriums der letzten 18 Monate der Klimawandel noch als zukünftige Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen wird, in einer aktuellen Stellungnahme für den Kongreß jedoch von einer "gegenwärtigen Bedrohung" geschrieben wird, dann zeigt das den Ernst der Lage, in der sich die Erde nach Einschätzung der US-Regierung befindet. Das zeigt auch der "Clean Power Plan", der am heutigen Montag vorgestellt werden soll und der eine drastische Reduzierung der Emissionen des Treibhausgases CO2 zum Ziel hat.

Damit wird aber noch nichts darüber ausgesagt, wie das Pentagon auf die Bedrohungen durch die Folgen eines sich verändernden Klimas reagiert. US-Militärs bringen sich zwar weltweit als Katastrophenhelfer ein - beispielsweise beim Erdbeben und Tsunami, die im Jahr 2011 Teile der japanischen Ostküste überschwemmt bzw. zerstört haben, und im April/Mai dieses Jahres beim Erdbeben in Nepal -, aber solche Notfalleinsätze haben schon deshalb den Beigeschmack einer politischen Instrumentalisierung der Not, weil sich Washington an anderer Stelle nicht oder nicht mit gleichem Engagement um das Wohl von Katastrophenopfern schert. Da fragt man sich natürlich, woran sich bemißt, wann Hilfe geleistet wird und wann nicht.

In manchen Fällen wird die durch Naturkatastrophen ausgelöste Not vom US-Militär sogar noch verstärkt. In der Antwort des Pentagons an den Kongreß wird berichtet, daß die schwere, mehrjährige Hitzewelle in Syrien zwischen den Jahren 2006 und 2011 umfangreiche landwirtschaftliche Verluste und Vertreibungen der Bevölkerung ausgelöst hat. "Große Bewegungen der Landbewohner in die Stadtzentren Syriens trafen dort auf die vielen irakischen Flüchtlinge, was die Kapazität der Verwaltung, konstruktiv auf die veränderten Anforderungen an die Dienstleistungen zu reagieren, überfordert hat."

Bekanntlich begannen Anfang 2011 syrische Oppositionskräfte ihre Angriffe gegen Polizei- und Militäreinrichtungen. Der bis heute anhaltende sogenannte Bürgerkrieg hat schon lange den Charakter einer Erhebung des Volks gegen eine unliebsame Regierung verloren. Er wird unter anderem von den USA und ihren NATO-Partnern unterstützt, um einen Sturz der syrischen Regierung herbeizuführen.

Betrachtet man den letztlich vom geopolitischen Ringen bestimmten Konflikt nur unter dem Aspekt des Klimawandels könnte man sagen, daß hier die Not der Menschen ausgenutzt wurde, um das eigene politische Süppchen zu kochen. Gegenwärtig herrscht im Nahen und Mittleren Osten erneut eine extreme Hitzewelle, unter der auch die Millionen syrischen Flüchtlinge innerhalb des Landes und in den angrenzenden Ländern leiden. Doch die militärischen Anstrengungen der USA und ihrer Verbündeten sind nach wie vor auf das ursprüngliche Anliegen des Sturzes der Assad-Regierung ausgerichtet, nicht aber auf die Behebung der Gefahren, denen die Flüchtlinge ausgesetzt sind.

Vor diesem Hintergrund wäre die Anerkennung des Klimawandels als Bedrohung seitens des Pentagons nicht als Stellungnahme zu werten, wie sie vielleicht Klimaschützerinnen und -schützern aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich vorschwebt, wenn sie von den Regierungen wirksamere Maßnahmen gegen die globale Erwärmung einfordern, sondern vielmehr als Gefahr wie auch als Chance für die Durchsetzung seiner hegemonialen Interessen.


Fußnoten:

[1] http://www.defense.gov/pubs/150724-Congressional-Report-on-National-Implications-of-Climate-Change.pdf

[2] http://www.defense.gov/pubs/2014_Quadrennial_Defense_Review.pdf

[3] http://www.acq.osd.mil/ie/download/CCARprint_wForeword_c.pdf

3. August 2015


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