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KLIMA/584: Westantarktischer Eisschild erdgeschichtlich relativ stabil (SB)


Meeresspiegelanstieg um mehrere Meter in den nächsten Jahrhunderten


Forscher haben festgestellt, daß der Westantarktische Eisschild die letzten 1,4 Millionen Jahren relativ stabil geblieben ist. Zwar kam es im Laufe dieser Zeit während mehrerer Warmphasen zu erhöhten Schmelzraten und auch starken Eisverlusten, aber zu keinem Zeitpunkt sei die Westantarktis vollständig abgeschmolzen gewesen, berichteten Dr. Andrew Hein von der University of Edinburgh's School of GeoSciences und seine Kollegen im Journal "Nature Communications". [1]

Die Forschergruppe hat das aus dem Eis herausragende Gestein der Ellsworth Mountains auf der atlantischen Seite der Antarktis dahingehend untersucht, wie weit es in den letzten 1,4 Millionen Jahren aus dem Eis herausgeschaut hat. Das könne man aus Veränderungen in der geomorphologischen und chemischen Gesteinsbeschaffenheit in der jeweiligen Höhe ablesen. Nach Einschätzung der Forscher lag der Meeresspiegel während dieser wärmeren Phasen aufgrund jener Eisschmelze in der Westantarktis 3,30 Meter höher als heute.

Wenn die Westantarktis in der Eem-Warmzeit, die von vielen Klimaforschern als Analogie zur Beschreibung der bevorstehenden Welt der globalen Erwärmung herangezogen wird, und all den anderen sogenannten Interglazialen der letzten 1,4 Mio. Jahre nicht vollständig abgeschmolzen war, bedeutet das somit nicht, daß sich der Meeresspiegel kaum verändert hätte.

In der aufgeheizten Welt der fossilen Energiegewinnung würde sicherlich nicht nur der Westantarktische Eisschild schrumpfen, sondern zeitgleich mit ihm auch manche Eisflächen in der Ostantarktis, den Hochgebirgen, auf Grönland sowie in anderen arktischen Regionen. Es kämen also einige Meter oben drauf.

Daß die arktische Meereisfläche im Januar 2016 die geringste jemals gemessene Ausdehnung besaß, wie das US-amerikanische National Snow and Ice Data Center (NSIDC) am Donnerstag berichtete [2], hat zwar keinen direkten Einfluß auf die Meerespiegelhöhe, da das Eis schwimmt, aber ist natürlich Ausdruck eines allgemeinen Erwärmungstrends im Hohen Norden.

Wobei bei Klimaprojektionen immer vorausgesetzt wird, daß vergangene Klimaverhältnisse überhaupt treffende Anhaltspunkte dafür liefern, wie das Klima in einer Welt, die erdgeschichtlich erstmals bis in die letzten Winkel von Menschen besiedelt und massiv umgeformt wird, sein wird. Da sich das Klima des Planeten nicht nur in Zyklen verändert, sondern auch dauerhaft, kann man nicht erwarten, daß die Erde so lebensfreundlich (zumindest für Sauerstoffatmer) bleibt wie gegenwärtig.

Eine wichtige Frage im Zusammenhang mit dem Abschmelzen der Westantarktis lautet deshalb, wieviel Zeit den Menschen bleibt, bis sich die Meere die häufig dicht besiedelten, flachen Küstenstreifen einverleiben. Der Glaziologe Eric Rignot vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in Kalifornien geht davon aus, daß sich das vielleicht schon in den nächsten 200 Jahren abspielen wird. Und das sei nicht das einzige Problem. Der, ähnlich wie die Westantarktis, ebenfalls empfindlich auf warme Meeresströmungen reagierende Totten-Gletscher der Ostantarktis berge das Potential, den Meeresspiegel weltweit um sieben Meter ansteigen zu lassen. Es müsse etwas unternommen werden, bevor die Schnee- und Eisschmelze einsetze, warnt der Forscher. [3]

Es versteht sich von selbst, daß ein Meeresspiegelanstieg um drei, fünf oder zehn Meter viele Millionen Menschen zwänge, ihre Heimat aufzugeben und höher gelegene Gebiete aufzusuchen. Wie diese wohl auf den Zustrom der Klimaflüchtlinge reagieren werden, mag man sich kaum ausmalen angesichts der drastischen Zunahme von Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte und geplante Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Anscheinend sehen die Brandstifter ihr relativ hohes Wohlstandsniveau unterschiedslos durch Menschen aus Syrien und anderen Konflikt- und Kriegsgebieten gefährdet. Klimaflüchtlinge würden nicht freundlicher aufgenommen.

In einer Welt des verstärkten Klimawandels wären eine der größten Bedrohungen für viele Menschen vielleicht gar nicht mal die außer Rand und Band geratenen Natursysteme, sondern die eigenen Artgenossen.


Fußnoten:

[1] http://www.nature.com/ncomms/2016/160203/ncomms10325/full/ncomms10325.html

[2] http://nsidc.org/arcticseaicenews/2016/02/january-hits-new-record-low-in-the-arctic/

[3] http://www.theguardian.com/commentisfree/2014/may/17/climate-change-antarctica-glaciers-melting-global-warming-nasa

5. Februar 2016


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