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KLIMA/650: Wasserumverteilung - verödet, öder, feucht, feuchter ... (SB)



Der Planet erlebt gegenwärtig grundlegende Veränderungen, die mit dem Begriff "Klimawandel" nur unzureichend erfaßt werden. Abgesehen von der globalen Erwärmung und ihren vielfältigen klimatischen Folgen nimmt die Biodiversität ab, geht fruchtbarer Boden verloren, versauern die Meere, dringt Salzwasser in lebenswichtige Süßwasserspeicher ein, und vieles mehr. Nun haben Forscher anhand von Schwerefeldmessungen, die mit Hilfe des Satelliten-Gespanns GRACE durchgeführt wurden, festgestellt, daß sich auch die Wasserverteilung auf der Erde ändert. Trockenere Gebiete werden trockener, feuchte Gebiete feuchter.

Die Beobachtung deckt sich mit den Erwartungen zum Klimawandel, wie sie im letzten Bericht des Weltklimarats vorausgesagt werden - allerdings erst für das Ende dieses Jahrhunderts. Als Ursache dieses Trends im planetaren hydrologischen Geschehen wird eine Gemengelage aus menschlichen und natürlichen Faktoren angenommen.

Die Studie umfaßt den Beobachtungszeitraum von 2002, als GRACE gestartet wurde, bis 2016. Allein in diesen rund eineinhalb Jahrzehnten wurden deutliche Veränderungen in den untersuchten 34 Regionen gemessen, und zwar weltweit. Ermöglicht haben das die beiden GRACE-Satelliten, die hintereinander flogen und eine polare Umlaufbahn eingenommen hatten. Dadurch haben sie regelmäßig jeden Punkt der Erde überstrichen [1].

Die internationale Forschergruppe, die von der US-Weltraumbehörde NASA angeführt wird, hat abgesehen von GRACE weitere Datenquellen hinzugezogen. Dazu gehören unter anderem Landsat-Satellitenbilder, Daten des Geologischen Dienstes der USA (U.S. Geological Survey), das Global Precipitation Climatology Project der Universität von Maryland und diverse Karten zur Bewässerungswirtschaft. Erschienen ist die Studie am 17. Mai im Wissenschaftsjournal Nature [2].

Nicht mehr Gegenstand der Forschungen war die Frage, welche sozioökonomischen Folgen einerseits Wassermangel, andererseits Wasserüberfluß zeitigen. Die Andeutungen, die in der Einleitung der Studie gemacht werden, sprechen allerdings eine deutliche Sprache.

- Knapp die Hälfte der Menschheit ist zwingend auf Grundwasser als Trinkwasserquelle angewiesen.

- 38 Prozent der weltweit produzierten Nahrung erfolgen auf Basis künstlicher Bewässerung.

- Fast zwei Drittel der aquatischen Habitate an Land sind zunehmend bedroht, wohingegen die Niederschlagsmengen und Zuflüsse für diese Habitate wachsenden Schwankungen unterworfen sind.

- Fast fünf Milliarden Menschen leben in Gebieten, in denen die Wasserverfügbarkeit potentiell gefährdet ist.

Mit diesen Angaben im Hintergrund wird klar, daß die Fragen, wie sich das Wasser verteilt und ob globalmaßstäbliche Veränderungen auftreten, für einen beträchtlichen Teil der Menschheit von existentieller Bedeutung sind.

Generell wurde beobachtet, daß die Tropen und die hohen Breiten feuchter werden, wohingegen die gesamte Fläche dazwischen trockener wird. Noch weitgehend ungelöst ist die Aufgabe, genau zu bestimmen, worauf die regionalen Veränderungen im hydrologischen Geschehen zurückgehen. Beispielsweise werden im US-Bundesstaat Kalifornien riesige Mengen an Grundwasser heraufgepumpt, um landwirtschaftliche Flächen zu bewässern. Nur ein Teil des Wassers versickert und erreicht irgendwann wieder den Grundwasserhorizont. Ein anderer Teil fließt oberflächlich ab. Vor allem aber verdunstet das Wasser oder es wird in dem produzierten Obst und Gemüse gebunden. Hier wäre somit ein menschlicher Einfluß auf den Wasserhaushalt anzunehmen.

Jedoch hat Kalifornien zwischen 2007 und 2015 eine schwere Dürre erlebt. Der Süden des Bundesstaats verlor in dieser Zeit Jahr für Jahr vier Gigatonnen Süßwasser. Zum Vergleich: Mit einer Gigatonne Wasser können 400.000 Olympiabecken gefüllt werden. Durch genauere Analysen hofft die Forschergruppe herauszufinden, welcher Einfluß überwiegt, der menschliche oder der natürliche.

In Saudi-Arabien waren die Grundwasserverluste sogar noch höher als in Kalifornien. Während des Untersuchungszeitraums verlor das Land jährlich 6,1 Gigatonnen. In diesem Fall war nicht Dürre die Ursache - Saudi-Arabien liegt sowieso in einer ariden Zone; es erlebt sozusagen einer Dauerdürre -, sondern die wachsende Bewässerungslandwirtschaft.

Wenn von der Forschergruppe beobachtet wurde, daß die Tropen feuchter werden, so bedeutet das nicht zwangsläufig, daß dies so bleiben muß. Es kann auch das genaue Gegenteil eintreten. Beispielsweise schreitet die Entwaldung des Tropischen Regenwalds im Amazonasbecken weiter voran. Wissenschaftler wie der Brasilianer Prof. Carlos Nobre vermuten, daß die schweren Dürren im Amazonasbecken, aber auch weiter südlich im Großraum Sao Paulo, eine Folge des Kahlschlags sind, da normalerweise Regenwald seinen eigenen Regen produziert [3]. Es könnte sein, so Nobre, daß durch die Abholzung eine Grenze überschritten wurde, ab der dies nicht mehr funktioniert. Zur Zeit der Dürre vor über zehn Jahren ließ die brasilianische Regierung im Amazonasbecken Tausende von Notbrunnen bohren, damit die Einwohner genügend Wasser haben. Und das ausgerechnet in Gebieten, in denen Wasser die vorwiegende, ja, fast der einzige Verkehrsweg ist.


Fußnoten:

[1] Die Betriebszeit der beiden GRACE-Satelliten ist im vergangenen Jahr zu Ende gegangen. Das Nachfolgegespann, GRACE Follow On, soll am heutigen Dienstag, 22. Mai, vom kalifornischen Militärstützpunkt Vandenberg starten. Über die ursprüngliche GRACE-Mission berichtete der Experte Dr. Rolf König vom GFZ - GeoForschungsZentrum, Oberpfaffenhofen, gegenüber dem Schattenblick.
http://schattenblick.de/infopool/natur/report/nrin0021.html

[2] https://www.nature.com/articles/s41586-018-0123-1.pdf

[3] Näheres dazu unter:
http://schattenblick.de/infopool/umwelt/brenn/ubwa0007.html

22. Mai 2018


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